dient, ganze Armeen hat
er während seiner Dienst-
zeit ausgemustert, in den
letzten Kriegsjahren Ein-
äugige und Lahme k. i\ ge-
f chrieben, aber einen solchen
verzweifelten Fall hat er
noch nicht erlebt. Er wiegt
das Köpfchen hin und
her, schließlich meint er:
„Wir wolle» es versuchen,
Dziadek."
Er gibt dem Marschall
alle möglichen Mittel ein,
aber sie helfen nicht.
Der Marschall wird in-
zwischen immer ungedul-
diger bei der Behandlung.
Eines Tages hat er
schließlich die Geschichte
satt und herrscht seinen
Leibarzt an: „Das hat so
keinen Sinn mehr, du
mußt eine Pferdekur mit
mir machen!"
Der Leibarzt sagt: „Nun
gut, meinetwegen machen
uw eine Gewaltkur, aber
ich muß dich darauf vorbereiten, es wird nicht leicht sein für dich."
Der Dziadek antwortet ihm, er wäre bereit, für das ersehnte
Ziel das Unmöglichste zu tun.
„Schön", meint der Medizinmann, „daim werde ich dich,
morgen früh um 3,15 Llhr wecken kommen."
„So früh schon", poltert der Marschall.
„Za, es muß schon sein, sonst kann die Pferdekur nicht
gelingen; wir müssen nämlich nach außerhalb fahren", erwidert
jener mit stoischer Ruhe.
Fluchend fügt sich Pilsudski.
Am andern Morgen Punkt 3,15 Uhr wird er geweckt. Brum-
mend erhebt er sich vom Bett, steigt in die Parterreräume seines
Schlosses rmd will frühstücken. Dort erwartet ihn schon der
Obergeneralarzt und gebietet: „Kalt, gefrühstückt wird nicht!"
„Bist du verrückt?" ent-
fährt cs dem übelgelaunten
Marschall.
„Tut mir leid, aber das
gehört zur Kur, hat sonst
gar keinen Zweck", meint
der Arzt wortkarg.
Beide gehen jetzt aus dein
Kaus, vor dessen Portal
der offene Kraftwagen des
Doktors wartet. Pilsudski
steigt rasch ein.
„Kalt", gebietet wieder
die Stimme des Quäl-
geistes, „du mußt einen
Spaten mitnehmen."
„Einen Spaten, bist du
verrückt!" poltert gereizt
der Marschall, „wozu in
drei Teufels Namen einen
Spaten!" Und bekommt
nur wieder das stereotype:
„Tut mir leid, gehört zur
Kur" zu hören.
Steigt also wieder aus,
der geplagte Dziadek, stol-
pcrt in der stockdunklen
Nacht über den Kos nach
den Ställen, in denen noch alles friedlich schläft, nimmt den
erstbesten Spaten, der ihm in die Kände fällt, geht zurück
und seht sich abermals in den Wagen.
Der Weg führt vom schönen Belvedere hinaus zur Weichsel,
in scharfer Fahrt die Weichsel entlang. Der unausgeschlafene
und hungrige Pilsudski gähnt und fröstelt in der Morgenfrühe.
An einer Krümmung des breiten Stromes läßt der Doktor
halten: „So steig' aus, nimm den Spaten und grab!" kom-
mandiert er.
Seufzend fügt sich der Dziadek, greift zum Spaten und gräbt
ächzend. Bei der ungewohnten Arbeit gerät er trotz der herr-
schenden Morgenkühle in Schweiß. Endlich ist er fertig, tvirft
den Spaten fort, wischt sich die Schweißtropfen aus dem
Gesicht, brüllt: „Was jetzt, du Kundesohn!"
Wie die Weltgeschichte in Wirklich«!!: war
| Zeichnung yon Fritz W o 1 f f
Warum Karl der (frohe lesen und schreiben lernte!
"f ...
Zeichnung von A >' t u r . W e r n e r
„Weißt du, welche Leute noch ärmer sind
als wir?“
„Nee?“
„Die Offenbacher, die schicken ihre Helene
Meier durch die ganze Welt zum Fechten!“
Der Kundesohn kommandiert
weiter: „Jetzt zieh' dich ans!'"
Der Widerstand Pilsudskis ist
jetzt endgültig gebrochen, seuf-
zend zieht er sich aus und steht,
vor Frost klappernd, splitter-
fasernackt vor dem Doktor, dessen
weitere Weisungen erwartend.
„Leg' dich so wie du da bist, auf
den Rücken in den Schützen-
graben!" kommandiert der Iln
mensch.
So liegt er, vor Kälte beinahe
erstarrend, zwei Minuten, fünf
Minuten, zehn Minuten, - - ihm
erscheinen sie wie Ewigkeiten.
Endlich donnert er los: „Pscha-
kreff, wie lange soll ich denn
hier noch liegen, worauf warten
wir denn, du Blutegel!"
Antwortet der Blutegel begü-
tigend: „Gott, was du dich bloß
aufregst, Dziadek, worauf wcr-
den wir schon groß warten; wir
warten halt auf das zweite
Wunder an der Weichsel!"
Zeichnung yon Sie p lian S z i g e t h y
Wenn das Fernsehtelefon
kommt
„Gnädige Frau, ein Herr will Sie am Telefon
sprechen!“
„Um Gotteswillen, ich habe ja kein anstän-
diges Kleid anzuziehen!“
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er während seiner Dienst-
zeit ausgemustert, in den
letzten Kriegsjahren Ein-
äugige und Lahme k. i\ ge-
f chrieben, aber einen solchen
verzweifelten Fall hat er
noch nicht erlebt. Er wiegt
das Köpfchen hin und
her, schließlich meint er:
„Wir wolle» es versuchen,
Dziadek."
Er gibt dem Marschall
alle möglichen Mittel ein,
aber sie helfen nicht.
Der Marschall wird in-
zwischen immer ungedul-
diger bei der Behandlung.
Eines Tages hat er
schließlich die Geschichte
satt und herrscht seinen
Leibarzt an: „Das hat so
keinen Sinn mehr, du
mußt eine Pferdekur mit
mir machen!"
Der Leibarzt sagt: „Nun
gut, meinetwegen machen
uw eine Gewaltkur, aber
ich muß dich darauf vorbereiten, es wird nicht leicht sein für dich."
Der Dziadek antwortet ihm, er wäre bereit, für das ersehnte
Ziel das Unmöglichste zu tun.
„Schön", meint der Medizinmann, „daim werde ich dich,
morgen früh um 3,15 Llhr wecken kommen."
„So früh schon", poltert der Marschall.
„Za, es muß schon sein, sonst kann die Pferdekur nicht
gelingen; wir müssen nämlich nach außerhalb fahren", erwidert
jener mit stoischer Ruhe.
Fluchend fügt sich Pilsudski.
Am andern Morgen Punkt 3,15 Uhr wird er geweckt. Brum-
mend erhebt er sich vom Bett, steigt in die Parterreräume seines
Schlosses rmd will frühstücken. Dort erwartet ihn schon der
Obergeneralarzt und gebietet: „Kalt, gefrühstückt wird nicht!"
„Bist du verrückt?" ent-
fährt cs dem übelgelaunten
Marschall.
„Tut mir leid, aber das
gehört zur Kur, hat sonst
gar keinen Zweck", meint
der Arzt wortkarg.
Beide gehen jetzt aus dein
Kaus, vor dessen Portal
der offene Kraftwagen des
Doktors wartet. Pilsudski
steigt rasch ein.
„Kalt", gebietet wieder
die Stimme des Quäl-
geistes, „du mußt einen
Spaten mitnehmen."
„Einen Spaten, bist du
verrückt!" poltert gereizt
der Marschall, „wozu in
drei Teufels Namen einen
Spaten!" Und bekommt
nur wieder das stereotype:
„Tut mir leid, gehört zur
Kur" zu hören.
Steigt also wieder aus,
der geplagte Dziadek, stol-
pcrt in der stockdunklen
Nacht über den Kos nach
den Ställen, in denen noch alles friedlich schläft, nimmt den
erstbesten Spaten, der ihm in die Kände fällt, geht zurück
und seht sich abermals in den Wagen.
Der Weg führt vom schönen Belvedere hinaus zur Weichsel,
in scharfer Fahrt die Weichsel entlang. Der unausgeschlafene
und hungrige Pilsudski gähnt und fröstelt in der Morgenfrühe.
An einer Krümmung des breiten Stromes läßt der Doktor
halten: „So steig' aus, nimm den Spaten und grab!" kom-
mandiert er.
Seufzend fügt sich der Dziadek, greift zum Spaten und gräbt
ächzend. Bei der ungewohnten Arbeit gerät er trotz der herr-
schenden Morgenkühle in Schweiß. Endlich ist er fertig, tvirft
den Spaten fort, wischt sich die Schweißtropfen aus dem
Gesicht, brüllt: „Was jetzt, du Kundesohn!"
Wie die Weltgeschichte in Wirklich«!!: war
| Zeichnung yon Fritz W o 1 f f
Warum Karl der (frohe lesen und schreiben lernte!
"f ...
Zeichnung von A >' t u r . W e r n e r
„Weißt du, welche Leute noch ärmer sind
als wir?“
„Nee?“
„Die Offenbacher, die schicken ihre Helene
Meier durch die ganze Welt zum Fechten!“
Der Kundesohn kommandiert
weiter: „Jetzt zieh' dich ans!'"
Der Widerstand Pilsudskis ist
jetzt endgültig gebrochen, seuf-
zend zieht er sich aus und steht,
vor Frost klappernd, splitter-
fasernackt vor dem Doktor, dessen
weitere Weisungen erwartend.
„Leg' dich so wie du da bist, auf
den Rücken in den Schützen-
graben!" kommandiert der Iln
mensch.
So liegt er, vor Kälte beinahe
erstarrend, zwei Minuten, fünf
Minuten, zehn Minuten, - - ihm
erscheinen sie wie Ewigkeiten.
Endlich donnert er los: „Pscha-
kreff, wie lange soll ich denn
hier noch liegen, worauf warten
wir denn, du Blutegel!"
Antwortet der Blutegel begü-
tigend: „Gott, was du dich bloß
aufregst, Dziadek, worauf wcr-
den wir schon groß warten; wir
warten halt auf das zweite
Wunder an der Weichsel!"
Zeichnung yon Sie p lian S z i g e t h y
Wenn das Fernsehtelefon
kommt
„Gnädige Frau, ein Herr will Sie am Telefon
sprechen!“
„Um Gotteswillen, ich habe ja kein anstän-
diges Kleid anzuziehen!“
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