Zeichnung von Lothar Reiz
Die Arbeitslosen
„Was denkste, ob derSilberstreifen am Horizont bald sichtbar wird?“
„Wo soll der Silberstreifen herkommen, wenn noch nicht mal der
Horizont sichtbar ist!“
Was bringt 1933?
Einem beliebten Brauch einfallsreicher Zeitungsleute folgend, haben wir an eine Reihe unserer
prominentesten Politiker aus Anlaß des Jahreswechsels eine Rundfrage gerichtet. Wir haben
die Herren aufgefordert, uns zu sagen, was sie vom neuen Jahre am sehnlichsten erhoffen.
Alle Befragten sind unserem Wunsche in liebenswürdigster Weise nachgekommen — was in
Anbetracht ihrer sonstigen Schweigsamkeit besonders hoch zu bewerten ist.
Wir lassen die Antworten folgen.
Adolf Hitler: Ich hoffe, daß man mir im neuen Jahre die Hypotheken, die auf meinem
Braunen Hause liegen, nicht kündigen wird, damit mir, wenn auch manches andere verlorengeht,
wenigstens dieses wertvolle Grundstück erhalten bleibt. Ich wünsche meine Stellung als braun-
schweigischer Regierungsrat zu behalten, da mir diese Art Arbeit viel Freude macht. Von der
Vorsehung erbitte ich, daß sich das Essen im Kaiserhof im neuen Jahre nicht verschlechtern
möge. Ich wünsche mir außerdem recht viele Interviews, Fahnenweihen und Industriebankette.
Vor allem aber hoffe ich, daß mein Ruf „Deutschland erwache!" im nächsten Jahre nicht weiter
so befolgt werden wird wie bei der letzten Reichstagswahl.
Alfred Hilgenberg: Mein sehnlichster Wunsch ist, von meinem über alles verehrten
kaiserlichen Gebieter einen kleidsamen Orden zu erhalten für meine selbstlosen Bemühungen
um Arbeitsbeschaffung für seine Familie. Ich hoffe, meine diesbezüglichen Bemühungen auch
im neuen Jahre in voller körperlicher und geistiger Frische fortsetzen zu können. Ich wünsche
mir, daß die Betriebe meines Konzerns auch weiterhin rentabel bleiben, Der Deutschnationalen
Partei und dem Stahlhelm, deren Anhänger ich zu meinen besten Zeitungs- und Filmkunden
zähle, wünsche ich ein neues Wachstum und Gedeihen. Der Wehrmacht, die der beste Kunde
der Rüstungsindustrie ist, wünsche ich eine kräftige Erholung ihres Etats. Mein Grundsatz
bleibt auch im neun Jahre: Das Vaterland über alles!
Franz von Papen: Als alter Ulan wünsche ich mir ein Pferd, das besser läuft als meine
Regierungsmaschine, und einen Sattel, in dem ich fester sitze als im Reichskanzlerstuhl. Ich
hoffe, daß die in meinem Besitz befindlichen Aktien auch im neuen Jahre einen höheren Kurs
haben werden, als die von mir erfundenen Steuergutscheine. Ich wünsche nie mehr einen
Prozeß in Leipzig führen zu müssen und nie mehr die Aktenmappe in der Untergrundbahn oder
die rote Mappe im Reichstag liegen zu lassen. Im übrigen hoffe ich auf ein Engagement als
Rundfunkrezitator oder als Direktor eines historischen Panoptikums.
Kurt von Schleicher; Wunschlos wie immer, wünsche ich für das neue Jahr nur das
eine: daß man sich in Deutschland und im Völkerbund meinen Wünschen fügt.
Hjalmar Schacht: Da man mich im vergangenen Jahre weder zum Reichspräsidenten
noch zum Reichsbankpräsidenten noch zum Finanzminister gemacht hat, halte ich das neue
Jahr von vornherein für hoffnungslos. Daß ich für mich persönlich keine Wünsche habe, dürfte
allgemein bekannt sein.
Dr. Bracht: Ich wünsche, daß die deutsche Frau im neuen Jahre sittlich so gekräftigt wird,
daß sie Kinder nicht mehr nackt zur Welt bringt. Ich hoffe, daß der kommende Sommer gründ-
lich verregnet, damit die verbrecherische Lust zu Sonnenbädern keine Gelegenheit hat, Ansehen
und Ordnung des Vaterlandes zu bedrohen. Im übrigen wünsche ich, daß mir über jeden Fall
von Selbstentblößung sofort eingehend berichtet wird, damit ich mich danach richten kann.
P g. Rohm: Ich habe den dringenden Wunsch, daß im neuen Jahre das Briefgeheimnis aufs
allerstrengste gewahrt wird.
Heinrich Brüning: Ich wünsche nichts sehnlicher, als das neue Jahr in friedlicher und
sittsamer Neigungsehe mit meinem schwarzbraunen Liebling zu verbringen.
Artur Mahraun: Ich hoffe, im neuen Jahre von der Oeffentlichkeit entdeckt zu werden.
Hermann Dietrich: Als Führer der deutschen Staatspartei erhoffe ich vom neuen
Jahr, daß meine Partei ihren strengen und bewährten Grundsätzen treubleibt. Lieber diese
Grundsätze selbst vermag ich im voraus nichts zu sagen.
Wilhelm Prinz von Preußen: Als alter Etappen- und Sportsfreund hoffe ich, beim
nächsten Stahlhelmtag wieder den besten Platz zu bekommen und beim nächsten Sechstage-
rennen um die Diktatur wieder mitfahren zu dürfen.
Zeichnung von Lothar Reiz
Führer-Krise In der NSDAP.
„Jetzt sind sich die da oben darüber in die Haare geraten, wer
n i s c h t erreichen soll!“
Heinz Neumann: Ich hoffe, im neuen Jahre — trotz rassischer Bedenken — einen frei-
werdenden Posten im Braunen Hause zu erhalten.
Ernst Thälmann: Ich wünsche, daß mir auch das kommende Jahr recht viele Gelegen-
heiten gibt, die in der Sozialdemokratie und in den Freien Gewerkschaften organisierte
Arbeiterschaft im Namen der Arbeiterklasse bekämpfen zu können. Ich hoffe außerdem, durch
einen weiteren Stimmenzuwachs meiner Partei einen neuen Beweis für die Unfruchtbarkeit des
parlamentarischen Systems zu erbringen.
Joseph Goebbels: Ich habe nur einen Wunsch: im neuen Jahre nicht heiser zu werden.
0er Kragtinkncrpf
Ein Vortrag Knolls war angekündigt,
Knolls Name füllt den größten Saal —,
„Warum der Mensch so häufig sündigt".
Zum ersten und zum letzten Mal!
Das war ein Jagen und ein Laufen,
Sie waren alle scharf auf Knoll,
Bereit, sich um den Platz zu raufen.
Am Abend war es brechend voll!
Man sah die herrlichsten Modelle,
Die Presse bis zum letzten Mann,
Sie spitzte sich auf alle Fälle
Noch einen zweiten Bleistift an!
Knoll kam —, der Beifall war frenetisch,
Knoll ist ein wirklich schöner Mann,
Sein Augenrollen scheint prophetisch.
Ganz groß fing er mit Pathos an!
Er sprach mit Schwung und Nasenzittern,
Mal innerlich und mal mit Verve,
Er konnte wunderbar gewittern.
Und griff geübt an jeden Nerv!
Da kam, was wohl noch nie geschehen:
Ein Kragenknöpfchen löste sich.
Der Kragen kam erst sanft ins Drehen,
Dann fiel er polternd auf den Tisch!
Die Hörer wurden sichtlich munter.
Ein Kichern schlich durch alle Reihn,
Dann fiel auch die Krawatte runter,
Sie wollte solidarisch sein!
Knoll, der als Redner ohnegleichen,
Knoll, den kein andrer schlagen kann.
Begann vor Schrecken zu erbleichen
Und fing im Nu zu stottern an!
Knoll sprach gebrochen wie ein Irrer,
Verwechselte jetzt mir und mich.
Er wurde, scheußlich, immer wirrer.
Und auch sein Vorhemd löste sich!
Das Publikum begann zu toben.
Das Durcheinander war komplett —
Die Presse hatte sich erhoben
Und dachte schmunzelnd: Borgis fett!
Zum Schlüsse kam ein Krankenwagen,
Knoll griff sich weinend an den Kopf —:
Ich habe doch so viel zu sagen —,
K. o. durch einen Kragenknopf!
Man kann in Knolls pechösem Falle
Sehr nützliche Moral beseh'n:
Die größte Größe kommt zu Falle,
Wenn Kleinigkeiten streiken geh'n!
K. IC
Die Arbeitslosen
„Was denkste, ob derSilberstreifen am Horizont bald sichtbar wird?“
„Wo soll der Silberstreifen herkommen, wenn noch nicht mal der
Horizont sichtbar ist!“
Was bringt 1933?
Einem beliebten Brauch einfallsreicher Zeitungsleute folgend, haben wir an eine Reihe unserer
prominentesten Politiker aus Anlaß des Jahreswechsels eine Rundfrage gerichtet. Wir haben
die Herren aufgefordert, uns zu sagen, was sie vom neuen Jahre am sehnlichsten erhoffen.
Alle Befragten sind unserem Wunsche in liebenswürdigster Weise nachgekommen — was in
Anbetracht ihrer sonstigen Schweigsamkeit besonders hoch zu bewerten ist.
Wir lassen die Antworten folgen.
Adolf Hitler: Ich hoffe, daß man mir im neuen Jahre die Hypotheken, die auf meinem
Braunen Hause liegen, nicht kündigen wird, damit mir, wenn auch manches andere verlorengeht,
wenigstens dieses wertvolle Grundstück erhalten bleibt. Ich wünsche meine Stellung als braun-
schweigischer Regierungsrat zu behalten, da mir diese Art Arbeit viel Freude macht. Von der
Vorsehung erbitte ich, daß sich das Essen im Kaiserhof im neuen Jahre nicht verschlechtern
möge. Ich wünsche mir außerdem recht viele Interviews, Fahnenweihen und Industriebankette.
Vor allem aber hoffe ich, daß mein Ruf „Deutschland erwache!" im nächsten Jahre nicht weiter
so befolgt werden wird wie bei der letzten Reichstagswahl.
Alfred Hilgenberg: Mein sehnlichster Wunsch ist, von meinem über alles verehrten
kaiserlichen Gebieter einen kleidsamen Orden zu erhalten für meine selbstlosen Bemühungen
um Arbeitsbeschaffung für seine Familie. Ich hoffe, meine diesbezüglichen Bemühungen auch
im neuen Jahre in voller körperlicher und geistiger Frische fortsetzen zu können. Ich wünsche
mir, daß die Betriebe meines Konzerns auch weiterhin rentabel bleiben, Der Deutschnationalen
Partei und dem Stahlhelm, deren Anhänger ich zu meinen besten Zeitungs- und Filmkunden
zähle, wünsche ich ein neues Wachstum und Gedeihen. Der Wehrmacht, die der beste Kunde
der Rüstungsindustrie ist, wünsche ich eine kräftige Erholung ihres Etats. Mein Grundsatz
bleibt auch im neun Jahre: Das Vaterland über alles!
Franz von Papen: Als alter Ulan wünsche ich mir ein Pferd, das besser läuft als meine
Regierungsmaschine, und einen Sattel, in dem ich fester sitze als im Reichskanzlerstuhl. Ich
hoffe, daß die in meinem Besitz befindlichen Aktien auch im neuen Jahre einen höheren Kurs
haben werden, als die von mir erfundenen Steuergutscheine. Ich wünsche nie mehr einen
Prozeß in Leipzig führen zu müssen und nie mehr die Aktenmappe in der Untergrundbahn oder
die rote Mappe im Reichstag liegen zu lassen. Im übrigen hoffe ich auf ein Engagement als
Rundfunkrezitator oder als Direktor eines historischen Panoptikums.
Kurt von Schleicher; Wunschlos wie immer, wünsche ich für das neue Jahr nur das
eine: daß man sich in Deutschland und im Völkerbund meinen Wünschen fügt.
Hjalmar Schacht: Da man mich im vergangenen Jahre weder zum Reichspräsidenten
noch zum Reichsbankpräsidenten noch zum Finanzminister gemacht hat, halte ich das neue
Jahr von vornherein für hoffnungslos. Daß ich für mich persönlich keine Wünsche habe, dürfte
allgemein bekannt sein.
Dr. Bracht: Ich wünsche, daß die deutsche Frau im neuen Jahre sittlich so gekräftigt wird,
daß sie Kinder nicht mehr nackt zur Welt bringt. Ich hoffe, daß der kommende Sommer gründ-
lich verregnet, damit die verbrecherische Lust zu Sonnenbädern keine Gelegenheit hat, Ansehen
und Ordnung des Vaterlandes zu bedrohen. Im übrigen wünsche ich, daß mir über jeden Fall
von Selbstentblößung sofort eingehend berichtet wird, damit ich mich danach richten kann.
P g. Rohm: Ich habe den dringenden Wunsch, daß im neuen Jahre das Briefgeheimnis aufs
allerstrengste gewahrt wird.
Heinrich Brüning: Ich wünsche nichts sehnlicher, als das neue Jahr in friedlicher und
sittsamer Neigungsehe mit meinem schwarzbraunen Liebling zu verbringen.
Artur Mahraun: Ich hoffe, im neuen Jahre von der Oeffentlichkeit entdeckt zu werden.
Hermann Dietrich: Als Führer der deutschen Staatspartei erhoffe ich vom neuen
Jahr, daß meine Partei ihren strengen und bewährten Grundsätzen treubleibt. Lieber diese
Grundsätze selbst vermag ich im voraus nichts zu sagen.
Wilhelm Prinz von Preußen: Als alter Etappen- und Sportsfreund hoffe ich, beim
nächsten Stahlhelmtag wieder den besten Platz zu bekommen und beim nächsten Sechstage-
rennen um die Diktatur wieder mitfahren zu dürfen.
Zeichnung von Lothar Reiz
Führer-Krise In der NSDAP.
„Jetzt sind sich die da oben darüber in die Haare geraten, wer
n i s c h t erreichen soll!“
Heinz Neumann: Ich hoffe, im neuen Jahre — trotz rassischer Bedenken — einen frei-
werdenden Posten im Braunen Hause zu erhalten.
Ernst Thälmann: Ich wünsche, daß mir auch das kommende Jahr recht viele Gelegen-
heiten gibt, die in der Sozialdemokratie und in den Freien Gewerkschaften organisierte
Arbeiterschaft im Namen der Arbeiterklasse bekämpfen zu können. Ich hoffe außerdem, durch
einen weiteren Stimmenzuwachs meiner Partei einen neuen Beweis für die Unfruchtbarkeit des
parlamentarischen Systems zu erbringen.
Joseph Goebbels: Ich habe nur einen Wunsch: im neuen Jahre nicht heiser zu werden.
0er Kragtinkncrpf
Ein Vortrag Knolls war angekündigt,
Knolls Name füllt den größten Saal —,
„Warum der Mensch so häufig sündigt".
Zum ersten und zum letzten Mal!
Das war ein Jagen und ein Laufen,
Sie waren alle scharf auf Knoll,
Bereit, sich um den Platz zu raufen.
Am Abend war es brechend voll!
Man sah die herrlichsten Modelle,
Die Presse bis zum letzten Mann,
Sie spitzte sich auf alle Fälle
Noch einen zweiten Bleistift an!
Knoll kam —, der Beifall war frenetisch,
Knoll ist ein wirklich schöner Mann,
Sein Augenrollen scheint prophetisch.
Ganz groß fing er mit Pathos an!
Er sprach mit Schwung und Nasenzittern,
Mal innerlich und mal mit Verve,
Er konnte wunderbar gewittern.
Und griff geübt an jeden Nerv!
Da kam, was wohl noch nie geschehen:
Ein Kragenknöpfchen löste sich.
Der Kragen kam erst sanft ins Drehen,
Dann fiel er polternd auf den Tisch!
Die Hörer wurden sichtlich munter.
Ein Kichern schlich durch alle Reihn,
Dann fiel auch die Krawatte runter,
Sie wollte solidarisch sein!
Knoll, der als Redner ohnegleichen,
Knoll, den kein andrer schlagen kann.
Begann vor Schrecken zu erbleichen
Und fing im Nu zu stottern an!
Knoll sprach gebrochen wie ein Irrer,
Verwechselte jetzt mir und mich.
Er wurde, scheußlich, immer wirrer.
Und auch sein Vorhemd löste sich!
Das Publikum begann zu toben.
Das Durcheinander war komplett —
Die Presse hatte sich erhoben
Und dachte schmunzelnd: Borgis fett!
Zum Schlüsse kam ein Krankenwagen,
Knoll griff sich weinend an den Kopf —:
Ich habe doch so viel zu sagen —,
K. o. durch einen Kragenknopf!
Man kann in Knolls pechösem Falle
Sehr nützliche Moral beseh'n:
Die größte Größe kommt zu Falle,
Wenn Kleinigkeiten streiken geh'n!
K. IC