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politischer

Karneval

„Bis das dritte Reich her-
einbricht", hat Hitler i»
einer Führerkonferenz der
Nativnalsozialisteit ge-
äußert, „muß malt sich die
Zeit vertreiben." Lind
Goebbels, der sich seiner
Mäuse erinnerte, hat dar-
auf „Sehr richtig!" gesagt.
Woraufhin man beschloß,
der Einladung des bekann-
ten Bankdirektors v. Stuß
zri einem politischen Mas-
kenfest Folge zu leisten.

Es waren nur prominente
Politiker anwesend, aber
da viele von ihnen aus alter
Getvohnheit den Mund
nicht halten konnten, ist
allerhand über diesen eigen-
artigen Mummenschanz
durchgesickert.

Die Herren Hakenkrenzler
hatten sich nette Masken
ausgedacht. Goebbels zum
Beispiel kam als kleiner
Moritz — und kam am
billigsten von allen weg,
weil er sich weder zu kostü-
mieren noch zu schminken
brauchte. DergroßeAdolf
hingegen,der schon so viele
Einfälle hatte, prophezeite,
daß ihn niemand erkennen
werde. ErerschienalsNo-
vemberverbrecher, hatte sich
eine rote Schärpe um den
Bauch gewickelt, trug einen
Dolch in derHand, mit dem
er die Anwesenden in den
Rücken stieß, gab fürchter-
liche Drohungen von sich,
schrie andauernd, er werde
Deutschland zugrunde-

„Das ganze Jahr lang hat
man den Buckel voll Sorgen,
da will man, verdammt-
nochmal, den Buckel auch

Zeichnung von Richard Asir

„Die Faschingsbälle sind heuer recht
schwach besucht!“

„Ja, woaßt, die Madeln ham alle Angst
vor’m Münchmeyer!“

mal voll
haben!“

meyer alsSeelsorger,Herrv.Oldcnburg-
Ianuschau als Parlamentarier und Herr
Treviranus als Diplomat. Selbst der
Kammerdiener des Herrn v. Stuß, der
an so manches gewöhnt ist, soll bei diesem
Anblick erschrocken sein. Nurwcnigcder
Eingeladenen hatten abgesagt. Als sich
der Gastgeber bei Jöiflcr erkundigte,
warum sein Parteigenosse Straffer trotz
seiner Zusage nicht erschienen sei, cr-
. widerte Hitler: „Derhat sein Ehrenwort
gegeben, daß er kommen wird, Also kann
crnicht kommen." Was allgemeines Ver-
ständnis fand. DasFest verlief in bester
Stimmung. Herr Frick dirigierte eine
Jazz - Ersatz - Kapelle, .Herr Schacht
führte Eiertänze vor, Herr Luther mixte
an der Bar anfencrnde Getränke —und
in der Mitte des Saals war ein großer
Geldschrank aufgebaut, aus dem neben
dem Gastgeber die .Herren Hugenberg,
Thyffen und v. Siemens Platz nahmen,
klm diesen Geldschrank tanzten die
übrigen. Es >var ein bunter und toller
Karneval -- und die Tatsache, daß im
Verlaufe dieses Festes viel kostbares Ge-
schirr zerschlagen wurde, hat den Teil-
nehmern keine Sorgen gemacht. G—g.

was anderem

richten und er lasse sich von
Jtiden, Freimaurern und
internationalem Kapital
bezahlen — und hatte das
Pech, daß man ihn darauf-
hin sofort erkannte.
Schwierigerwar die Sache
schon bei einem anderen
Naziftthrer, der sich als
Minister verkleidet hatte
und wahrscheinlich uner-
kannt geblieben wäre,wcnn
sich nicht ein heiterer Zwi-
schenfall ereignethätte. Als
Pugenberg, der selbstver-
ständlich auch zugegen war,
in gehobene Stimmung ge-
riet und dabei ausrief: „Ich
bin ein zweiter Bismarck!",
kam derMinisteraufihnzu-
gcstürztund sagte: „Ich bin
bereit. Sie als Bismarck
auszuweisen — sogar der
Polizei gegenüber." Wo-
raufhin alle wußten, daß es
sich bei dem „Minister" um
.Herrn Franzen handelte.
.HerrHugenberg hatte sich
ein höchst originelles
Kostüm ersonnen. Er trat
als Inflationsopfer auf,
mit nichts als alten Tau-
sendmarkscheinen bekleidet.
Als eine Dame vom Zen-
trum an dieser alten leichten
Gewandung Anstoß nahm,
bemerkte .Herr Hilgenberg
schlagfertig: „Sagen Sie
nichts gegen dieses Papier,
gnädige Frau! Daraus
habe ich den „Lokal-
Änzeiger" und die Nacht-
ausgabe gemacht."

Großes Hallo gab es beim
Austauchen einiger.Herren,
die in besonders grotesken
Kostümen erschienen: Herr
v. Secckt nämlich kam als
Politiker, Herr Münch-

1'

Zeichnung von II e 1 m u t li Peter

„Na, Maxe, wie Napoleon siehste wirklich
nicht aus!“

„Schadet nichts 1 Man kann mir wenigstens
nicht die Brieftasche klauen wie im
vorigen Jahr!“

?;v. 5

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