Zeichnung von Kurt Lange-Christopher
„Verehrte Trauerversammlung! Da
unten im engen Grabe, im armselig
zusammengezimmerten Sarg liegt der
Maurer Peter Zipfer. Diesen Platz
wollen wir ihm gönnen. Ich hatte
ja nicht die Ehre, den Herrn Zipfer
persönlich zu kennen.“
Kichern der Umstehenden.
„Aber Gott, den ich hier vertrete,
kannte ihn und kennt ihn noch. Gott
der Allwissende sieht, daß Herr
Zipfer hohnlachend unter dem un-
gehobelten Sargdeckel liegt und sich
freut, wie ihm der Anschlag gegen
uns drei Gottesmänner gelungen sei.
Gott, der Allmächtige sieht aber auch,
wie sich das Gesicht des Entschla-
fenen plötzlich zu ewigem Grausen
verzieht, da ich bete: Lieber Gott,
mache ihm die Erde leicht. Belaste
ihn jedoch mit vier Mark und sechzig
Pfennigen, die ich für den Ein-
spänner hier heraus zahlen mußte.
Amen!“
Die Leute bildeten respektvoll eine
Gasse, als der Rabbiner davonging.
.Du Gott, der
Eisen wachsen
ließ, du wirst
doch keine Ab-
rüstung zulas-
sen-wo bliebe
da die An-
kurbelung der
Wirtschaft?“
TAer Steuerbeamte Knitfel mußte
eines schmerzhaften Leidens
wegen zum Arzt. Kniffel stöhnte unter
der Operation, schließlich machte er
seinem Leid Luft: „Schinder! Auf
dem Finanzamt sprechen wir uns
wieder!“
Zeichnung von Erich Glas
Der letzte Wille
Den Kaplan von St. Josef rief das Telefon. Dort erfuhr
er: Peter Zipfer war im Krankenhaus gestorben.
Lebenslang ein verstockter Gottesfeind, hatte er in
der letzten Stunde bereut. Der Kaplan möge auf den
Friedhof kommen, um am Grabe die Versöhnung mit
Gott vorzunehmen.
Der Priester machte sich schleunigst auf den Weg.
Es kostete kein geringes Opfer, den Willen der armen
Seele zu erfüllen, denn es regnete in Strömen. Da er
aber durchnäßt und durchfroren auf dem Friedhof
anlangte, fand er an dem Grabe den Pastor Wagner
und den Rabbiner Rotkopf vor. Auch diese hatten den
gleichen telefonischen Herbeiruf empfangen.
Die versammelte Menge war in sichtbar spottlustiger
Laune. Ein Wärter aus dem Kiankenhaus klärte die
Priester auf: Der Sterbende hatte es so gewünscht.
Die drei Herren möchten an seinem Grabe losen. Die
gewinnende Religion solle seine Seele haben.
Pastor Wagner war der Erste, der sich faßte. „Mein
Amt verbietet mir, mich an einem öffentlichen Glücks-
spiel, an einer Verlosung, zu beteiligen!“ sagte er
sanft und empfahl sich mit freundlichem Gruß.
Kaplan und Rabbiner sahen sich schweigend an, bis
der Kaplan flötete: „Auch ich bin der Ansicht, daß
ein solches Würfeln unwürdig und unerlaubi ist!
Ehrwürden, ich räume freiwillig das Feld!“
Der Rabbiner blieb allein mit der nun johlenden
Menge. Zuerst zupfte er peinlich berührt an seinem
Bart, dann aber gab er sich einen energischen Ruck
und trat ernst und fest ans offene Grab.
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„Verehrte Trauerversammlung! Da
unten im engen Grabe, im armselig
zusammengezimmerten Sarg liegt der
Maurer Peter Zipfer. Diesen Platz
wollen wir ihm gönnen. Ich hatte
ja nicht die Ehre, den Herrn Zipfer
persönlich zu kennen.“
Kichern der Umstehenden.
„Aber Gott, den ich hier vertrete,
kannte ihn und kennt ihn noch. Gott
der Allwissende sieht, daß Herr
Zipfer hohnlachend unter dem un-
gehobelten Sargdeckel liegt und sich
freut, wie ihm der Anschlag gegen
uns drei Gottesmänner gelungen sei.
Gott, der Allmächtige sieht aber auch,
wie sich das Gesicht des Entschla-
fenen plötzlich zu ewigem Grausen
verzieht, da ich bete: Lieber Gott,
mache ihm die Erde leicht. Belaste
ihn jedoch mit vier Mark und sechzig
Pfennigen, die ich für den Ein-
spänner hier heraus zahlen mußte.
Amen!“
Die Leute bildeten respektvoll eine
Gasse, als der Rabbiner davonging.
.Du Gott, der
Eisen wachsen
ließ, du wirst
doch keine Ab-
rüstung zulas-
sen-wo bliebe
da die An-
kurbelung der
Wirtschaft?“
TAer Steuerbeamte Knitfel mußte
eines schmerzhaften Leidens
wegen zum Arzt. Kniffel stöhnte unter
der Operation, schließlich machte er
seinem Leid Luft: „Schinder! Auf
dem Finanzamt sprechen wir uns
wieder!“
Zeichnung von Erich Glas
Der letzte Wille
Den Kaplan von St. Josef rief das Telefon. Dort erfuhr
er: Peter Zipfer war im Krankenhaus gestorben.
Lebenslang ein verstockter Gottesfeind, hatte er in
der letzten Stunde bereut. Der Kaplan möge auf den
Friedhof kommen, um am Grabe die Versöhnung mit
Gott vorzunehmen.
Der Priester machte sich schleunigst auf den Weg.
Es kostete kein geringes Opfer, den Willen der armen
Seele zu erfüllen, denn es regnete in Strömen. Da er
aber durchnäßt und durchfroren auf dem Friedhof
anlangte, fand er an dem Grabe den Pastor Wagner
und den Rabbiner Rotkopf vor. Auch diese hatten den
gleichen telefonischen Herbeiruf empfangen.
Die versammelte Menge war in sichtbar spottlustiger
Laune. Ein Wärter aus dem Kiankenhaus klärte die
Priester auf: Der Sterbende hatte es so gewünscht.
Die drei Herren möchten an seinem Grabe losen. Die
gewinnende Religion solle seine Seele haben.
Pastor Wagner war der Erste, der sich faßte. „Mein
Amt verbietet mir, mich an einem öffentlichen Glücks-
spiel, an einer Verlosung, zu beteiligen!“ sagte er
sanft und empfahl sich mit freundlichem Gruß.
Kaplan und Rabbiner sahen sich schweigend an, bis
der Kaplan flötete: „Auch ich bin der Ansicht, daß
ein solches Würfeln unwürdig und unerlaubi ist!
Ehrwürden, ich räume freiwillig das Feld!“
Der Rabbiner blieb allein mit der nun johlenden
Menge. Zuerst zupfte er peinlich berührt an seinem
Bart, dann aber gab er sich einen energischen Ruck
und trat ernst und fest ans offene Grab.
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