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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 53.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.8268#0479
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Zeichnung von Fritz Wolff

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Stammtische aller deutschen Länder vereinigt euch

Hymnus auf die geistigen Erneuerer

Sie berauschen sich an Granaten und Gas,

Preisen Völkermorden und Rassenhaß,

Träumen brünstig von Henkern, Galgen, Schaffott.
Die Propheten von Sittlichkeit, Seele und Gott.

Von Gerhart Gl e i s s b e r g

Sie gebären pro Woche ein Ideal, Sie pfeifen auf jede Theorie.

Denn sie sind schlechthin seelisch und irrational. Was sie nicht begreifen, bespucken sie.

Ein Chor von Narren spektakelt und schreit: Sie dreschen Phrasen von Blut und Nation ...

Wir künden die neue Innerlichkeit! Die Hüter der geistigen Tradition.

Sie plärren: Das Denken ist Zersetzung.
Sie kreischen: Die Wahrheit ist Verhetzung.
Sie hausieren mit Mystik und Idiotie ...

Die Schöpfer der völkischen Philosophie.

Sie schwärmen für edle Geburt und Rasse.

Sie predigen die Verachtung der Masse.

Sie lästern das Volk mit dummdreistem Hohn ..
Die Führer der einigen, großen Nation.

Sie lockern sich alle hirnlichen Schrauben.
Probleme lösen sie aus dem Glauben.

Sie merken nie, was dahinter steckt...
Die Kämpfer gegen den Intellekt.

Sie schreiben verschwommen, verrückt und verdreht
Und sind stolz darauf, daß sie niemand versteht.

Sie denken nichts und sie reden viel...

In irrtümlich-volkhaft-erdnahem Stil.

Sie haben die Dummheit zum Götzen gemacht.

Sie haben der Roheit Weihrauch gebracht.

Die Lüge lodert, der Irrsinn blüht...

Und sie segnen bewundernd das deutsche Gemüt.

Sie wandern in schlechtgespielter Hypnose
Den Weg nach rückwärts ins Nebulöse
Und wettern gegen den Fortschritt der Zeit.
Die Apostel der neuen Geistigkeit.

Sie plärren ihre Zaubergesänge,

Sie schmettern ihre Fanfarenklänge,

Und sie hören nicht, wie der Mammon lacht.
Der mit ihrem Theater Geschäfte macht.

Gespräche im Herrenkltib

,.Ich habe wieder eine ganze Reihe von Neueinstel-
lungen vorgenommen", berichtete der Generaldirektor
seinen frohgestimmten Zuhörern. „Wieviel Arbeiter
haben Sie denn eingestellt?" fragte einer von
ihnen. „Sie haben mich mißverstanden", erwiderte
der Generaldirektor, „ich habe nicht Arbeiter ein-
gestellt, sondern Betriebe.“

in Großindustrieller unterhält sich mit einem
| Reichsminister. „Ich mache mir keine falschen Ver-
keilungen von meinem hohen Amt", sagt der Minister
nit koketter Bescheidenheit. „Minister heißt auf
“leutsch ja nur Diener.“ Der Großindustrielle nickt
lustimmend: „Wir von der Industrie haben diese Auf-
assung schon immer vertreten. Und wir hoffen, gut
jedient zu werden.“

Der Botschafter einer ausländischen Großmacht wird
in ein politisches Gespräch verwickelt. „Was halten
Euer Exzellenz von Hugenberg?" fragt ihn ein Neu-
gieriger, Die Exzellenz erwidert: „Nicht einmal den
Lokal-Anzeiger,"



„Es geht doch immer noch furchtbar ungerecht bei
uns zu“, sagt Graf A, zu Baron B. „Ein Bekannter
von mir, ein Regierungsrat, ist vor 14 Tagen in die
deutschnationale Partei eingetreten — und er ist
immer noch nicht Ministerialrat geworden."

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Ein Rittergutsbesitzer erklärt einem Professor der
Nationalökonomie: „Wir Landwirte sind der wert-
vollste Teil der deutschen Wirtschaft." Der Pro-
fessor lächelt: „Wenn Sie soviel wert sind wie Sie
kosten, dann haben Sie sicherlich recht.“

„Fahren Sie diesen Winter auch nach der Schweiz? <
fragte einer den Bankier X.“ „Nö“, sagte der Bankier,
„ich habe mein Kapital schon im Sommer dahin
gebracht."

+

Ein Großkapitalist ereifert sich für die Monarchie.
„Wir brauchen wieder einen Fürsten, der unseren
Besitz in sicherer Hut hält! „Aber den haben wir
doch schon", sagt ein Kollege, „den Fürsten
von Liechtenstein.“

•k

Ein auskömmlich pensionierter General wettert gegen
die Begehrlichkeit der Massen. „Diese Leute können
nie genug kriegen!" ruft er voll Wut. „Sagen Sie das
nicht so laut", flüstert ihm einer von den Herren zu,
„von unserer Regierung haben sie offenbar schon
genug."
 
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