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Krause wird
Millionär

Don Horst TönnieS

Als das Schicksal Krause ereilt
hatte, sah es schwarz aus und
hieß Marietta. Es geschah in
Italien, auf der Pumpinsel
Capri, unter den hemmungs-
losesten aller hemmungslosen
Nichtstuer. Marietta sah in
Krause eine lebenslängliche Er-
werbsquelle und wollte nicht
von ihm lassen. Aber Krause
War im Grunde nur ein armer
Schlucker, der sich in den drei
Wochen Ferien als Graf geben
Nwllte. Bald geinig erriet Ma-
rictta, wie es um ihn stand.
Nun wollte sie fort, aber die
liebenswürdigen Leute auf Capri
machten sie für Krauses Schul-
den mitverantwortlich. Es ergab
sich zwischen ihr und ihm
eine Art Schicksalsgemeinschaft.
Worauf sich Marietta auf ihre
Vergangenheit besann — sie
war ehedem Zirkusrciterin - -
und zu Krause sagte:

„Wir gründen einen Zirkus!"
Krause lachte. Aber cs geschah,
wie Marietta cs gewünscht hatte.
Bei Nacht und Nebel wurde
das Paar von den Brüdern
Mariettas nach Neapel hcrttbcr-
gcrudcrt, und einige Tage später
war der immer noch für einen
„besseren Herrn" gehaltene
Krause Eigentümer eines aus
Pump gekauftcnWanderzirkusscs

Zeichnung

von Hclmutli Peter

„Großpapa, ist es war, daß es Schnee gibt,
wenn dein linkes Bein weh tut?“

„Jawohl, mein Goldkind!“

„Ach, dann laß es doch mal wehtun, ich möchte
so gern Schlitten fahren!“

Zeichnung von Lothar Reiz
„Also ich habe Ihnen die Medizin gleich mitgebracht.
10 Tropfen vor jeder Mahlzeit!“

„Jawohl, Herr Doktor! Und wer liefert die Mahlzeiten?“

mit Assen, Papageien, einer Schindmähre, einem Wohn-
wagen und einem Zelt nebst Zubehör. Gekauft wurde
die ganze Herrlichkeit von weitläufigen Verwandten
Mariettas, die dem Mädchen glaubten, daß sie über
kurz oder lang das .Geld aus Krause Herauspumpen
würde. Dann engagierte man ein paar Artisten — gleich-
falls aus der Verwandtschaft — und zog als Zirkus
Krausini in die Welt hinaus.

Schon in der ersten Stadt war man nach drei Vor-
stellungen so weit, daß man die Schindmähre schlachten
und den sonstigen Zubehör nebst Papageien und Affen
verkaufen wollte. Es war kein Mensch in den Zirkus
hereinzukriegen. Da kam Krause auf eine glänzende Idee.
Am nächsten Tage prangten alle Säulen der Stadt in
bunten Plakaten, die verkündeten, daß es dem
Direktor Krausini dank ungeheu-
ren Ansttcngungcn .gelungen
wäre, eine großartige Scnsations-
gallagroßnummcr zu engagieren.

Der Herr Direktor wäre sich des
Erfolges diescrNummer so sicher,
daß er sich bereit erklärte, jedem
Besucher der Vorstellung, dem
diese Nummer nicht gefallen
sollte, das dreifache Eintritts-
geld zurückzuzahlen.

Am Abend war der Zirkus
übervoll.

Nach Ablauf der ersten Hälfte
des Programms trat Krausc-
Krausini in die Manege und
verkündete:

„Sehr verehrte Signori und
Signorini, nebst den schönen
Söhnen und entzückenden Töch-
tern! Jetzt kommt die von mir
angekündigte große Gallasensa-
tionsweltnummer!" Die Kapelle
spielte einen Tusch. „Jeder von
Ihnen", fuhr Krause fort, „dem
diese Nummer nicht gefallen
sollte, kann sich an der Kasse den
dreifachen Betrag des von ihm
gezahlten Eintrittsgeldes holen!
Aufgepaßt, meine .Herrschaften:
Sie hören gleich diese Glanz-
nummer: die Kapelle der hiesi-
gen Ortsgruppe der glorreichen
Faschistcu-Miliz wird Ihnen den
herrlichen Faschisten - Marsch
Vorspielen!"

Man kann sich lebhaft denke»,
daß diese Nummer unwillkürlich
gefallen mußte. Wer gewagt
hätte, das Gegenteil zu behaup-
ten, müßte ein geborener Held
sein. Nach der Vorstellung
tranken die Faschisten auf Krau-
ses Kosten einige Fäßchen Wein
leer, aber seine Reineinnahme
blieb dennoch beträchtlich.
Marietta bekam Lichtung vor
Krause. Er war doch ein ganzer
Mann!

Seine Idee aber, die sich einmal
bewährt hatte, konnte nun weiter
ausgenutzt werden. Allerdings
hatte cs keinen Zweck, mehr als
einmal so eine Gallagroßwclt-
scnsationsvorstcllung in derselben
Stadt zu geben. Am nächsten
Abend blieb der Zirkus jedesmal

„Zwanzigmal bin ich jetzt schon hingefallen!"
„Das ist das Gesetz der Schwerkraft, Herr
Stiefel!“

„So? Schöne Gesetze, die der Reichstag macht,
wenn man dauernd auf die Plauze fliegt!“

Nr. i

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