Zeichnung von
Karl H o 11 z
„Unerhört, diese
Arbeitslosigkeit!
In meinem Alter
mußte ich längst
eine Fabrik zu lei-
ten haben I“
Gedanken über das Wunder der Elektrizität,
und die Fortschritte der Technik erscheinen
ihm selbstverständlich. Er liebt sogar die
neu eingeführten Maschinen und meint, früher
wäre die Arbeit schwerer gewesen, wo man
alles mit den Händen machen mußte. Er
kann diese Dinge alle gleichgültig hinnehmen,
weil er tief in seinem Inneren doch weiß,
daß die braunen Menschen größere Zauberer
sind als die weißen. Er weiß, wie man Feie,
die Göttin des Feuers beruhigen kann, die
in den feuerspeienden Bergen wohnt. Er
weiß, daß man ihr lebendige Ferkel und
Blumen opfern muß, daß man den Opfer-
gesang singen muß, wenn man den Berg er-
klettert, um sie versöhnlich zu stimmen. Er-
fährt jeden Tag mit der Straßenbahn und in
seinem Hause ist elektrisch Licht, aber an
die Macht der Opfer glaubt er, und er be-
lächelt die klugen Weißen, die ihn deswegen
verspotten. Und, wenn eines seiner Kinder
schwer krank ist, wenn die weißen Aerzte
schon keine Hoffnung mehr haben, dann geht
Liholiho zu dem alten Zauberdoktor seiner
Rasse und bringt ihm ein Geschenk, damit
er das Kind gesund beten soll. Er glaubt
daran und er weiß, das der Zauberdoktor
auch Menschen und Tiere totbeten kann, wenn
er ihm den Speichel oder den Urin des
Feindes bringt. Die Weißen haben zwar diese
Beterei verboten, aber Liholiho weiß, daß sie
noch immer lebendig ist. Er glaubt an die
Allmacht des Zaubers und ist durch alle
Technik und Wissenschaft nicht davon ab-
zubringen. Aber Liholiho weiß auch, daß die
Weißen zaubern können. Er begreift nicht,
warum die Weißen den Zauber der braunen
Menschen verbieten und ihrem Zauber
große Tempel bauen. Jeden Tag, wenn er
von der Arbeit kommt, muß er an dem
Tempel des weißen Zauberers vorüber. Er
hat den Zauberer selbst noch nie gesehen,
und er hat eine heimliche Angst davor. Am
Sonnabend ist Zahltag, da erhält Liholiho
seinen Lohn und jeden Sonnabend, wenn
er Geld gekriegt hat, geht er zu dem weißen
Zauberer in den Tempel. Dann hat er das
Buch bei sich, in welchem die Zauberformeln
stehen, und dieses Buch* ist das große
Fortsetzung auf Seite 9
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Karl H o 11 z
„Unerhört, diese
Arbeitslosigkeit!
In meinem Alter
mußte ich längst
eine Fabrik zu lei-
ten haben I“
Gedanken über das Wunder der Elektrizität,
und die Fortschritte der Technik erscheinen
ihm selbstverständlich. Er liebt sogar die
neu eingeführten Maschinen und meint, früher
wäre die Arbeit schwerer gewesen, wo man
alles mit den Händen machen mußte. Er
kann diese Dinge alle gleichgültig hinnehmen,
weil er tief in seinem Inneren doch weiß,
daß die braunen Menschen größere Zauberer
sind als die weißen. Er weiß, wie man Feie,
die Göttin des Feuers beruhigen kann, die
in den feuerspeienden Bergen wohnt. Er
weiß, daß man ihr lebendige Ferkel und
Blumen opfern muß, daß man den Opfer-
gesang singen muß, wenn man den Berg er-
klettert, um sie versöhnlich zu stimmen. Er-
fährt jeden Tag mit der Straßenbahn und in
seinem Hause ist elektrisch Licht, aber an
die Macht der Opfer glaubt er, und er be-
lächelt die klugen Weißen, die ihn deswegen
verspotten. Und, wenn eines seiner Kinder
schwer krank ist, wenn die weißen Aerzte
schon keine Hoffnung mehr haben, dann geht
Liholiho zu dem alten Zauberdoktor seiner
Rasse und bringt ihm ein Geschenk, damit
er das Kind gesund beten soll. Er glaubt
daran und er weiß, das der Zauberdoktor
auch Menschen und Tiere totbeten kann, wenn
er ihm den Speichel oder den Urin des
Feindes bringt. Die Weißen haben zwar diese
Beterei verboten, aber Liholiho weiß, daß sie
noch immer lebendig ist. Er glaubt an die
Allmacht des Zaubers und ist durch alle
Technik und Wissenschaft nicht davon ab-
zubringen. Aber Liholiho weiß auch, daß die
Weißen zaubern können. Er begreift nicht,
warum die Weißen den Zauber der braunen
Menschen verbieten und ihrem Zauber
große Tempel bauen. Jeden Tag, wenn er
von der Arbeit kommt, muß er an dem
Tempel des weißen Zauberers vorüber. Er
hat den Zauberer selbst noch nie gesehen,
und er hat eine heimliche Angst davor. Am
Sonnabend ist Zahltag, da erhält Liholiho
seinen Lohn und jeden Sonnabend, wenn
er Geld gekriegt hat, geht er zu dem weißen
Zauberer in den Tempel. Dann hat er das
Buch bei sich, in welchem die Zauberformeln
stehen, und dieses Buch* ist das große
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