Bei Petersens — der Alte ist
Magistratssekretär und die
Frau Magistratssekretär Pe-
tersen ist Vorsitzende der
Ortsgruppe des Luisenbundes
— unterhielten sie sich über
Paddelboot - Fahrten. Der
junge Petersen, hoffnungs-
voller Standartenführer, er-
zählte von einer Paddeltour,
die er bei 3° — Celsius auf
der Unterelbe bis Scharhörn
gemacht habe. Allerdings mit
Fausthandschuhen und in
sehr warmer Unterkleidung.
Onkel Paulsen, der Schiffs-
kapitän, tat einen langen Zug
aus dem Grog-Glas und hub
also an:
,,Dat is noch gornix, min
Jung. Als ich im Jahre 1922
mit der „Seejungfer” an der
Ostküste Grönlands war und
dort minen ölen Fründ, den
Maui-Pui Wämöinen, be-
suchte, wat de Oebberste is
von die dortigen Eskimos,
was meinst du wohl, was ich
da zu sehen gekriegt habe?
Fuhren dich doch düsse
Eskimos bei 40 Grod minus
Celsius in ihren Fellbooten
quitschvergnügt auf See her-
um. Natürlich war die Eis-
bildung bei 40 Grod minus
Celsius ganz enorm, kann
ich dich man sagen, und da
hab' ich mit meinen sicht-
lichen Augen gesehn, wie die
Fellboote, kaum daß sie die
Nase in das Wasser gesteckt
hatten, sofort einfroren. Aber
das war dich etwa kein ge-
wöhnliches Einfrieren, das
ganze Meer, weißt du, gefror
zu einem gewaltigen Eis-
block, und da die Eskimos
mit ihren Booten bekannt-
lich zu trudeln und zu tau-
chen vermögen, so gerieten
sie also in düssen gewaltigen
Eisblock hinein. Das machte
aber meinen Eskimos gornix
aus, im Gegenteil, sie fuhren
in diesem gewaltigen Eis-
block, der dich bis auf den
Grund des Meeres gefroren
war, so gewandt herum, als ob
sie überhaupt nicht in einem
gewaltigen Eisblock steckten,
Der Bayern-Löwe und der PreuBen-Aar.
„Jesses! In welcher Verfassung befinden Sie sich, Herr Kollege?
„In überhaupt keiner!“
sondern sich im gewöhnig-
lichen Wasser bewegten."
„Nana”, protestierte die Fa-
milie Petersen.
„So seid ihr nu”, erwiderte
Kapitän Petersen gekränkt,
,,m i r glaubt ihr so was nich!
Aber der Hitler kann euch
erzählen, wat hei will, dem
glaubt ihr jedes Wort!"
■k
Der nationalsozialistische
Redner hatte sein Referat
abgehaspelt. Aber die Stim-
mung war flau. Und in der
Diskussion meldete sich mur-
render Widerspruch.
„Bleiben wir doch bei der
Wahrheit“, wagte sich einer
vor, „damals, als die Sozis
noch am Ruder waren, war
manches besser."
„Da haben Sie eben den
klaren Beweis, wohin die
Parteiwirtschaft führt“, er-
eiferte sich der Referent, „so
sind diese verfluchten Sozial-
demokraten: sie sorgten für
leidliches Brot, solange sie
am Ruder waren, darüber
hinaus aber zu sorgen, ist
ihnen nicht eingefallen!"
★
Goebbels ließ sich porträtie-
ren. „Soll ich Sie in Nazi-
Uniform malen, Herr Dok-
tor? fragte der Maler.
„Ach, Unsinn. Nur keine Ge-
schichten. Behalten Sie ruhig
Ihren weißen Kittel
an!" brummte Goebbels.
★
Der Standartenführer sprach
zu seinen SS.-Leuten: „Ihr
wißt, ich bin der gutmütigste
Mensch der Welt, ein her-
zensguter Kerl, eine Seele
von Mensch! Aber im Dienst
da bin ich ein Vieh — und
ich bin immer im Dienst —
merkt euch das!"
★
„Angeklagter, wie der Zeuge
behauptet, sollen Sie einer
Vereinigung angehören, de-
ren alleiniges Bestreben der
Umsturz ist. Stimmt das?"
„Jawohl, ich bin langjähriges
Mitglied des Kegelklubs
.Alle Neun e‘."
Strecke Bitterfeld-Berlin
Von Hans Bauer.
Die Schotten sind geizig. — Die Berner sind langsam.
— Die Sachsen sind vorsorglich.
In Leipzig stieg eine Frau in unser Coupö. Sie balan-
cierte einen Koffer in das Gepäcknetz, stellte eine
Handtasche neben sich und legte ein verschnürtes
Paket auf den Schoß, Dann fragte sie ihren Neben-
mann zur Rechten: „Endschuldjnse giedichsd, awr das
is doch dr Zuch Bidderfeld-Berlin?" — Bestätigung.
Worauf sie sich an den Nachbar zur Linken wandte:
„Nach Bidderfeld-Berlin sidzj doch hier nich edwa im
falschen Zuche?“
Bestätigung, daß alles in der schönsten Ordnung sei.
Drei Stationen hinter Leipzig wurde die Frau unruhig.
„Simmr schon in Bidderfeld?", wandte sie sich nach
rechts und traf erste Vorbereitungen, um den Zug so
schnell wie möglich verlassen zu können.
„Ach wo", lächelte der Nachbar. „Es sind noch sechs
oder sieben Stationen bis Bitterfeld.“
Auf der nächsten Station wandte sich die Frau nach
links. „Das is doch nich edwa schon Bidderfeld?"
Der Herr verneinte.
Zwei Stationen vor Bitterfeld lehnte sich die Frau
aus dem Fenster heraus, rief umständlich den Stations-
vorsteher heran, entschuldigte sich, daß sie die
Strecke zum erstenmal befahre und fragte, wieviel
Stationen es noch bis Bitterfeld seien.
Fünf Minuten später hielt der Zug auf offener Strecke.
Rechts war dunkler Wald, links breiteten sich, so-
weit das Auge reichte, saftige, grüne Wiesen.
„Bitterfeld!" sagte die Frau triumphierend und als
gelte es, die schneidende Schärfe ihrer Beobachtungs-
gabe unter Beweis zu stellen.
„Aber das ist doch nicht Bitterfeld", wurde sie von
den Mitfahrenden belehrt; „der Zug hält auf offener
Strecke."
Nach wenigen Minuten setzte sich der Zug wieder in
Bewegung und erreichte nun bald Bitterfeld.
„Bitterfeld!" tönte es der Frau von rechts und links um
die Ohren. „Bitterfeld! Bitterfeld! Sie müssen aussteigen!"
Aber die Frau hatte es gar nicht eilig. „Ich will ja
garnich nach Bidderfeld", sagte sie etwas schüchtern,
„ich will nach Berlin. Awr mr muß doch rechtzeidj
anfangn, sich ferdjzemachen ,.
„Du sagst Generalstreik. Is aber nich so einfach!
Nimm’ mal beispielsweise die Müll-Abfuhr: wenn die
streikt, dann rufen die Herrschaften einfach die Winter-
hilfe an und dann kommt die Reichswehr und holt die
Klamotten ab!“
Magistratssekretär und die
Frau Magistratssekretär Pe-
tersen ist Vorsitzende der
Ortsgruppe des Luisenbundes
— unterhielten sie sich über
Paddelboot - Fahrten. Der
junge Petersen, hoffnungs-
voller Standartenführer, er-
zählte von einer Paddeltour,
die er bei 3° — Celsius auf
der Unterelbe bis Scharhörn
gemacht habe. Allerdings mit
Fausthandschuhen und in
sehr warmer Unterkleidung.
Onkel Paulsen, der Schiffs-
kapitän, tat einen langen Zug
aus dem Grog-Glas und hub
also an:
,,Dat is noch gornix, min
Jung. Als ich im Jahre 1922
mit der „Seejungfer” an der
Ostküste Grönlands war und
dort minen ölen Fründ, den
Maui-Pui Wämöinen, be-
suchte, wat de Oebberste is
von die dortigen Eskimos,
was meinst du wohl, was ich
da zu sehen gekriegt habe?
Fuhren dich doch düsse
Eskimos bei 40 Grod minus
Celsius in ihren Fellbooten
quitschvergnügt auf See her-
um. Natürlich war die Eis-
bildung bei 40 Grod minus
Celsius ganz enorm, kann
ich dich man sagen, und da
hab' ich mit meinen sicht-
lichen Augen gesehn, wie die
Fellboote, kaum daß sie die
Nase in das Wasser gesteckt
hatten, sofort einfroren. Aber
das war dich etwa kein ge-
wöhnliches Einfrieren, das
ganze Meer, weißt du, gefror
zu einem gewaltigen Eis-
block, und da die Eskimos
mit ihren Booten bekannt-
lich zu trudeln und zu tau-
chen vermögen, so gerieten
sie also in düssen gewaltigen
Eisblock hinein. Das machte
aber meinen Eskimos gornix
aus, im Gegenteil, sie fuhren
in diesem gewaltigen Eis-
block, der dich bis auf den
Grund des Meeres gefroren
war, so gewandt herum, als ob
sie überhaupt nicht in einem
gewaltigen Eisblock steckten,
Der Bayern-Löwe und der PreuBen-Aar.
„Jesses! In welcher Verfassung befinden Sie sich, Herr Kollege?
„In überhaupt keiner!“
sondern sich im gewöhnig-
lichen Wasser bewegten."
„Nana”, protestierte die Fa-
milie Petersen.
„So seid ihr nu”, erwiderte
Kapitän Petersen gekränkt,
,,m i r glaubt ihr so was nich!
Aber der Hitler kann euch
erzählen, wat hei will, dem
glaubt ihr jedes Wort!"
■k
Der nationalsozialistische
Redner hatte sein Referat
abgehaspelt. Aber die Stim-
mung war flau. Und in der
Diskussion meldete sich mur-
render Widerspruch.
„Bleiben wir doch bei der
Wahrheit“, wagte sich einer
vor, „damals, als die Sozis
noch am Ruder waren, war
manches besser."
„Da haben Sie eben den
klaren Beweis, wohin die
Parteiwirtschaft führt“, er-
eiferte sich der Referent, „so
sind diese verfluchten Sozial-
demokraten: sie sorgten für
leidliches Brot, solange sie
am Ruder waren, darüber
hinaus aber zu sorgen, ist
ihnen nicht eingefallen!"
★
Goebbels ließ sich porträtie-
ren. „Soll ich Sie in Nazi-
Uniform malen, Herr Dok-
tor? fragte der Maler.
„Ach, Unsinn. Nur keine Ge-
schichten. Behalten Sie ruhig
Ihren weißen Kittel
an!" brummte Goebbels.
★
Der Standartenführer sprach
zu seinen SS.-Leuten: „Ihr
wißt, ich bin der gutmütigste
Mensch der Welt, ein her-
zensguter Kerl, eine Seele
von Mensch! Aber im Dienst
da bin ich ein Vieh — und
ich bin immer im Dienst —
merkt euch das!"
★
„Angeklagter, wie der Zeuge
behauptet, sollen Sie einer
Vereinigung angehören, de-
ren alleiniges Bestreben der
Umsturz ist. Stimmt das?"
„Jawohl, ich bin langjähriges
Mitglied des Kegelklubs
.Alle Neun e‘."
Strecke Bitterfeld-Berlin
Von Hans Bauer.
Die Schotten sind geizig. — Die Berner sind langsam.
— Die Sachsen sind vorsorglich.
In Leipzig stieg eine Frau in unser Coupö. Sie balan-
cierte einen Koffer in das Gepäcknetz, stellte eine
Handtasche neben sich und legte ein verschnürtes
Paket auf den Schoß, Dann fragte sie ihren Neben-
mann zur Rechten: „Endschuldjnse giedichsd, awr das
is doch dr Zuch Bidderfeld-Berlin?" — Bestätigung.
Worauf sie sich an den Nachbar zur Linken wandte:
„Nach Bidderfeld-Berlin sidzj doch hier nich edwa im
falschen Zuche?“
Bestätigung, daß alles in der schönsten Ordnung sei.
Drei Stationen hinter Leipzig wurde die Frau unruhig.
„Simmr schon in Bidderfeld?", wandte sie sich nach
rechts und traf erste Vorbereitungen, um den Zug so
schnell wie möglich verlassen zu können.
„Ach wo", lächelte der Nachbar. „Es sind noch sechs
oder sieben Stationen bis Bitterfeld.“
Auf der nächsten Station wandte sich die Frau nach
links. „Das is doch nich edwa schon Bidderfeld?"
Der Herr verneinte.
Zwei Stationen vor Bitterfeld lehnte sich die Frau
aus dem Fenster heraus, rief umständlich den Stations-
vorsteher heran, entschuldigte sich, daß sie die
Strecke zum erstenmal befahre und fragte, wieviel
Stationen es noch bis Bitterfeld seien.
Fünf Minuten später hielt der Zug auf offener Strecke.
Rechts war dunkler Wald, links breiteten sich, so-
weit das Auge reichte, saftige, grüne Wiesen.
„Bitterfeld!" sagte die Frau triumphierend und als
gelte es, die schneidende Schärfe ihrer Beobachtungs-
gabe unter Beweis zu stellen.
„Aber das ist doch nicht Bitterfeld", wurde sie von
den Mitfahrenden belehrt; „der Zug hält auf offener
Strecke."
Nach wenigen Minuten setzte sich der Zug wieder in
Bewegung und erreichte nun bald Bitterfeld.
„Bitterfeld!" tönte es der Frau von rechts und links um
die Ohren. „Bitterfeld! Bitterfeld! Sie müssen aussteigen!"
Aber die Frau hatte es gar nicht eilig. „Ich will ja
garnich nach Bidderfeld", sagte sie etwas schüchtern,
„ich will nach Berlin. Awr mr muß doch rechtzeidj
anfangn, sich ferdjzemachen ,.
„Du sagst Generalstreik. Is aber nich so einfach!
Nimm’ mal beispielsweise die Müll-Abfuhr: wenn die
streikt, dann rufen die Herrschaften einfach die Winter-
hilfe an und dann kommt die Reichswehr und holt die
Klamotten ab!“