Grundsätze momt, ch.mmtz
Zeit: Gegenwart. — 0 ft: Straßenbahnhaltestelle in einer
deutschen Großstadt. — Personen: deutsch und Juden-
feind, Nationalsozialisten.
Teutsch : Heil!
Judenfeind: (schweigt) . . .
T e u t s ch : Heil! — Sie hören wohl schlecht?
Judenfeind: Es kommt mir sonderbar vor, diesen deutschen
Gruß ausgerechnet aus Ihrem Munde zu vernehmen!
T e u t s ch : Erlauben Sie einmal!
Judenfeind: Auf Grund der Karte, die neulich Ihre Gattin
an meine Frau schrieb, muß ich annehmen, Sie wären unserer
Bewegung untreu geworden.
Judenfeind: Dem arbeitslosen Parteigenossen wi/j
ich noch verzeihen. Was tut so ein armer Kerl nicht
alles aus Not! — Aber daß Sie als überzeugter National-
sozialist die Karten nicht in den Ofen gesteckt haben,
als Sie ihre Herkunft von Schocken erkannt hatten,
das verstehe ich nicht!
Teuts ch: Ich werde doch nicht mir nichts, dir
nichts 15 Pfennige vernichten. — Dort kommt meine
Straßenbahn! — Heil!
Judenfeind: Heil! (Pause. Dann, in letzter Sekunde
noch:) Sie — ist das wahr, daß man bei Schocken
12 Ansichtspostkarten für 25 Pfennig bekommt?
T e u t s ch : Ja.
Judenfeind: Dann muß meine Frau auch 'mal
ein Dutzend holen! Heil!
Zeichnung von Werner Saul
Immer hübsch
gleichmäßig
senken, sonst
geht die Sache
schief!
Teuts ch : Ich verstehe Sie nicht recht. Die Karte stellte wohl,
wenn ich mich recht erinnere, das Bismarck-Denkmal dar.
Judenfeind: Das stimmt. Aber sie trug auch den Aufdruck:
„Verlag Kaufhaus Schocken“.
Teut sch: Ist denn das ein Staatsverbrechen?
Judenfeind: Was, Sie finden nichts dabei, in ein jüdisches
Kaufhaus zu gehen?
T e u t s ch : Ich habe doch die Karte einem erwerbslosen
Parteigenossen abgekauft, der damit handelte.
Judenfeind: Und der Parteigenosse hat die Karten von
Schocken?
T e u t s ch : Das ist möglich. Die verkaufen das Dutzend für
25 Pfennige; und der Parteigenosse verlangte für das Stück
fünf Pfennige.
Judenfeind: Da hat also der gute Mann an einer Postkarte
einen Verdienst von fast drei Pfennigen. Da kommt er prozentual
besser weg, als wenn er mit Parteiwerbeschriften handelt.
T e u t s ch: Ich war wütend, daß mir der Mann diese Post-
karten aufgehängt hat. — Ich habe ihm nämlich drei Stück
abgekauft, das Bismarckdenkmal, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal
und . . .
Die Schauerballade
Vom SS.-Mann Ede, der nicht heiraten durfte . . . .
Ede, Nazi, rauher Kämpfer ohne Tadel,
war ein Glanz- und Zierstück der SS.,
hochgeehrt als alter Rowdieadel
und umschwärmt: „Huch, ist der Junge keß —
Ede war im Nahkampf erste Klasse,
manchen hatte er schon abgekillt,
ging es schief, so eilte er zur Kasse,
und die hat den Schmerz dann pekuniär gestillt!
Ede becherte —, hier übertraf ihn keiner.
20 Mollen waren ihm ein Spiel,
Ede, vorbestraft wie selten einer,
war ein Vorbild im Teutonenstil —!
Also galt, man muß es frei so nennen,
Ede als der Stolz der rauhen Schar,
selbst den Ober-Osaf lernte Ede kennen,
was doch eine ganz besondre Ehre war — !
Eines Tages aber nahte das Verhängnis,
nur die Juden waren daran schuld —,
Ede kam in liebende Bedrängnis,
und durch sie um seines Osats Huld!
Edes Auserwählte hieß Elise,
und sie war so blond wie frischer Flachs,
aber ach, sie hatte leider platte Füße,
und damit doch einen Rasseknacks!
Und so kam es bald zum schlimmen Ende,
denn auf Wotans SS.-Rasseamt
rieb der Sippenprüfer sich empört die Hände
schlug ein Hakenkreuz und rief: „Verdammt - !"
Diese Dame, sagte er mit Grausen,
ist nicht nordisch einwandfrei intakt,
dunkle Untertöne hör’ ich durch sie brausen,
ihren Urahn hat die Schmach gepackt!
Slawische Symptome -, welche Schande,
etwas Judenblut —, wenn auch verdünnt,
Ede, löse schleunigst diese Bande,
die des Blutverrates Zeugen sind!
Ede aber, ganz und gar gebrochen,
wankte schmerzzerrissen schnell nach Haus,
hat das Sündenweib und dann sich selbst
[erstochen -
Hitlerheil —, die Schauermär ist aus! Kuka
5
Zeit: Gegenwart. — 0 ft: Straßenbahnhaltestelle in einer
deutschen Großstadt. — Personen: deutsch und Juden-
feind, Nationalsozialisten.
Teutsch : Heil!
Judenfeind: (schweigt) . . .
T e u t s ch : Heil! — Sie hören wohl schlecht?
Judenfeind: Es kommt mir sonderbar vor, diesen deutschen
Gruß ausgerechnet aus Ihrem Munde zu vernehmen!
T e u t s ch : Erlauben Sie einmal!
Judenfeind: Auf Grund der Karte, die neulich Ihre Gattin
an meine Frau schrieb, muß ich annehmen, Sie wären unserer
Bewegung untreu geworden.
Judenfeind: Dem arbeitslosen Parteigenossen wi/j
ich noch verzeihen. Was tut so ein armer Kerl nicht
alles aus Not! — Aber daß Sie als überzeugter National-
sozialist die Karten nicht in den Ofen gesteckt haben,
als Sie ihre Herkunft von Schocken erkannt hatten,
das verstehe ich nicht!
Teuts ch: Ich werde doch nicht mir nichts, dir
nichts 15 Pfennige vernichten. — Dort kommt meine
Straßenbahn! — Heil!
Judenfeind: Heil! (Pause. Dann, in letzter Sekunde
noch:) Sie — ist das wahr, daß man bei Schocken
12 Ansichtspostkarten für 25 Pfennig bekommt?
T e u t s ch : Ja.
Judenfeind: Dann muß meine Frau auch 'mal
ein Dutzend holen! Heil!
Zeichnung von Werner Saul
Immer hübsch
gleichmäßig
senken, sonst
geht die Sache
schief!
Teuts ch : Ich verstehe Sie nicht recht. Die Karte stellte wohl,
wenn ich mich recht erinnere, das Bismarck-Denkmal dar.
Judenfeind: Das stimmt. Aber sie trug auch den Aufdruck:
„Verlag Kaufhaus Schocken“.
Teut sch: Ist denn das ein Staatsverbrechen?
Judenfeind: Was, Sie finden nichts dabei, in ein jüdisches
Kaufhaus zu gehen?
T e u t s ch : Ich habe doch die Karte einem erwerbslosen
Parteigenossen abgekauft, der damit handelte.
Judenfeind: Und der Parteigenosse hat die Karten von
Schocken?
T e u t s ch : Das ist möglich. Die verkaufen das Dutzend für
25 Pfennige; und der Parteigenosse verlangte für das Stück
fünf Pfennige.
Judenfeind: Da hat also der gute Mann an einer Postkarte
einen Verdienst von fast drei Pfennigen. Da kommt er prozentual
besser weg, als wenn er mit Parteiwerbeschriften handelt.
T e u t s ch: Ich war wütend, daß mir der Mann diese Post-
karten aufgehängt hat. — Ich habe ihm nämlich drei Stück
abgekauft, das Bismarckdenkmal, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal
und . . .
Die Schauerballade
Vom SS.-Mann Ede, der nicht heiraten durfte . . . .
Ede, Nazi, rauher Kämpfer ohne Tadel,
war ein Glanz- und Zierstück der SS.,
hochgeehrt als alter Rowdieadel
und umschwärmt: „Huch, ist der Junge keß —
Ede war im Nahkampf erste Klasse,
manchen hatte er schon abgekillt,
ging es schief, so eilte er zur Kasse,
und die hat den Schmerz dann pekuniär gestillt!
Ede becherte —, hier übertraf ihn keiner.
20 Mollen waren ihm ein Spiel,
Ede, vorbestraft wie selten einer,
war ein Vorbild im Teutonenstil —!
Also galt, man muß es frei so nennen,
Ede als der Stolz der rauhen Schar,
selbst den Ober-Osaf lernte Ede kennen,
was doch eine ganz besondre Ehre war — !
Eines Tages aber nahte das Verhängnis,
nur die Juden waren daran schuld —,
Ede kam in liebende Bedrängnis,
und durch sie um seines Osats Huld!
Edes Auserwählte hieß Elise,
und sie war so blond wie frischer Flachs,
aber ach, sie hatte leider platte Füße,
und damit doch einen Rasseknacks!
Und so kam es bald zum schlimmen Ende,
denn auf Wotans SS.-Rasseamt
rieb der Sippenprüfer sich empört die Hände
schlug ein Hakenkreuz und rief: „Verdammt - !"
Diese Dame, sagte er mit Grausen,
ist nicht nordisch einwandfrei intakt,
dunkle Untertöne hör’ ich durch sie brausen,
ihren Urahn hat die Schmach gepackt!
Slawische Symptome -, welche Schande,
etwas Judenblut —, wenn auch verdünnt,
Ede, löse schleunigst diese Bande,
die des Blutverrates Zeugen sind!
Ede aber, ganz und gar gebrochen,
wankte schmerzzerrissen schnell nach Haus,
hat das Sündenweib und dann sich selbst
[erstochen -
Hitlerheil —, die Schauermär ist aus! Kuka
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