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Zeichnung \on R. Asyr

Reiches hält sich bei uns auf. Und es
spricht für das außerordentliche Ver-
trauen, das wir bei der Partei genießen,
wenn wir ihn beherbergen dürfen. Um
dirs genau zu sagen: Der . . . der . . .
der Austilger dreier Republikaner hält
sich hinter jener Tür auf.

Die Tante: Ein Mörder?

Frau Pillnitz: Wenn du willst: ein
Mörder. Der Mörder aus der Kuhturm-
straße in Berlin. Die Zeitungen sind ja
voll von der Sache. Ist es nicht erhebend,
diesem prächtigen Kämpfer Gastfreund-
schaft gewähren zu dürfen? Ich sage dir:
als bei den Parteiinstanzen durchsickerte,
daß der Verfolgte sich auf der Flucht
nach dem Ausland vorübergehend hier
aufhält, da ist ein Gelaufe und Gerenne
gewesen: jeder wollte der Bevorzugte
sein, der den Gast zu sich bekommt.
Die Tante: Beneidenswerte Edith!
Frau Pillnitz: Nun mußt du wissen,
daß er ein richtiger Naturbursche ist:
ein goldiger Junge, bestes SA.-Material.
Er hat gestern vorgemacht, wie er dem
am Boden liegenden Republikaner das
Messer in den Leib gestoßen hat . . .
(Die Tür geht auf, Schreivogel tritt ein)

Aber da ist er ja selber. Gestatten Sie,
Herr Schreivogel, daß ich Ihnen meine
Tante vorstelle, übrigens ebenfalls eine
bewährte Parteigenossin, Mitglied des
Völkischen Opferbundes, eine deutsche
Frau mit vollem Verständnis für Ihre
Leistung. Fräulein Köckeritz, meine
Tante — Herr Schreivogel. Und nun
werden wir es uns recht gemütlich
machen und Herrn Schreivogel beim
Kaffee Gesellschaft leisten.

Zeichnung von R. Asyr

„Was schleppen
Sie denn da?“
„Ihr Wohlbefin-
den, Fräulein!“

Die Tante: Wie lange werden Sie denn dem Hause meiner
Nichte die Ehre geben?

Schreivogel: Das hängt nun ganz von den Parteiinstanzen
ab, Zentrale Flüchtlingsschutz. Auf der letzten Station bin ich
volle vierzehn Tage geblieben. Und ich muß sagen: überall
eine Freundlichkeit, eine Hilfsbereitschaft! Zu feinen Leuten
bin ich gekommen. Ich hab mich gewundert, wer heute

Zeichnung von E r i di Glas

Hitlers

Nachtgebet

„LieberGott, mach’
mich fromm, daß
ich zur Regierung
komm’!“

„Nee, Madame-
ken,das kann ich
Ihnen nicht ab-
kaufen — geben
Se’s der Winter-
hilfe!“

alles in unserer Partei ist: Hohe Postfritzen, Assessoren,
Verlagsdirektoren . . . Und ein Futter hab ich gekriegt, da
ist keine Not gewesen. Den Bauch hab ich mir verrenkt in
den letzten vier Wochen!

Die Tante: Ein entzückender junger Mann sind Sie! Aber
worum ich Sie bitten wollte: Erzählen Sie uns noch einmal
die, Sache von der Kuhturmstraße!

Sehreivogel: Also ich und meine Freunde, lauter stramme
SA.-Jungen, kommen aus einer Goebbels-Versammlung. Wie
wir in der Kuhturmstraße angelangt sind, sehen wir doch
den „Stern“, ein Reichsbannerlokal. Eins, zwei, drei, haste
nich gesehen, kommt auf einmal die Scheibe von dem Lokal
auf einen Stein zugesprungen, den ich gerade in der
Hand halte und geht in Klump. Reichsbananen stürmen
aus dem Lokal heraus und da ich nun annehmen

Schluß auf Seite 10

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