Aus dem Jahre 1950: Ein Mann geht zur Arbeit!
Willibald Kater:
Emil möchte vom Chef eine Neujahrsgratifikation
Gestern hat Emil wieder drei Lieberstunden gemacht, weil
bald Neujahr ist, und die Käsefabrik von Herrn Reibeisen
jetzt floriert. Emil ist ein guter Kerl, wie er im Buche steht.
Er macht die Lieberstunden für umsonst,-weil er nichts dafür
bekommt, weil er auf ein Neujahrsgeschenk hofft, weil es
doch immer was Extras gibt!
Emil denkt kurz und einfach: wenn ich gut bin, ist der
Chef auch gut.
Voriges Neujahr hat Emil auch was gekriegt von ihm, aber
leider nicht viel, nur ein Gläschen Schnaps. Da hat Emil
zwei Augen gemacht wie Wagenräder, weil er erschrocken
war und enttäuscht. Er hat das Glas genommen, da hat die
Hand gezittert. Er hat den Schnaps schnell hintergegossen,
aber es war zu schnell. Er hat sich dabei, verschluckt und
konnte nicht mal „Danke schön, Herr Reibeisen“ sagen,
wo er das doch immer tut, weil er höflich ist und anständig,
der Emil Zierfische].
Das hat ihm Herr Reibeisen sehr übel genommen und hat
sehr lange kein Wort mit ihm gesprochen, bis zum 3. Januar,
wo er auf einmal gönnerhaft gemeint hat: „Na, Sie alter
Genießer! Sie scheinen ja vom Fest schön verkatert zu sein!“
Das war aber nicht wahr, weil Emil nicht fort gewesen war.
seine Frau läßt ihn auch nicht mehr, weil es auch die Frau
Pfarrer gemeint hat, es ist das beste, und Emil kann es auch
nicht mehr vertragen. Er hat den 1. Feiertag zu Hause ge-
sessen und den 2. auch. Er hat versucht, was zu sagen, aber
die Frau hat nicht hingehört. Da hat er immer Malzkaffee
getrunken, weil der nichts schadet, wie seine Frau immer
sagt, die es aus ihrem Frauenverein mitgebracht hat. Den
Malzkaffee hat er auf dem grünen Plüschsofa getrunken, wo
er draufgesessen hat, was er von seiner Schwiegermutter
geerbt hat und in der Küche steht.
Also Emil kann sich noch genau erinnern. Seine Frau sagt
zwar immer: „Emil, du hast ein Gedächtnis wie ne Kaffee-
mühle.“ Das ist aber nicht war. Emil weiß noch alles genau,
wie es zu Neujahr im vorigen Jahr war, weil er doch damals
gehofft hat, er werde mindestens 100 Mark als Gratifikation
kriegen — weil er vielleicht 300 Ueberstunden im Jahr
gemacht hat und alle für umsonst — oder wenigstens
50 Mark oder vielleicht 20 Mark oder 10.
Aber er hat bloß ein Gläschen Schnaps bekommen. Das
war bitter.
Nr. t
O
Willibald Kater:
Emil möchte vom Chef eine Neujahrsgratifikation
Gestern hat Emil wieder drei Lieberstunden gemacht, weil
bald Neujahr ist, und die Käsefabrik von Herrn Reibeisen
jetzt floriert. Emil ist ein guter Kerl, wie er im Buche steht.
Er macht die Lieberstunden für umsonst,-weil er nichts dafür
bekommt, weil er auf ein Neujahrsgeschenk hofft, weil es
doch immer was Extras gibt!
Emil denkt kurz und einfach: wenn ich gut bin, ist der
Chef auch gut.
Voriges Neujahr hat Emil auch was gekriegt von ihm, aber
leider nicht viel, nur ein Gläschen Schnaps. Da hat Emil
zwei Augen gemacht wie Wagenräder, weil er erschrocken
war und enttäuscht. Er hat das Glas genommen, da hat die
Hand gezittert. Er hat den Schnaps schnell hintergegossen,
aber es war zu schnell. Er hat sich dabei, verschluckt und
konnte nicht mal „Danke schön, Herr Reibeisen“ sagen,
wo er das doch immer tut, weil er höflich ist und anständig,
der Emil Zierfische].
Das hat ihm Herr Reibeisen sehr übel genommen und hat
sehr lange kein Wort mit ihm gesprochen, bis zum 3. Januar,
wo er auf einmal gönnerhaft gemeint hat: „Na, Sie alter
Genießer! Sie scheinen ja vom Fest schön verkatert zu sein!“
Das war aber nicht wahr, weil Emil nicht fort gewesen war.
seine Frau läßt ihn auch nicht mehr, weil es auch die Frau
Pfarrer gemeint hat, es ist das beste, und Emil kann es auch
nicht mehr vertragen. Er hat den 1. Feiertag zu Hause ge-
sessen und den 2. auch. Er hat versucht, was zu sagen, aber
die Frau hat nicht hingehört. Da hat er immer Malzkaffee
getrunken, weil der nichts schadet, wie seine Frau immer
sagt, die es aus ihrem Frauenverein mitgebracht hat. Den
Malzkaffee hat er auf dem grünen Plüschsofa getrunken, wo
er draufgesessen hat, was er von seiner Schwiegermutter
geerbt hat und in der Küche steht.
Also Emil kann sich noch genau erinnern. Seine Frau sagt
zwar immer: „Emil, du hast ein Gedächtnis wie ne Kaffee-
mühle.“ Das ist aber nicht war. Emil weiß noch alles genau,
wie es zu Neujahr im vorigen Jahr war, weil er doch damals
gehofft hat, er werde mindestens 100 Mark als Gratifikation
kriegen — weil er vielleicht 300 Ueberstunden im Jahr
gemacht hat und alle für umsonst — oder wenigstens
50 Mark oder vielleicht 20 Mark oder 10.
Aber er hat bloß ein Gläschen Schnaps bekommen. Das
war bitter.
Nr. t
O