Zeichnung von B. Leporini
Vöm deutschen Funk
Zwei Kaufleute wünschten eine Unterredung
unter vier Augen, eine Unterredung, an der
unberufene Ohren wirklich nicht teilnehmen
konnten.
Sie nahmen einen Senderaum in Anspruch.
Im Kieler „Niobe“-Prozefr
bekundete der angeklagte Kapitän Ruhfuß u. a., er habe am
Mittag des Unglückstages den Wetterbericht der Hamburger
Seewarte am Radioapparat abhören wollen, statt dessen sei
aber der Einzug des Flensburger Bataillons in Hamburg durch-
gegeben worden.
Hier, scheint uns, eröffnet sich die Perspektive ungeahnter Aus-
gestaltungs-Möglichkeiten für den deutschen Funk, zumal was
die Interessen der seefahrenden Bevölkerung betrifft.
Wir empfehlen, nunmehr grundsätzlich bei drohender Wetter-
lage an Stelle der meteorologischen Meldungen eine Auswahl
der deutschen Armeemärsche zu funken. Die moralische Erhe-
bung, die eine Schiffsbesatzung dadurch genießt, wird sie in den
Stand setzen, bei ausbrechendem Unwetter spielend mit den
Fährnissen fertig zu werden, deren sie sich in den früheren
republikanisch korrumpierten Zeiten durch nautische Vorsichts-
maßregeln zu erwehren hatte.
In einer Gesellschaft wurde Tristan Bernard von einer ältlichen
Dame angeödet, die fortwährend über das Thema Vorsehung
quasselten.
„Denken Sie nur, Monsieur," sagte sie, „was einem Onkel von mir
passiert ist. Er wollte mit dem Zug nach Le Havre fahren und
versäumte diesen Zug. Dieser selbe Zug verunglückte auf seiner
Fahrt nach Le Havre, und es gab siebzehn Tote und viele Schwer-
verletzte. Ist das nun nicht Vorsehung?“
Tristan Bernard zuckte die Achseln:
„Woher soll ich das wissen? Ich kenne Ihren Onkel nicht."
„Was fernste denn Guitarre, wo ihr doch zu
Hause ein Klavier habt?"
„Mein Oller will nicht, daß ich ’ne brotlose Kunst
lerne!"
„Wieso?" ^
„Na, Mensch, wenn ich mit 'm Gymnasium fertig
bin und auf den Höfen singen gehe, kann ich
doch kein Klavier mitnehmen!"
Jo Hanns Rösler: ORDEN
Die Sache begab sich am 29. September 1932 im Handelsministerium zu Paris.
Der Minister hatte gerade die letzte Post unterschrieben,
„Ein Herr wartet im Vorzimmer, Exzellenz", trat der Sekretär ein.
„Wer?”
„Kommerzialrat Kresch."
„Der Exporteur?"
„Ja."
„Warum sagen Sie mir denn das nicht früher? Wir können doch Kresch nicht
warten lassen. Er ist einer unserer ersten Finanzleute von Paris. Ich lasse
bitten."
Kommerzialrat Kresch trat ein. Er war ein Mann in den besten Jahren, sehr
gepflegt, nicht ohne Eleganz. Der Minister bot ihm einen Stuhl an.
„Danke, Exzellenz,"
„Sie mußten warten. Ein Irrtum. Mein Sekretär —"
„Aber ich bitte Sie, Exzellenz — außerdem, Sie werden mich bald nicht mehr
empfangen — nach dem, was geschah."
„Was ist geschehen?"
„Eine Katastrophe."
„Sicher halb so schlimm. Finanzleute sehen stets zu schwarz. Haben Sie an
der Börse verloren?"
„Es handelt sich nicht um Geld."
„Was dann?"
„Exzellenz, es fällt mir schwer — —"
„Belästigt Sie ein Paragraph? Ich habe Freunde im Justizministerium.“
„Sie sind sehr liebenswürdig. Aber hier handelt es sich um eine Sache, die
meine ganze gesellschaftliche Stellung untergräbt, die mich für immer in Paris
unmöglich macht.“
„So erklären Sie doch schon.“
„Ich will es versuchen", holte Kommerzialrat Kresch tief Atem. „Wie Sie viel-
leicht wissen, hatte ich vor sechs Monaten eine Unterredung mit dem Kolo-
nialminister."
„Ich erinnere mich."
„Er bat mich um meine Mitarbeit in einer etwas schweren, aber aussichts-
in einer Berliner Zeitung fanden sich fol-
gende Inserate:
Tischler
gejucht gegen Zahnbtbondlung.
„92233 IN ü " linitcin - Jiltnlc
llaiserallee 210.
Maurer-
arbeiten vergibt gegen Zahn-
behandlung. „55080 ®. K.“
Ullstein-Filiale Tauenricnstr. I
Ein origineller. Weg, der da beschriften
wird! Mit reizvollen Perspektiven:
Wer baut idyllische Sommerlaube gegen
perfekte Ring-Ausbildung bis zum k. o.?
Offerten an Aug. Lemke, Landes-Cham-
pion, Mulack-Straße 112.
Oder:
Pelzmantel gesucht gegen kostenfreie Be-
stattung im Todesfall. Karl Kulicke und
Söhne, Beerdigungs-Institut,
Oder auch:
„Fräulein Gretel, Sie sehen heute wieder
entzückend aus! Wenn Sie mir einen
Kuß geben, ziehe ich Ihnen gratis sämt-
liche Zähne!“
Zeichnung von Jupo
Aus einer Geldheirat wird selten etwas Gutes ... !
reichen Sache. Ich tat es aus Gefälligkeit. Das Geschäft ist gut ausgegangen
und war vor vier Wochen abgewickelt. Zum Abschied sagte mir der Minister:
„Seien Sie meiner Dankbarkeit versichert. Sie werden von mir hören." Ich
habe solche Worte natürlich schon tausendmal gehört und nicht weiter darauf
geachtet. Heute früh nun —"
„Heute früh?"
„Lesen Sie selbst."
Kommerzialrat Kresch nahm aus seiner rotjuchtenen Aktentasche die Morgen-
ausgabe des „Intransigeant" und riß sie nervös auseinander. Auf der dritten
Seite standen die offiziellen Bekanntmachungen. Eine Stelle war mit Blaustift
angekreuzt. Der Handelsminister sah in die Zeitung.
„Das ist ja famos", sagte er dann, „ich gratuliere."
„Ich bin ruiniert", stöhnte Kresch.
„Wieso? Das verstehe ich nicht. Andere Menschen bemühen sich Jahre
darum, opfern Zeit und Geld dafür und Ihnen fällt es in den Schoß."
„Exzellenz, was gäbe ich darum, wenn es nicht geschehen wäre!"
„Wenn Sie nicht zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden wären?“
„Ja."
„Ich will zugeben, daß es in der heutigen Zeit nicht mehr das bedeutet, wie
einstmals, aber trotzdem ist es die größte Ehrung, die unser Staat für seine
Bürger hat."
„Das wäre alles nebensächlich. Im Gegenteil, ich wäre sogar stolz darauf.
Aber jetzt bin ich ein geschlagener Mann,"
„Durch die Erhebung in den Ritterstand?"
„Ja."
„Aber wieso?“
„Sehen Sie, Exzellenz, durch die Bekanntmachung, die heute in allen Zeitungen,
von Paris steht, werden die Leute sehen, daß ich heute zum Ritter der Ehren-
legion ernannt wurde.“
„Schön. Und?"
Der Finanzmann senkte in Demut sein Haupt:
„Ich habe schon seit drei Jahren aus Eitelkeit und ohne Recht die rote
Rosette der Ehrenlegion im Knopfloch getragen."
Im Radiohaus Schilbach wurden die
neuesten und modernsten Empfangs
geräte vorgeführt.
Das sind ja auch wirklich — man muß
das zugeben — fabelhafte Apparate, Und
der Verkäufer pries sie in den höchsten
Tönen:
„Die Empfänger sind so selektiv und
störungsfrei, und die dazugehörigen Laut
Sprecher sind so genial konstruiert, da^
der Empfang geradezu ideal zu nennen
ist. Auch die allerfeinsten Nüancen und
Klangabstufungen der Musik gelangen
jetzt zur Wiedergabe, auch noch im ge-
bauchtesten Pianissimo. Ja, sogar der
Klang der Streichinstrumente, der früher
meist entstellt kam, klingt in den neuen
Lautsprechern täuschend echt...“
„Wozu gibt sich eigentlich die Radio-
industrie solche Mühe?" fragt einer
„Nüancen, Pianissimo, Streicher —- das
kommt doch alles gar nicht in Frage
Unsere Sender bringen doch bloß Militär-,
märsche!“
Adele ging zum Arzt.
Der Arzt besah Adele prüfend.
„Ziehen Sie sich aus, Fräulein", sagte er«
Adele zog sich aus.
Adele stand im Hemd.
Adele fragte: „Und Sie, Herr Doktor?'
Vöm deutschen Funk
Zwei Kaufleute wünschten eine Unterredung
unter vier Augen, eine Unterredung, an der
unberufene Ohren wirklich nicht teilnehmen
konnten.
Sie nahmen einen Senderaum in Anspruch.
Im Kieler „Niobe“-Prozefr
bekundete der angeklagte Kapitän Ruhfuß u. a., er habe am
Mittag des Unglückstages den Wetterbericht der Hamburger
Seewarte am Radioapparat abhören wollen, statt dessen sei
aber der Einzug des Flensburger Bataillons in Hamburg durch-
gegeben worden.
Hier, scheint uns, eröffnet sich die Perspektive ungeahnter Aus-
gestaltungs-Möglichkeiten für den deutschen Funk, zumal was
die Interessen der seefahrenden Bevölkerung betrifft.
Wir empfehlen, nunmehr grundsätzlich bei drohender Wetter-
lage an Stelle der meteorologischen Meldungen eine Auswahl
der deutschen Armeemärsche zu funken. Die moralische Erhe-
bung, die eine Schiffsbesatzung dadurch genießt, wird sie in den
Stand setzen, bei ausbrechendem Unwetter spielend mit den
Fährnissen fertig zu werden, deren sie sich in den früheren
republikanisch korrumpierten Zeiten durch nautische Vorsichts-
maßregeln zu erwehren hatte.
In einer Gesellschaft wurde Tristan Bernard von einer ältlichen
Dame angeödet, die fortwährend über das Thema Vorsehung
quasselten.
„Denken Sie nur, Monsieur," sagte sie, „was einem Onkel von mir
passiert ist. Er wollte mit dem Zug nach Le Havre fahren und
versäumte diesen Zug. Dieser selbe Zug verunglückte auf seiner
Fahrt nach Le Havre, und es gab siebzehn Tote und viele Schwer-
verletzte. Ist das nun nicht Vorsehung?“
Tristan Bernard zuckte die Achseln:
„Woher soll ich das wissen? Ich kenne Ihren Onkel nicht."
„Was fernste denn Guitarre, wo ihr doch zu
Hause ein Klavier habt?"
„Mein Oller will nicht, daß ich ’ne brotlose Kunst
lerne!"
„Wieso?" ^
„Na, Mensch, wenn ich mit 'm Gymnasium fertig
bin und auf den Höfen singen gehe, kann ich
doch kein Klavier mitnehmen!"
Jo Hanns Rösler: ORDEN
Die Sache begab sich am 29. September 1932 im Handelsministerium zu Paris.
Der Minister hatte gerade die letzte Post unterschrieben,
„Ein Herr wartet im Vorzimmer, Exzellenz", trat der Sekretär ein.
„Wer?”
„Kommerzialrat Kresch."
„Der Exporteur?"
„Ja."
„Warum sagen Sie mir denn das nicht früher? Wir können doch Kresch nicht
warten lassen. Er ist einer unserer ersten Finanzleute von Paris. Ich lasse
bitten."
Kommerzialrat Kresch trat ein. Er war ein Mann in den besten Jahren, sehr
gepflegt, nicht ohne Eleganz. Der Minister bot ihm einen Stuhl an.
„Danke, Exzellenz,"
„Sie mußten warten. Ein Irrtum. Mein Sekretär —"
„Aber ich bitte Sie, Exzellenz — außerdem, Sie werden mich bald nicht mehr
empfangen — nach dem, was geschah."
„Was ist geschehen?"
„Eine Katastrophe."
„Sicher halb so schlimm. Finanzleute sehen stets zu schwarz. Haben Sie an
der Börse verloren?"
„Es handelt sich nicht um Geld."
„Was dann?"
„Exzellenz, es fällt mir schwer — —"
„Belästigt Sie ein Paragraph? Ich habe Freunde im Justizministerium.“
„Sie sind sehr liebenswürdig. Aber hier handelt es sich um eine Sache, die
meine ganze gesellschaftliche Stellung untergräbt, die mich für immer in Paris
unmöglich macht.“
„So erklären Sie doch schon.“
„Ich will es versuchen", holte Kommerzialrat Kresch tief Atem. „Wie Sie viel-
leicht wissen, hatte ich vor sechs Monaten eine Unterredung mit dem Kolo-
nialminister."
„Ich erinnere mich."
„Er bat mich um meine Mitarbeit in einer etwas schweren, aber aussichts-
in einer Berliner Zeitung fanden sich fol-
gende Inserate:
Tischler
gejucht gegen Zahnbtbondlung.
„92233 IN ü " linitcin - Jiltnlc
llaiserallee 210.
Maurer-
arbeiten vergibt gegen Zahn-
behandlung. „55080 ®. K.“
Ullstein-Filiale Tauenricnstr. I
Ein origineller. Weg, der da beschriften
wird! Mit reizvollen Perspektiven:
Wer baut idyllische Sommerlaube gegen
perfekte Ring-Ausbildung bis zum k. o.?
Offerten an Aug. Lemke, Landes-Cham-
pion, Mulack-Straße 112.
Oder:
Pelzmantel gesucht gegen kostenfreie Be-
stattung im Todesfall. Karl Kulicke und
Söhne, Beerdigungs-Institut,
Oder auch:
„Fräulein Gretel, Sie sehen heute wieder
entzückend aus! Wenn Sie mir einen
Kuß geben, ziehe ich Ihnen gratis sämt-
liche Zähne!“
Zeichnung von Jupo
Aus einer Geldheirat wird selten etwas Gutes ... !
reichen Sache. Ich tat es aus Gefälligkeit. Das Geschäft ist gut ausgegangen
und war vor vier Wochen abgewickelt. Zum Abschied sagte mir der Minister:
„Seien Sie meiner Dankbarkeit versichert. Sie werden von mir hören." Ich
habe solche Worte natürlich schon tausendmal gehört und nicht weiter darauf
geachtet. Heute früh nun —"
„Heute früh?"
„Lesen Sie selbst."
Kommerzialrat Kresch nahm aus seiner rotjuchtenen Aktentasche die Morgen-
ausgabe des „Intransigeant" und riß sie nervös auseinander. Auf der dritten
Seite standen die offiziellen Bekanntmachungen. Eine Stelle war mit Blaustift
angekreuzt. Der Handelsminister sah in die Zeitung.
„Das ist ja famos", sagte er dann, „ich gratuliere."
„Ich bin ruiniert", stöhnte Kresch.
„Wieso? Das verstehe ich nicht. Andere Menschen bemühen sich Jahre
darum, opfern Zeit und Geld dafür und Ihnen fällt es in den Schoß."
„Exzellenz, was gäbe ich darum, wenn es nicht geschehen wäre!"
„Wenn Sie nicht zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden wären?“
„Ja."
„Ich will zugeben, daß es in der heutigen Zeit nicht mehr das bedeutet, wie
einstmals, aber trotzdem ist es die größte Ehrung, die unser Staat für seine
Bürger hat."
„Das wäre alles nebensächlich. Im Gegenteil, ich wäre sogar stolz darauf.
Aber jetzt bin ich ein geschlagener Mann,"
„Durch die Erhebung in den Ritterstand?"
„Ja."
„Aber wieso?“
„Sehen Sie, Exzellenz, durch die Bekanntmachung, die heute in allen Zeitungen,
von Paris steht, werden die Leute sehen, daß ich heute zum Ritter der Ehren-
legion ernannt wurde.“
„Schön. Und?"
Der Finanzmann senkte in Demut sein Haupt:
„Ich habe schon seit drei Jahren aus Eitelkeit und ohne Recht die rote
Rosette der Ehrenlegion im Knopfloch getragen."
Im Radiohaus Schilbach wurden die
neuesten und modernsten Empfangs
geräte vorgeführt.
Das sind ja auch wirklich — man muß
das zugeben — fabelhafte Apparate, Und
der Verkäufer pries sie in den höchsten
Tönen:
„Die Empfänger sind so selektiv und
störungsfrei, und die dazugehörigen Laut
Sprecher sind so genial konstruiert, da^
der Empfang geradezu ideal zu nennen
ist. Auch die allerfeinsten Nüancen und
Klangabstufungen der Musik gelangen
jetzt zur Wiedergabe, auch noch im ge-
bauchtesten Pianissimo. Ja, sogar der
Klang der Streichinstrumente, der früher
meist entstellt kam, klingt in den neuen
Lautsprechern täuschend echt...“
„Wozu gibt sich eigentlich die Radio-
industrie solche Mühe?" fragt einer
„Nüancen, Pianissimo, Streicher —- das
kommt doch alles gar nicht in Frage
Unsere Sender bringen doch bloß Militär-,
märsche!“
Adele ging zum Arzt.
Der Arzt besah Adele prüfend.
„Ziehen Sie sich aus, Fräulein", sagte er«
Adele zog sich aus.
Adele stand im Hemd.
Adele fragte: „Und Sie, Herr Doktor?'