Zeichnung von R (Terrmann
Humboldt: Sie glauben doch nicht, ich
wäre zum Mordreporter herabgesunken? Ich
bin nur Landschaftsreferent von Beier & Meier.
Den Mord selbst — dafür haben wir unsre
Spezialisten. Meine einzige Verpflichtung ist,
den Schauplatz der Untat in meiner Beschrei-
bung etwas hervorzuheben.
Direktor Grünfeld (ein geschäfts-
gewandter Mann, kommt eilig hervorge-
schossen): Meine Verehrung, Herr Baron —
Kompliment, Herr Professor! (Er stellt sich
vor): Grünfeld. Leider ist unser Seniorchef
eben nicht zu sprechen.
Schiller: Oh!
Grünfeld: Er ist in einer äußerst wich-
tigen Konferenz — hat mich aber beauftragt,
die Herren namens der Firma auf das wärmste
willkommen zu heißen.
Schiller (schüchtern): Ich möchte die
Herren nit in ihre Konferenzen störe, die
also wichtig sind . . .
G r ii n f e 1 d : Herr von Schiller, ich versichere
Sie — beziehungsweise Ihnen, daß sich unser
Haus freuen wird, Sie als Mitarbeiter an eine
unsrer Unternehmungen fesseln zu dürfen. Ich
werde mich sofort mit unsrer literarischen Lei-
tung in Verbindung setzen, um Ihnen greifbare
Vorschläge zu machen. Auf welchem Gebiet
wollen Sie sich für uns betätigen, Herr Rat?
Schiller: Ihr ediert also Gazetten?
Grünfeld: Wenn Sie es so nennen . . .?
Schiller: Ich habe da etliche Gedichte.
Wollt Ihr die etwan drucke?
Grünfeld: Hm. — Gedichte . . . Gewiß,
es wird uns ehren, unsern drei Millionen
Lesern Gedichte einer so berühmten Leier
vermitteln zu dürfen . . . Darf man fragen:
was sind das für Gedichte?
Schiller (zieht aus der Brusttasche ein
Manuskript): Das Lied von der Glocke.
G r ü n 1 e 1 d (wiegt das Manuskript in der
Hand): Leider etwas umfangreich ...
Schiller (zuckt die Achseln).
Grünfeld: Wir haben 16 Wochenschriften
im Verlag, 42 Tageszeitungen und 337 Fach-
blätter. Auch einen Theatervertrieb haben
wir uns angegliedert. Unser Monatsbedarf
beträgt durchschnittlich 4800 Gedichte. Aber
glauben Sie mir, wir sind auf Jahre hinaus
von seiten unsrer hochadeligen Hauslyriker
reichlich versehen. Es ist mir ja unsagbar pein-
lich: Aber ein so langes Gedicht paßt nicht
in den Rahmen unserer Blätter.
H umbaldt: Man kann einen Professor
von Schiller unmöglich anderswo bringen als
in der vornehmsten Zeitschrift, dem Goldnen
Jahrhundert.
Grünfeld: Grade im Goldnen Jahrhundert
bieten wir grundsätzlich nur Gedichte von je
vier Strophen zu vier Versen.
Humboldt: Und das Familien Wochenheim?
Grün f e 1 d : Bringt nur Gedichte von acht-
zehn Versen.
Humboldt: Eben sehe ich: Das Gedicht
schildert einen Glockenguß?
Grünfeld: Dann kann es vielleicht in
unserm Fachblatt für Kirchenbau erscheinen ...
Humboldt: Na, erwerben wird man ein
Gedicht von Schiller natürlich auf jeden Fall.
„Is doch klar,
Mensch: unsere
alten Herrschaf-
ten haben keinen
blassen Dunst von
Politik! Also müs-
senwirran! Frage
is bloß: Hitler
oderScheringer?“
(Das Telefon schrillt).
Grünfeld (am Apparat): Jawohl . . . Gewiß . . . Jawohl . . . Der Herr
Herzogliche Sächsische Rat von Schiller aus Jena und der Königliche
Kammerher Freiherr von Humboldt . . . Sehr wohl, Herr Kommissions-
rat... M. w... Ich soll so leben ... (Strahlend zu den Gästen): Unser Chef
hat soeben Kenntnis von Ihrer Anwesenheit genommen und beauftragt mich.
Zcidinnn£ von Hans Kossatz
„Fräulein Margot,
ichhabevonlhnen
noch keine Akt-
aufnahme. Darf
ich Sie mal photo-
graphieren — nur
mit einem Koral-
lenkettlein?“
„Nein,darauswird
nichts!“
„O . . . I“
„Nein. Ich habe
kein Korallenkett-
lein 1“
9
Humboldt: Sie glauben doch nicht, ich
wäre zum Mordreporter herabgesunken? Ich
bin nur Landschaftsreferent von Beier & Meier.
Den Mord selbst — dafür haben wir unsre
Spezialisten. Meine einzige Verpflichtung ist,
den Schauplatz der Untat in meiner Beschrei-
bung etwas hervorzuheben.
Direktor Grünfeld (ein geschäfts-
gewandter Mann, kommt eilig hervorge-
schossen): Meine Verehrung, Herr Baron —
Kompliment, Herr Professor! (Er stellt sich
vor): Grünfeld. Leider ist unser Seniorchef
eben nicht zu sprechen.
Schiller: Oh!
Grünfeld: Er ist in einer äußerst wich-
tigen Konferenz — hat mich aber beauftragt,
die Herren namens der Firma auf das wärmste
willkommen zu heißen.
Schiller (schüchtern): Ich möchte die
Herren nit in ihre Konferenzen störe, die
also wichtig sind . . .
G r ii n f e 1 d : Herr von Schiller, ich versichere
Sie — beziehungsweise Ihnen, daß sich unser
Haus freuen wird, Sie als Mitarbeiter an eine
unsrer Unternehmungen fesseln zu dürfen. Ich
werde mich sofort mit unsrer literarischen Lei-
tung in Verbindung setzen, um Ihnen greifbare
Vorschläge zu machen. Auf welchem Gebiet
wollen Sie sich für uns betätigen, Herr Rat?
Schiller: Ihr ediert also Gazetten?
Grünfeld: Wenn Sie es so nennen . . .?
Schiller: Ich habe da etliche Gedichte.
Wollt Ihr die etwan drucke?
Grünfeld: Hm. — Gedichte . . . Gewiß,
es wird uns ehren, unsern drei Millionen
Lesern Gedichte einer so berühmten Leier
vermitteln zu dürfen . . . Darf man fragen:
was sind das für Gedichte?
Schiller (zieht aus der Brusttasche ein
Manuskript): Das Lied von der Glocke.
G r ü n 1 e 1 d (wiegt das Manuskript in der
Hand): Leider etwas umfangreich ...
Schiller (zuckt die Achseln).
Grünfeld: Wir haben 16 Wochenschriften
im Verlag, 42 Tageszeitungen und 337 Fach-
blätter. Auch einen Theatervertrieb haben
wir uns angegliedert. Unser Monatsbedarf
beträgt durchschnittlich 4800 Gedichte. Aber
glauben Sie mir, wir sind auf Jahre hinaus
von seiten unsrer hochadeligen Hauslyriker
reichlich versehen. Es ist mir ja unsagbar pein-
lich: Aber ein so langes Gedicht paßt nicht
in den Rahmen unserer Blätter.
H umbaldt: Man kann einen Professor
von Schiller unmöglich anderswo bringen als
in der vornehmsten Zeitschrift, dem Goldnen
Jahrhundert.
Grünfeld: Grade im Goldnen Jahrhundert
bieten wir grundsätzlich nur Gedichte von je
vier Strophen zu vier Versen.
Humboldt: Und das Familien Wochenheim?
Grün f e 1 d : Bringt nur Gedichte von acht-
zehn Versen.
Humboldt: Eben sehe ich: Das Gedicht
schildert einen Glockenguß?
Grünfeld: Dann kann es vielleicht in
unserm Fachblatt für Kirchenbau erscheinen ...
Humboldt: Na, erwerben wird man ein
Gedicht von Schiller natürlich auf jeden Fall.
„Is doch klar,
Mensch: unsere
alten Herrschaf-
ten haben keinen
blassen Dunst von
Politik! Also müs-
senwirran! Frage
is bloß: Hitler
oderScheringer?“
(Das Telefon schrillt).
Grünfeld (am Apparat): Jawohl . . . Gewiß . . . Jawohl . . . Der Herr
Herzogliche Sächsische Rat von Schiller aus Jena und der Königliche
Kammerher Freiherr von Humboldt . . . Sehr wohl, Herr Kommissions-
rat... M. w... Ich soll so leben ... (Strahlend zu den Gästen): Unser Chef
hat soeben Kenntnis von Ihrer Anwesenheit genommen und beauftragt mich.
Zcidinnn£ von Hans Kossatz
„Fräulein Margot,
ichhabevonlhnen
noch keine Akt-
aufnahme. Darf
ich Sie mal photo-
graphieren — nur
mit einem Koral-
lenkettlein?“
„Nein,darauswird
nichts!“
„O . . . I“
„Nein. Ich habe
kein Korallenkett-
lein 1“
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