Der psychoanalytische Sauerbraten
„Hier riechdsje so gud.“
„Das is der Sauerbradn.“
„Sie gochn middn in der Woche so was Ellegandes? Haben
Sie Geburdsdaach?“
„Nein. Siss wäjn meinem Mann. Der had’ ännen Minder-
werdichgeidsgumblex.“
„Was issen das für änne Grankheid?“
Ein aufgetauter Winterkurort. In der Halle eines Hotels
langweilt sich ein Pärchen in unter Garantie —
unbenutzten Skikostümen. Er studiert in Verzweiflung die
Wetterberichte, ihr ist Speemanns Kalender für 1932 in
die Hände gefallen. Nach einiger Zeit bemerkt sie:
„Komisch, dies Jahr fällt Ostern schon in den März."
Worauf er knurrt:
„Gar nicht komisch — bei dem warmen Winter!-1
„Das is änne geisdiche Grankheid!“
„Ihr Mann is doch nich edwa drehmännsj? Da
schiggn Sie den mal lieber in änne schdaadliche
Glabsmühle, das is das besde in so ännern
Falle!“
„Aeja. Mein Mann is doch gar nich verriggd.“
„Sie saachdn aber doch, er hädde änne geisdiche
Grankheid.“
„Ja. Aber bloß änne gans gleine. Aennen Minder-
werdichgeidsgumblex.“
„Was issen das?“
„Das wissen Sie nich? Haben Sie denn vor-
gesdern nich’s Radio angeschdelld gehabd? Da
schbrach einer über Minderwerdichgeidsgumblexe.
Das war forchdbar indressand.“
„Wann war denn das?“
„Um Fimfe rum.“
„Nein. Da war ich grade beim Bäggr. Das habe
ich nich geheerd. Was saachde der denn?“
„Der saachde, daß wir alle ännen Minderwerdich-
geidsgumblex haben.“
„Was issen das?“
„Das habe ich vergessen. Jedenfalls had mir
mein Mann eine in die Fresse gehauen und
gesaachd, ich wäre an seinem Minderwerdichgeids-
gumblex schuld. Ich däde ihn einschüchtern.“
„Sähnse!“
„Und damid daß der mir das nich noch ämal
nachsaachn gann, habe ich heude Sauerbradn
gegaufd. Das is nämlich seine Lieblingsmahlzeid.
Hoffendlich wird er da nun den Gumblex los.
Aaaaaach du lieber Godd, was hads änne mo-
derne Hausfrau schwer. Jädzd mußmr sogar das
Middaachbrod noch auf wissenschafdlicher Grund-
laache herschdellen. . .
DER ARBEITSLOSE
Ich bin so müd’
vom Hoffen und Harren,
ins Ziellose-Starren,
Entsagen und Sparen
und Haltung-Bewahren,
vom Grübeln und Rennen
und auf Antwort-Lauern,
im-Voraus-längst-die-Phrase-kennen
„Wir bedauern ..." —
Ich bin so müd’
von der Not überall
und dem Verfall,
der verborgen beginnt
und in Tränen verrinnt,
von dem Gram
und der Scham,
von der Sorge vor dem nächsten Tag
und der Angst, daß ich noch mehr ertrag!
Ich bin so müd’ —
vom Bangen und Ducken
und Runterschlucken
der feigen Wut
und dem wankendem Mut,
der ins Weglose flieht.
Ich bin so müd'
vom Dasein, das so gar keinen Zweck,
das Qual nur und Last,
und das kraftlos vergeht
im Dreck.
Fritz Hoffmann
10
„Hier riechdsje so gud.“
„Das is der Sauerbradn.“
„Sie gochn middn in der Woche so was Ellegandes? Haben
Sie Geburdsdaach?“
„Nein. Siss wäjn meinem Mann. Der had’ ännen Minder-
werdichgeidsgumblex.“
„Was issen das für änne Grankheid?“
Ein aufgetauter Winterkurort. In der Halle eines Hotels
langweilt sich ein Pärchen in unter Garantie —
unbenutzten Skikostümen. Er studiert in Verzweiflung die
Wetterberichte, ihr ist Speemanns Kalender für 1932 in
die Hände gefallen. Nach einiger Zeit bemerkt sie:
„Komisch, dies Jahr fällt Ostern schon in den März."
Worauf er knurrt:
„Gar nicht komisch — bei dem warmen Winter!-1
„Das is änne geisdiche Grankheid!“
„Ihr Mann is doch nich edwa drehmännsj? Da
schiggn Sie den mal lieber in änne schdaadliche
Glabsmühle, das is das besde in so ännern
Falle!“
„Aeja. Mein Mann is doch gar nich verriggd.“
„Sie saachdn aber doch, er hädde änne geisdiche
Grankheid.“
„Ja. Aber bloß änne gans gleine. Aennen Minder-
werdichgeidsgumblex.“
„Was issen das?“
„Das wissen Sie nich? Haben Sie denn vor-
gesdern nich’s Radio angeschdelld gehabd? Da
schbrach einer über Minderwerdichgeidsgumblexe.
Das war forchdbar indressand.“
„Wann war denn das?“
„Um Fimfe rum.“
„Nein. Da war ich grade beim Bäggr. Das habe
ich nich geheerd. Was saachde der denn?“
„Der saachde, daß wir alle ännen Minderwerdich-
geidsgumblex haben.“
„Was issen das?“
„Das habe ich vergessen. Jedenfalls had mir
mein Mann eine in die Fresse gehauen und
gesaachd, ich wäre an seinem Minderwerdichgeids-
gumblex schuld. Ich däde ihn einschüchtern.“
„Sähnse!“
„Und damid daß der mir das nich noch ämal
nachsaachn gann, habe ich heude Sauerbradn
gegaufd. Das is nämlich seine Lieblingsmahlzeid.
Hoffendlich wird er da nun den Gumblex los.
Aaaaaach du lieber Godd, was hads änne mo-
derne Hausfrau schwer. Jädzd mußmr sogar das
Middaachbrod noch auf wissenschafdlicher Grund-
laache herschdellen. . .
DER ARBEITSLOSE
Ich bin so müd’
vom Hoffen und Harren,
ins Ziellose-Starren,
Entsagen und Sparen
und Haltung-Bewahren,
vom Grübeln und Rennen
und auf Antwort-Lauern,
im-Voraus-längst-die-Phrase-kennen
„Wir bedauern ..." —
Ich bin so müd’
von der Not überall
und dem Verfall,
der verborgen beginnt
und in Tränen verrinnt,
von dem Gram
und der Scham,
von der Sorge vor dem nächsten Tag
und der Angst, daß ich noch mehr ertrag!
Ich bin so müd’ —
vom Bangen und Ducken
und Runterschlucken
der feigen Wut
und dem wankendem Mut,
der ins Weglose flieht.
Ich bin so müd'
vom Dasein, das so gar keinen Zweck,
das Qual nur und Last,
und das kraftlos vergeht
im Dreck.
Fritz Hoffmann
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