Versteigerung im Hause
des Generaldirektors
„Entsetzlich zu denken,
liehe gnädige Frau, daß
der arme Mann jetzt
vielleicht im Freien zu
schlafen gezwungen ist!“
Zeichnung von Hans K o s s a t z
Der Volksheld / Ein Sketch von Hans Bauer
(Ort: Das Wohnzimmer der nationalsozialistischen Familie Pillnitz)
Frau Pillnitz (hört, auf der Chaiselongue liegend, aus dem
Nebenzimmer unangenehme Geräusche des Gähnens, Gurgelns,
lläusperns, Spuckens): Herr Schreivogel, haben Sie aus-
geschlafen?
Schreivogel (durch die Tür hindurch): Aber feste!
Frau Pillnitz: Es ist gestern etwas spät geworden. Na,
wird Ihnen schon nicht schlecht bekommen sein. Aber
wissen Sie: Wir wollten Sie den Parteigenossen doch mal
vorstellen. Es konnte es ja schon keiner mehr erwarten,
unsern Besuch kennen zu lernen.
Schreivogel: Hoffentlich halten sie alle dicht!
Frau Pillnitz: Aber Herr Schreivogel, es sind doch alles
denkbar zuverlässige Leute, lauter eingeschriebene Mit-
glieder. Wo denken Sie bloß hin! (Neue Gähn- und Gurgel-
geräusche) Aber ich will Sie jetzt in Ruhe lassen, Heri
Schreivogel. Kommen Sie mit allem zurecht?
Schreivogel: Danke, großartig!
(Draußen klingelt«. Frau Pillnitz macht ängstliche Gebärden,
gleich, als ob sie fürchte, daß Kriminalbeamte kommen. Instinktiv
stellt sie sich mit abwehrender Geste vor die Tür des Neben-
zimmers)
Fräulein Köckeritz, Frau Pillnitzens Tante, tritt ein.
Frau Pillnitz: Ach du, Tantchen . . ! Guten Morgen,
Tantchen! Wo kommst du denn her, Tantchen?
Die Tante: Ich wollte mich entschuldigen. Ich konnte
gestern abend beim besten Willen nicht kommen. Aber sag
mal, Kindchen, du bist so verstört. Was ist los bei dir?
(Geräusche hinter der Tür) Bist du am Ende nicht allein?
Frau Pillnitz: Aber Tantchen, um Himmelswillen . . .
Nein, nein, nein, was denkst du von mir, einer deutschen
Frau ... Es handelt sich um etwas ganz anderes. Also
hör mal, Tantchen: wir haben hohen Besuch und er sollte
dir gestern abend vorgestellt werden.
Die Tante: Ich sage dir ja. Es war ganz unmöglich, zu
kommen. Ich war schon seit Wochen bei Amtsgerichtsrat
Wallners eingeladen und konnte unter keinen Umständen
absagen. Aber was könnte unter „hohem Besuch“ zu ver-
stehen sein?
Frau Pilnitz: Ein Volksheld . . . ein Märtyrer des Dritten
Wie umständlich war es
früher, den Leuten das
Geldabzunehmen! Heute
spielt sich der Vorgang
wesentlich einfacher ab!
Zeichnung von Karl Holz
6
des Generaldirektors
„Entsetzlich zu denken,
liehe gnädige Frau, daß
der arme Mann jetzt
vielleicht im Freien zu
schlafen gezwungen ist!“
Zeichnung von Hans K o s s a t z
Der Volksheld / Ein Sketch von Hans Bauer
(Ort: Das Wohnzimmer der nationalsozialistischen Familie Pillnitz)
Frau Pillnitz (hört, auf der Chaiselongue liegend, aus dem
Nebenzimmer unangenehme Geräusche des Gähnens, Gurgelns,
lläusperns, Spuckens): Herr Schreivogel, haben Sie aus-
geschlafen?
Schreivogel (durch die Tür hindurch): Aber feste!
Frau Pillnitz: Es ist gestern etwas spät geworden. Na,
wird Ihnen schon nicht schlecht bekommen sein. Aber
wissen Sie: Wir wollten Sie den Parteigenossen doch mal
vorstellen. Es konnte es ja schon keiner mehr erwarten,
unsern Besuch kennen zu lernen.
Schreivogel: Hoffentlich halten sie alle dicht!
Frau Pillnitz: Aber Herr Schreivogel, es sind doch alles
denkbar zuverlässige Leute, lauter eingeschriebene Mit-
glieder. Wo denken Sie bloß hin! (Neue Gähn- und Gurgel-
geräusche) Aber ich will Sie jetzt in Ruhe lassen, Heri
Schreivogel. Kommen Sie mit allem zurecht?
Schreivogel: Danke, großartig!
(Draußen klingelt«. Frau Pillnitz macht ängstliche Gebärden,
gleich, als ob sie fürchte, daß Kriminalbeamte kommen. Instinktiv
stellt sie sich mit abwehrender Geste vor die Tür des Neben-
zimmers)
Fräulein Köckeritz, Frau Pillnitzens Tante, tritt ein.
Frau Pillnitz: Ach du, Tantchen . . ! Guten Morgen,
Tantchen! Wo kommst du denn her, Tantchen?
Die Tante: Ich wollte mich entschuldigen. Ich konnte
gestern abend beim besten Willen nicht kommen. Aber sag
mal, Kindchen, du bist so verstört. Was ist los bei dir?
(Geräusche hinter der Tür) Bist du am Ende nicht allein?
Frau Pillnitz: Aber Tantchen, um Himmelswillen . . .
Nein, nein, nein, was denkst du von mir, einer deutschen
Frau ... Es handelt sich um etwas ganz anderes. Also
hör mal, Tantchen: wir haben hohen Besuch und er sollte
dir gestern abend vorgestellt werden.
Die Tante: Ich sage dir ja. Es war ganz unmöglich, zu
kommen. Ich war schon seit Wochen bei Amtsgerichtsrat
Wallners eingeladen und konnte unter keinen Umständen
absagen. Aber was könnte unter „hohem Besuch“ zu ver-
stehen sein?
Frau Pilnitz: Ein Volksheld . . . ein Märtyrer des Dritten
Wie umständlich war es
früher, den Leuten das
Geldabzunehmen! Heute
spielt sich der Vorgang
wesentlich einfacher ab!
Zeichnung von Karl Holz
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