und Wirkung
1914
19??
vor Mitleid mit seinem leidenden Chef. Er vergaß
ganz, weshalb er eigentlich hereingekommen war. Er
schaute schuldbewußt zur Decke hoch und hatte ein
Gefühl, als sei er selber schuld an dem traurigen
Elend, unter dem Herr Reibeisen litt.
„Sie müssen Sport treiben, Zierfischel, Sie brauchen
Abwechslung.“ Der Chef hatte sich wieder erhoben
und sprach auf Emil ein. „Ich habe einen Bekannten,
der ist Hauptmann a. D. Der bekommt von der —
Republik Pension, außerdem leitet der so eine
Sportabteilung bei den Nazis. Wollen Sie, daß ich
Sie dem empfehle? Das wird Ihnen gut tun, lauter
deutsche Männer, zufriedene Gesellen, brave Vater-
landsverteidiger. Das wäre ein Umgang für Sie.“
Emil nickte.
Aber auf einmal entsann er sich wieder, weshalb er
eigentlich gekommen war. „Herr Reibeisen ... es
geht uns schlecht . . .“ — „Das haben Sie mir doch
schon mal gesagt“, unterbrach ihn da der Chef, „es
wird Ihnen besser gehen, wenn Sie auf andere Ge-
danken kommen. Sie müssen nur den richtigen
Umgang haben, (Emil dachte: Umgang, Umgang, ich
habe fünf Kinder und eine Frau —), der Hauptmann
wird Ihnen schon die ganze Geschichte erklären.“
Und damit schob er ihn zur Tür hinaus.
Zu Hause erzählte er alles wortgetreu. Seine Frau
sagte: „Du bist ein unverbesserliches Rindvieh!“
Dann weinte sie, weil morgen die Gasrechnung
bezahlt werden muß, und sie hat kein Geld. Emil
sagte. „Mein Chef hat gesagt, wenn ich auf andere
Gedanken komme, wird alles besser. Er hat gesagt,
ich soll zu dem Hauptmann gehen von den Nazis,
der wird mir schon Geschichten erzählen. Da werde
ich bestimmt auf andere Gedanken kommen, hat mein
Chef gesagt.“
Da gab es die Frau auf, sie hält Emil für unheilbar.
TVer Arbeitslose Barber war schon drei Jahre ohne
Arbeit. Als er in seiner Not keinen Ausweg sah,
schlug er wegen elf Mark fünfzig zwei Dicke k. o. Der
Richter verurteilte ihn zu 5 Jahren.
Das Gefängnis beschäftigte Barber grund seiner her-
vorragenden Tüchtigkeit als Tischler. Auf einem Kon-
trollgang sprach ihn der Direktor an: „Sie sind außer-
gewöhnlich geschickt. Wie geht es Ihnen sonst?“
Barber nickte: „Danke. Ganz gut. Nur eins kann ich
immer noch nicht verstehen.“
„Was’“
„Daß man heute erst zwei Menschen die Knochen
kaputt schlagen muß, bevor man Arbeit kriegt!“
TjMne Bank hatte mit zwei Millionen pleite gemacht.
-*J Ein stellenloser Artist betrog um zehn Mark.
Diese beiden Notizen standen nebeneinander in der
Zeitung. Der Bankdirektor bekam drei Monate bedingt
wegen betrügerischen Bankrotts, der Artist zwei Jahre
wegen seiner zehn Mark.
„Das ist doch ungerecht, Vater“, zeigte der Sohn auf
die Zeitung, „der Artist bekommt für zehn Mark zwei
Jahre und der Bankdirektor für dasselbe Vergehen im
größeren Ausmaß nur drei Monate!“
Der Vater nickte:
„Ja. Aber der Bankdirektor hat es in Ausübung seines
Berufes getan.“
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vor Mitleid mit seinem leidenden Chef. Er vergaß
ganz, weshalb er eigentlich hereingekommen war. Er
schaute schuldbewußt zur Decke hoch und hatte ein
Gefühl, als sei er selber schuld an dem traurigen
Elend, unter dem Herr Reibeisen litt.
„Sie müssen Sport treiben, Zierfischel, Sie brauchen
Abwechslung.“ Der Chef hatte sich wieder erhoben
und sprach auf Emil ein. „Ich habe einen Bekannten,
der ist Hauptmann a. D. Der bekommt von der —
Republik Pension, außerdem leitet der so eine
Sportabteilung bei den Nazis. Wollen Sie, daß ich
Sie dem empfehle? Das wird Ihnen gut tun, lauter
deutsche Männer, zufriedene Gesellen, brave Vater-
landsverteidiger. Das wäre ein Umgang für Sie.“
Emil nickte.
Aber auf einmal entsann er sich wieder, weshalb er
eigentlich gekommen war. „Herr Reibeisen ... es
geht uns schlecht . . .“ — „Das haben Sie mir doch
schon mal gesagt“, unterbrach ihn da der Chef, „es
wird Ihnen besser gehen, wenn Sie auf andere Ge-
danken kommen. Sie müssen nur den richtigen
Umgang haben, (Emil dachte: Umgang, Umgang, ich
habe fünf Kinder und eine Frau —), der Hauptmann
wird Ihnen schon die ganze Geschichte erklären.“
Und damit schob er ihn zur Tür hinaus.
Zu Hause erzählte er alles wortgetreu. Seine Frau
sagte: „Du bist ein unverbesserliches Rindvieh!“
Dann weinte sie, weil morgen die Gasrechnung
bezahlt werden muß, und sie hat kein Geld. Emil
sagte. „Mein Chef hat gesagt, wenn ich auf andere
Gedanken komme, wird alles besser. Er hat gesagt,
ich soll zu dem Hauptmann gehen von den Nazis,
der wird mir schon Geschichten erzählen. Da werde
ich bestimmt auf andere Gedanken kommen, hat mein
Chef gesagt.“
Da gab es die Frau auf, sie hält Emil für unheilbar.
TVer Arbeitslose Barber war schon drei Jahre ohne
Arbeit. Als er in seiner Not keinen Ausweg sah,
schlug er wegen elf Mark fünfzig zwei Dicke k. o. Der
Richter verurteilte ihn zu 5 Jahren.
Das Gefängnis beschäftigte Barber grund seiner her-
vorragenden Tüchtigkeit als Tischler. Auf einem Kon-
trollgang sprach ihn der Direktor an: „Sie sind außer-
gewöhnlich geschickt. Wie geht es Ihnen sonst?“
Barber nickte: „Danke. Ganz gut. Nur eins kann ich
immer noch nicht verstehen.“
„Was’“
„Daß man heute erst zwei Menschen die Knochen
kaputt schlagen muß, bevor man Arbeit kriegt!“
TjMne Bank hatte mit zwei Millionen pleite gemacht.
-*J Ein stellenloser Artist betrog um zehn Mark.
Diese beiden Notizen standen nebeneinander in der
Zeitung. Der Bankdirektor bekam drei Monate bedingt
wegen betrügerischen Bankrotts, der Artist zwei Jahre
wegen seiner zehn Mark.
„Das ist doch ungerecht, Vater“, zeigte der Sohn auf
die Zeitung, „der Artist bekommt für zehn Mark zwei
Jahre und der Bankdirektor für dasselbe Vergehen im
größeren Ausmaß nur drei Monate!“
Der Vater nickte:
„Ja. Aber der Bankdirektor hat es in Ausübung seines
Berufes getan.“
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