Kurt von Schleicher
„Herr Reichspräsident können beruhigt sein: Mein Faible für Rot geht über die Generalsstreifen nicht hinaus!“
Alice Ekert-Rothhoiz: Eine Dame wohnt einem Boxkampf bei .. .
Oie Dame, die dem Boxkampf beiwohnt, sieht auf den ersten Blick sehr elegant
und 30jährig aus. Auf den zweiten Blick sieht sie mittelelegant und 40jährig
aus ... Leicht abgestoßenes Großbürgertum. Sie sitzt fast jeden Nachmittag
beim Fünfuhrtee und ist entrüstet, wenn die Köchin ein Ei zuviel verbraucht.
Sie hat unruhige Augen, einen Ehemann Karl und zuviel Zeit...
Der Monolog:
„Karl, beeil’ dich doch! Die boxen ja schon!— Einer scheint ein Neger zu sein!
Ist vielleicht braune Schminke... Sieh bloß die Fülle! Neulich im Staats-
theater wars doch hundeleer. Wozu geben sie auch so schwere Stücke in soner
schweren Zeit!-
Laß mich doch! Was willst du denn schon wieder? Du machst einen ja
plem-plem! Ob ich das Silber weggeschlossen habe? Ja, natürlich!... Ich
glaube bestimmt!... Ich weiß nicht genau. Ach, Karl, sei doch so lieb und
fahr nochmal nach Haus und schließ das Silber weg! Ich trau und trau der
Köchin nicht. Ich soll fahren?? Den ganzen Tag plag ich mich mit der Acht-
zimmerwohnung und abends soll ich noch?... Ausgeschlossen. Ich bleib bei
den Boxern. Etwas möchte ich noch von meinem Leben haben ...
Karl! Kaaarlü Du kannst hierbleiben! Wir haben das Silber doch Mittwoch
versetzt! Ein wahres Glück...
Diese Boxer! Fabelhafter Anblick! — Ob son Neger auch wählt? Wen wohl?
Warum sind das dumme Fragen? Wir Frauen interessieren uns heut eben auch
für Politik! So dämlich wie ihr würden wirs, noch lange anstellen! Wählen ist
die vornehmste Pflicht! Hätt ich mir das nur damals gesagt, als ich dich-
Da ist ja auch Mathilde! Guten Tag, Mathilde! Bist du auch da? Ich denke,
du interessierst dich nur für Frauenfragen? Wie war das? Boxer sind eine
ausgesprochene Frauenfrage? — Ich bin im Bilde, Mathilde! Haha! —
Wie findest du den Negerhäuptling? Niedlich, was? — Ich finde, er hat so
gewinnende Muskeln! —
Karl! Kaarl! Schlaf doch nicht! Du bist hier doch nicht in deinem Aufsichts-
rat!! — Du gehst?? Ausgeschlossen. Ich bleibe bei den Boxern. Ich will auch
was für meine Bildung tun . . . Du willst noch in eine Versammlung? Jetzt? —
Laß doch, Karl! Da wirst du bloß deine Nerven los! Werde lieber deine
Aktien los!-Na, denn geh schon! Ich kann dich ja nich anketten!
Wo er jetzt wohl hingeht? Ich bin bloß gespannt, ob seine heutige Versamm-
lung wieder son billiges Parfüm gebraucht!-—
...Mein Herr, den Arm, den Sie seit 15X Minuten streicheln, ist mein Arm!
Das wußten Sie nicht? Sein Sie nicht so witzig! — Wie bitte? Sie betrachten
mich als Gesinnungsgenossin? Bloß, weil ich ein eingewebtes Hakenkreuz am
Halstuch habe? — Das ist eine Modelaune, mein Herr! Mit Gesinnung hat das
nichts zu tun.. . Sehnse mal, wie viele Frauen hier Uniformmäntel mit
blanken Knöpfen tragen?! Meinen Sie, deshalb werden die a tempo in’n Krieg
ziehen? — Mein Herr, ich wünsche jetzt endgültig den Boxern zu lauschen! —
Mein Gott, der blutet ja ganze Flüsse! Wie das Publikum tobt! Eigentlich
komisch... Wenn einer blutet, sind alle begeistert! Ob sie deshalb so gern
Kriege machen? Wie die Leute aufgeputscht sind! Die haben ja alle rote Nebel
vor den Augen ... Ich glaub, wenn jetzt einer zum Weltkrieg in acht Tagen
einladen täte, alle würden mitgehen! Ich auch. Sport ist wirklich was Er-
hebendes. In keiner Zeit gabs soviel Sportkultur!
Na, auf Wiedersehn, Mathilde! — Gehst du auch schon? Wolln wir noch
tanzen gehn? Karl kommt doch nicht vor drei Uhr. Die Männer sind eben
überlastet... Ich bin direkt in Stimmung jetzt! Es geht nichts über solche
Boxer! Findest du auch? Du bist gar nicht so dumm, Mathilde! Obgleich
du den Dr. phil. hast! — Das nächstemal geh ich wieder! Was hat man denn
sonst? Ich hab ja nichts zu tun . .. Ach hör auf, Mathilde! Na ja, du hast nun
zufällig ’n Beruf! Sozial arbeiten? Das kenn ich doch . ..
Alles Mache! — Sieh dir Else an mit ihrer Wohltätigkeit! Sie will beim Ball ,
für notleidende Fensterputzer deutscher Nation am Tisch von Frau Staats- '
Sekretär sitzen! — Na ja .. . irgend was müßt ich ja anfangen .. .
Was hat das eigentlich mit den Boxern zu tun? Ich weiß nich, wieso wir
Frauen immer so vom Thema abschweifen! — Ich werde mich jetzt mal ernst-
haft mit den Boxern beschäftigen! Schließlich: etwas geistige Anregung muß
der Mensch in diesen schweren Zeiten doch haben!" —
Die Dame, die dem Boxkampf beiwohnte, verschwindet in ihr Auto. Ihre gute ;
Stimmung ist zerplatzt. Ihre Gedanken zerfallen. Der Winker ihres Autos ist r
so rot wie das Blut des Boxers. Oder wie die Gedanken des Chauffeurs . .. :
Die Dame bemerkt beides nicht. Sie gähnt sich selber an. Die Sensation ist
so rasch verflogen wie das Leben selber. Es ist nichts nachgeblieben für unsere
Dame! Es bleiben: ziellose Wünsche, ein weinroter Ehemann namens Karl
und graue Langeweile.
„Herr Reichspräsident können beruhigt sein: Mein Faible für Rot geht über die Generalsstreifen nicht hinaus!“
Alice Ekert-Rothhoiz: Eine Dame wohnt einem Boxkampf bei .. .
Oie Dame, die dem Boxkampf beiwohnt, sieht auf den ersten Blick sehr elegant
und 30jährig aus. Auf den zweiten Blick sieht sie mittelelegant und 40jährig
aus ... Leicht abgestoßenes Großbürgertum. Sie sitzt fast jeden Nachmittag
beim Fünfuhrtee und ist entrüstet, wenn die Köchin ein Ei zuviel verbraucht.
Sie hat unruhige Augen, einen Ehemann Karl und zuviel Zeit...
Der Monolog:
„Karl, beeil’ dich doch! Die boxen ja schon!— Einer scheint ein Neger zu sein!
Ist vielleicht braune Schminke... Sieh bloß die Fülle! Neulich im Staats-
theater wars doch hundeleer. Wozu geben sie auch so schwere Stücke in soner
schweren Zeit!-
Laß mich doch! Was willst du denn schon wieder? Du machst einen ja
plem-plem! Ob ich das Silber weggeschlossen habe? Ja, natürlich!... Ich
glaube bestimmt!... Ich weiß nicht genau. Ach, Karl, sei doch so lieb und
fahr nochmal nach Haus und schließ das Silber weg! Ich trau und trau der
Köchin nicht. Ich soll fahren?? Den ganzen Tag plag ich mich mit der Acht-
zimmerwohnung und abends soll ich noch?... Ausgeschlossen. Ich bleib bei
den Boxern. Etwas möchte ich noch von meinem Leben haben ...
Karl! Kaaarlü Du kannst hierbleiben! Wir haben das Silber doch Mittwoch
versetzt! Ein wahres Glück...
Diese Boxer! Fabelhafter Anblick! — Ob son Neger auch wählt? Wen wohl?
Warum sind das dumme Fragen? Wir Frauen interessieren uns heut eben auch
für Politik! So dämlich wie ihr würden wirs, noch lange anstellen! Wählen ist
die vornehmste Pflicht! Hätt ich mir das nur damals gesagt, als ich dich-
Da ist ja auch Mathilde! Guten Tag, Mathilde! Bist du auch da? Ich denke,
du interessierst dich nur für Frauenfragen? Wie war das? Boxer sind eine
ausgesprochene Frauenfrage? — Ich bin im Bilde, Mathilde! Haha! —
Wie findest du den Negerhäuptling? Niedlich, was? — Ich finde, er hat so
gewinnende Muskeln! —
Karl! Kaarl! Schlaf doch nicht! Du bist hier doch nicht in deinem Aufsichts-
rat!! — Du gehst?? Ausgeschlossen. Ich bleibe bei den Boxern. Ich will auch
was für meine Bildung tun . . . Du willst noch in eine Versammlung? Jetzt? —
Laß doch, Karl! Da wirst du bloß deine Nerven los! Werde lieber deine
Aktien los!-Na, denn geh schon! Ich kann dich ja nich anketten!
Wo er jetzt wohl hingeht? Ich bin bloß gespannt, ob seine heutige Versamm-
lung wieder son billiges Parfüm gebraucht!-—
...Mein Herr, den Arm, den Sie seit 15X Minuten streicheln, ist mein Arm!
Das wußten Sie nicht? Sein Sie nicht so witzig! — Wie bitte? Sie betrachten
mich als Gesinnungsgenossin? Bloß, weil ich ein eingewebtes Hakenkreuz am
Halstuch habe? — Das ist eine Modelaune, mein Herr! Mit Gesinnung hat das
nichts zu tun.. . Sehnse mal, wie viele Frauen hier Uniformmäntel mit
blanken Knöpfen tragen?! Meinen Sie, deshalb werden die a tempo in’n Krieg
ziehen? — Mein Herr, ich wünsche jetzt endgültig den Boxern zu lauschen! —
Mein Gott, der blutet ja ganze Flüsse! Wie das Publikum tobt! Eigentlich
komisch... Wenn einer blutet, sind alle begeistert! Ob sie deshalb so gern
Kriege machen? Wie die Leute aufgeputscht sind! Die haben ja alle rote Nebel
vor den Augen ... Ich glaub, wenn jetzt einer zum Weltkrieg in acht Tagen
einladen täte, alle würden mitgehen! Ich auch. Sport ist wirklich was Er-
hebendes. In keiner Zeit gabs soviel Sportkultur!
Na, auf Wiedersehn, Mathilde! — Gehst du auch schon? Wolln wir noch
tanzen gehn? Karl kommt doch nicht vor drei Uhr. Die Männer sind eben
überlastet... Ich bin direkt in Stimmung jetzt! Es geht nichts über solche
Boxer! Findest du auch? Du bist gar nicht so dumm, Mathilde! Obgleich
du den Dr. phil. hast! — Das nächstemal geh ich wieder! Was hat man denn
sonst? Ich hab ja nichts zu tun . .. Ach hör auf, Mathilde! Na ja, du hast nun
zufällig ’n Beruf! Sozial arbeiten? Das kenn ich doch . ..
Alles Mache! — Sieh dir Else an mit ihrer Wohltätigkeit! Sie will beim Ball ,
für notleidende Fensterputzer deutscher Nation am Tisch von Frau Staats- '
Sekretär sitzen! — Na ja .. . irgend was müßt ich ja anfangen .. .
Was hat das eigentlich mit den Boxern zu tun? Ich weiß nich, wieso wir
Frauen immer so vom Thema abschweifen! — Ich werde mich jetzt mal ernst-
haft mit den Boxern beschäftigen! Schließlich: etwas geistige Anregung muß
der Mensch in diesen schweren Zeiten doch haben!" —
Die Dame, die dem Boxkampf beiwohnte, verschwindet in ihr Auto. Ihre gute ;
Stimmung ist zerplatzt. Ihre Gedanken zerfallen. Der Winker ihres Autos ist r
so rot wie das Blut des Boxers. Oder wie die Gedanken des Chauffeurs . .. :
Die Dame bemerkt beides nicht. Sie gähnt sich selber an. Die Sensation ist
so rasch verflogen wie das Leben selber. Es ist nichts nachgeblieben für unsere
Dame! Es bleiben: ziellose Wünsche, ein weinroter Ehemann namens Karl
und graue Langeweile.