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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 53.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.8268#0118
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Der Wahre Jacob

erscheint 14 tägig an jedem zweiten Sonnabend. Alie Postanstaiten, Buchhandlungen und
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Redaktion: Berlin SW68. Lindenstraße 3 — Verantwortlich für den redaktionellen Teil:
Friedrich Wendel, Berlin-Friedenau. — Für unverlangte Beiträge wird keine Garantie übernommen. Einsendungen ohne Rückporto werden nicht
zurückgegeben. Alle Rechte an sämtlichen Beiträgen Vorbehalten. Verlag und Expedition: J. H. W. Dietz Nachflg. G. m. b. H., Berlin SW 68,
Lindenstraße 3. — Druck: Vorwärts Buchdruckerei, Berlin, Lindenstraße 3. — Anzeigenannahme durch die Anzeigenabteilung J. H. W. Dietz Nachfg.
G.-in. b. H., Berlin SW66, Lindenstraße 3, Telefon Dönhoff Nr. 7653 (Postscheckkonto: Berlin Nr. 33193) und alle Annoncen- »» q

Expeditionen. — Verantwortlich für den Inseratenteil: Alfred Jacob. Berlin-Baumschulenweg. — Erfüllungsort: Berlin-Mitte. Wi ■ ö

Zeichnung von Hprbcrt Sandberg

Das freie Spiel der Kräfte.

Man kann der Regierung nicht vorwerfen, eine einseitige
Preispolitik zu treiben . . .

Die Genfer Conferenciers

Vom Genfer See ist viel geredet, geschrieben und gesungen
worden — und es besteht kein Grund daran zu zweifeln,
daß er paradiesisch ist. Im Unterschied zu der Welt im
allgemeinen, die es vorläufig noch nicht ist. Man darf es
den hohen Regierern und Diplomaten aus allen Ländern
der Erde gönnen, daß sie sich hin und wieder in jenen
glücklichen Erdenwinkel zurückziehen. Es muß eine wirk-
lich schöne Erholung sein — und es ist nur schade, daß
die Völker davon, soweit wir sehen können, ein bißchen
wenig abbekommen.

Es ist ein schöner Brauch der Erholungsreisenden, von
ihrer Fahrt den Daheimgebliebenen ein hübsches Geschenk
mitzubringen. Und wenn die hohen Herren, die alle paar
Monate nach Genf fahren, um dort Völkerbund zu spielen,
aus dem Paradies zurückkehren, dann stellen die Völker
'an sie die erwartungsvolle Frage: was habt ihr uns mit-
gebracht? Die Antwort lautet immer und immer wieder:
„Diesmal leider nichts — aber wir fahren ja nächstens
wieder hin.“ Das ist immerhin ein Trost nur hat er
sich leider im I-aufe eines Jahrzehnts ein bißchen abgenützt.
Aber wir wollen nicht so undankbar sein, den Genfer
Zusammenkünftlern vorzuwerfen, daß sie sich keine Mühe
gegeben hätten, dem allgemeinen Unheil entgegen zu
wirken: dem Unheil der Wirtschaftskrise, des Rüstungs-
wahnsinns, des Zollkriegs und der nationalistischen Zer-
splitterung der Völker. Wenn wir den hochweisen Theore-
tikern des Kapitalismus vertrauen dürfen, dann beruht
die Wirtschaftskrise vor allem auf der Währungskrise, da
den Goldwährungen und Silberwährungen die Deckung
fehlt. Was dagegen zu tun ist, haben die Völkerbunds-
delegierten getan. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Sie haben nach Kräften für beides gesorgt: fürs Silber
der Rede, wenn es sich um beruhigende Versicherungen,

um höfliche Beteuerungen, um Trinksprüche und Eröff-
nungsansprachen handelte, — und fürs Gold des Schweigens,
wenn entscheidende Probleme zu lösen waren.

Eine andere, nicht weniger glaubwürdige Theorie führt die
Wirtschaftskrise auf die Vertrauenskrise zurück. Und auch
von diesem Standpunkt aus ist dem Völkerbund kein
Vorwurf zu machen. Irn Vertrauen darauf, daß sich alle
Schwierigkeiten der Welt schließlich einmal von selbst
lösen werden, ist er mit gutem Beispiel uns allen voran-
gegangen, und er ist bis heute ein leuchtendes Vorbild
ab wartender Geduld und ruhevoller Vertrauensseligkeit
geblieben.

Nicht minder beachtenswert und vorbildlich ist das, was
der Völkerbund in der Frage der Abrüstung geleistet hat.
Denn ist es nicht Tatsache, daß der Völkerbund keinerlei
Rüstungen unternommen hat, daß er das Abgerüstetste,
Waffen- und Wehrloseste ist, was es in der Welt gibt —
und daß er, wenn irgendwo auf der Erde gegen seinen
Willen ein Krieg ausbricht, nicht über ein einziges Gewehr
und einen einzigen Soldaten verfügt, um diesen Krieg zu
bekämpfen?

Ganz abgesehen davon, daß in Genf der Krieg geächtet
worden ist. Man hat ihn verworfen und verbannt, man
will von ihm nichts mehr wissen — auch dann nicht, wenn
er unvorhergesehenerweise irgendwo wirklich ausbricht.
Die hohen Herren, die ihre schönen Genier Tage damit
verbringen, zum Zwecke des Vertagens zu tagen, diese
hohen Herren der Völkerbundskonferenzen haben Anspruch
darauf, die Conferenciers des Welttheaters genannt zu
werden. Der Conferencier ist in 'der Theatersprache ein
Mann, der vor dem Vorhang steht und ansagen soll, was
gespielt wird. Aber meistens erzählt er nicht viel von dem,

Schluß auf Seite 5
 
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