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Stationen vom Lebensweg

Liholiho und das Geld

Von Sylvester Pepper

Liholiho ist ein Eingeborener der Sandwich-
Inseln, ein Kanake, er hat kupferbraune
Haut und große dunkle Augen, er redet ein
gebrochenes Englisch, liest ab und zu die
Zeitung, hat sechs Kinder und die dritte Frau,
und er lebt in einer Holzhütte am Rande
der Stadt Honolulu, wo die Felder beginnen.
Dort stehen Ananas und Zuckerrohr, und die
Sonne brennt das ganze Jahr vom Himmel,
und Liholiho hat noch nie einen Mantel
gegen die Kälte gebraucht. Seine Kinder
gehen in die Volksschule und lernen rechnen
und schreiben und erzählen ihm manchmal
etwas von George Washington, von der Frei-
heit, dem Sternenbanner und den Soldaten,
die der Welt die Demokratie erobert haben.
Er hat erlebt, wie aus Honolulu eine Groß-
stadt geworden ist, wie man eine Eisenbahn
gebaut hat, wie große Fabriken entstanden
und Schulen und wie immer mehr Leute ins
Land kamen. Er hat immer ein wenig gestaunt
darüber, den Kopf geschüttelt, ausgespuckt,
und alle Veränderungen hingenommen wie
einen warmen Regen. Seine Frau hat weiter
für ihn den zähen Poi aus Wurzeln gekocht, an
den Festtagen hat er weiter geröstetes Ferkel
und rohe Fische gegessen und manchmal auch
noch, ganz im geheimen, Betel gekaut. Seine
Kinder führten Zahnbürsten ein und Mund-
wasser. Sie sagten zu ihm, er müßte sich
auch die Zähne putzen, das sei eine Not-
wendigkeit. Aber Liholiho lacht nur darüber
und schüttelt den Kopf. Er arbeitet in der
Wurstfabrik von Herrn Costello, schon seit
fünfzehn Jahren, und die Sonne seines schö-
nen Landes sieht er nur nach Feierabend und
an den Sonntagen. Das scheint ihm alles ganz
in Ordnung. Er weiß, daß man arbeiten muß,
wenn man essen will. Sogar Herr Costello
arbeitet und der ist reich. Er ist sogar manch-
mal schon vor fünf da und paßt auf, ob einer
zu spät kommt. Er hat auch jetzt eine Kon-
trolluhr angeschaflt, weil er selbst nicht jeden
Morgen so früh aufstehen will. Doch das
alles sind Dinge, die Liholiho nicht aus der
Ruhe bringen können. Er macht sich keine

Zeichnung von

Otto Marquardsen

„Wieder hundert-
tausend Arbeits-
lose mehr! Es
gibt eben zu
viel überflüssige
Hände!“

„Stimmt, Kollege!
Fragt sich nur,
ob gerade unsere
Hände zu den
überflüssigen ge-
hören!“

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