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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 54.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.8269#0012
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Sädtsdies

Streit- und Trostspiel
ums Hitlerkreuz

Schauplatz:

Vor der städtischen Zeitungs-
und Lesehalle; man muß dort bis
zur Oeffnung einige Minuten war-
ten, und so sammelt sich allerlei
Volks an.

Personen:

1 Arbeiter, hochgeschlossene
Joppe; 1 Geschäftsmann, aus-
gefranste Hosen und bankrottes
Hakenkreuz; 1 Offizier a. D.,
blankes Monokel im Gesicht und
pensions-wohldotiertes Aufsichts-
rathakenkreuz auf der deutschen
Besserleutebrust; 2 braune Uni-
formen.

1. Szene:

„Schlechte Zeiten, was?" beginnt
der grüne Joppenmann.

„Nu cha", murmelt nach einer
nachdenklichen Weile der kleine
Geschäftsmann und rückt ein wenig
beiseite, in Nähe des Monokel-
hakenkreuzes. Er zieht eine be-
leidigte Miene.

„Und heutzutage“, fährt der
Joppenmann munter und ungerührt
fort, „wenn man bedenkt, es gibt
noch welche, dies ham und könn’
sich e Audo leisten, — die Galle
könnt' einem kübelweise über-
loofen . . .”

Der kleine Geschäftsmann
(schweigt).

„Zum Beischbiel Hidler", knurrt

Zeichnung von Heinz Kiwitz

Der Herr von der Dtschn. Volkspartei macht soziale Studien

„Da sieht man wieder, wie notwendig wir Kolonien brauchen, Nicht mal Raum
für die eigenen L'andeskinder haben wir!“

Zeichnung von Georg Wiike

Der Kämpfer

„Die Kommunistische Partei bekämpft die Re-
gierung und die SPD., die diese Regierung be-
tkämpft, und weil wirden Paschismus bekämpfen,
der die SPD. bekämpft, ist die Bekämpfung der
SPD. die Voraussetzung aller erfolgreichen
Bekämpfung, und um diese Bekämpfung werden
wir kämpfen, wie wir immer gekämpft haben 1“

der grüne Joppenprolet. „Vierz'chdausend soll seine
Karre gekost’ ham!"

„Vierz'chdausend! Vierz'chdausend!" schreit das aus-
gefranzte Hakenkreuzmännchen und sein Kopf
schwillt an wie ein Kürbis; — er quillt auf und wind
noch platzen.

„Sachte, sachte“, murmelt der hochgeschlossene
Joppenmann.

„Immer gechn Hidler, die Arbeeder!“ kräht der
Kleine. „Wo man doch ooch wissen tät, son Audo,
das is bloß echendlich en gewehnigliches Vergährs-
inschrumend! ..."

2. Szene:

„Luxus treibn die, die Brider!" sagt der Joppen-
mann und fühlt sich obenauf und ganz in seinem
Fahrwasser. „Unsre Genossen, wenn die sich mal
en neien Hud koofen, da schreit die ganze Gesell-
schaft, aber die Brider, da kollern dir die Oogen
aus’m Kopp, wennste das siehst.“

Und nun geschieht folgendes:

Der Joppenmann blickt plötzlich vergnügt und
ruhig vom ausgefransten Hakenkreuz zum Monokel-
hakenkreuz, von der Schwindsuchtsbrust des kleinen
Geschäftsmanns zur behakenkreuzten Besserleute-
brust, dorthin und hierher, von da nach dort.

„Es gibt ebm solche und solche, Sie“, sagt er
lachend. „Hidlerkreize für die Arm’ und Hidler-
kreize für die Reichen, un für’n besseren Mittel-
stand, solche Genossen und solche Genossen. . .
und das da is wohl Ihrer?“ und zeigt ganz ge-
mütlich auf das blitzende Monokel, nein, wirklich
ganz schamlos.

(Monokelhakenkreuz ab.)

„Gleich Genosse zu sachn, das nennt der Mensch
keene Büldung", murmelt das zusammengesunkene
Geschäftsleutehakenkreuz und wird beinahe milde:

„Mei Gutster, wo doch das eener
von die ganz Hohen war, beinahe
en Cheneraaal! . . ."

Pause.

3. Szene:

Zwei braune Uniformen (im Ein-
treten): „Heil Hidler!" Der mickrige
Geschäftsmann ruckt in die Höhe
und hebt sein Händchen. Darauf:
1. Uniform zur zweiten):
„Waaaas, hab’ch gesacht, wie
kommse mir eechendlich vor,
Mann, hab’ch gesacht! Wennse
im Glied schdehn, hammse die
Haggen zusammzunehm, Mann,
hab’ch gesacht, un ’s Maul zu
haldn, Mann, hab’ch gesacht. Un
von wechen .Genosse', hab’ch ge-
sacht, kommse bei mir nicht an,
wennse im Glied schdehn, Mann,
hab’ch gesacht. Da heeßt’s ganz
eefach: .Schdillgeschdandn, und

Herr Parteigenosse!' . .

Ich habe mein Lebtag nicht so
ein breites Grinsen gesehen, wie
das auf dem Gesicht des grünen
Joppenmannes: Von einem Ohr

zum andern war es lachend ge-
spalten, wie von einem Axthieb.

Chor der SA. hinter der Bühne:
„Ach wie bahald, ach wie bahald,
schwindet Schöhnheit und Ge-
schdahaaald . . .“
Vorhang.



Wieder ein Druckfehler, der trotz-
dem das Richtige trifft:

„Im X-Verlage erschien soeben als
Festgeschenkbuch für die Hitler-
jugend:

Die Weltansauung
der Nationalsozialisten.“

Zeichnung von Lothqr Reiz

„Kameraden, ich bin Überzeugt, daß ich richtig
gehandelt habe, denn ich konnte euch nicht
zumuten, die liebe Gewohnheit des Vertröstet-
werdens aufzugeben!“
 
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