Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
T^er Syndikus des Unternehmerverbandes dozierte
seinen Arbeitgebern vor: „Steigt die Konjunktur,
meine Herren, so ist es höchste Zeit, das Lohnbudget
abzubauen. Hohe Löhne oder Erhöhung der Löhne
würden nur der Konkurrenz zugute kommen, indem
die Arbeiterschaft die Möglichkeit bekommt, bei der
Konkurrenz zu höheren Preisen zu kaufen. Sinkt die
Konjunktur, so ist in erster Linie ein Abbau der
Löhne vorzunehmen, denn durch eine Verminderung
ihres Einkommens steigt bei der Arbeiterschaft der
Mangel am Notwendigsten und damit für sie die Not-
wendigkeit, das Notwendigste zu kaufen. Ist eine gleich-
mäßige Konjunktur zu erwarten, so bilden hohe Löhne
die stärkste Bedrohung dieser Konjunktur und nur
schleunige Lohnherabsetzung kann jene Steigerung des
Tantieme- und Dividenfonds gewährleisten, die absolut
notwendig ist, um die gute Konjunktur auf die Quali-
tätswaren überzuleiten, die die verehrlichen Mitglieder
dieses Gremiums zu kaufen pflegen.“

*

„Sehen Sie“, belehrte der Generaldirektor einen be-
freundeten Ministerialrat, „sehen Sie, mein Lieber,
wenn der Arbeiter ein paar Pfennige abgezogen be-
kommt — nu nebbich. Der Mann trinkt ein Glas Bier
weniger, die Frau schmeißt ein kleineres Stück Fleisch
in den Topf, na, und die Kinder kriegen ’ne Scheibe
Wurst weniger auf die Frühstückstulle. Aber unsereins!
Wird mein Dienstauto abgebaut, so wird der Chauffeur
arbeitslos — 250 Mark Kaufkraftverlust — und der
zum Verkauf stehende Wagen drückt die Produktion
neuer Wagen. Wird mir vom Gehalt angestriehen und
ich verkaufe meinen Pelz, komme ohne Pelz zur Börse,
so heißt’s, er wird wohl vor der Pleite stehen, und die
Kurse purzeln. Den Schaden trägt die Volkswirtschaft.
Kann ich mir keine neuen Gemälde für meine Villa
kaufen, so gehen die Farbenkleckser hin, werden Salon-
bolschewisten und malen revolutionäre Bilder. Und
daher kommen dann die Unruhen. Na, und wenn ich
meiner Frau vom Nadelgeld abziehen müßte — eine
volkswirtschaftliche Katastrophe, Herr! Friseur, Mas-
seuse, Hausdame, Schneiderin, Putzmacherin, Kon-
ditor — weiß denn überhaupt einer von den Proleten,
die immer gegen das bißchen Lohnabbau schreien,
was an unsereinem alles dran hängt? Ihnen gesagt,
Herr Ministerialrat: Die Blüte der Kultur gedeiht nicht
ohne die goldene Sonne ausgiebiger Großgehälter und
Tantiemen.“

.Zeichnung von
O. Delling

Uniform des
Reichsinnen-
wehrministers
Groener

Zeichnung von B. Lcporini

Der kleine Stein

Und so geht’s auch oft
im Leben . . .

10
 
Annotationen