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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 54.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.8269#0036
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Zeichnung von Lothar Reiz

„Gasmasken fabrizieren Sie jetzt?
Werden denn die helfen?“ — „Aber
sehr sogar, lieber Freund, fragen
Sie'mal meinen Bilanz-Buchhalter!“

Der junge Schriftsteller X-, der im
größten Elend lebte, hatte sich aus
Nahrungssorgen erhängt.

Eine Drei-Zeilen-Notiz unterrichtete
die Mitwelt von dem betrüblichen
Zwischenfall.

Einen Tag später war im Feuilletonteil
einer bekannten Tageszeitung folgendes
zu lesen:

„Der junge Schriftsteller X., eine
Begabung, die zu den schönsten Hoff-
nungen berechtigte, hat, wohl in
einem Anfall von tiefster Hoffnungs-
losigkeit, seinem Leben freiwillig ein
Ziel gesetzt. Immer enger in das
würgende Netz finanzieller Schwie-
rigkeiten verstrickt, die ihm die Luft
zum Atmen und die Lust zum Schaf-
fen nahmen, sah er keinen Ausweg
mehr als den ausweglosen Sprung
ins Nichts.

Eine erschütternde Anklage gegen
den Irrsinn einer Zeit, die den
schöpferischen Kräften unseres Vol-
kes den Boden unter den Füßen
wegzieht.

Wir werden demnächst aus dem

Nachlaß des auf so tragische Weise
von uns gegangenen jungen Schrift-
stellers einige Arbeiten veröffent-
lichen.

Es handelt sich um besonders
charakteristische Proben einer Be-

gabung ganz eigener Art; Arbeiten,
die nicht nur durch ihre persönliche
viiote, sondern durch ihren Reichtum
an Ideen bemerkenswert sind!"

Einen Tag später konnte man unter

„Kleine Notizen" lesen, daß das

„Kleine Künstlertheater" ein Drama
aus dem Nachlaß des durch Freitod
geendeten Schriftstellers X. zur alleini-
gen Uraufführung erworben habe. Der
Premiere des Stückes, so hieß es im
Kommentar zu dieser Notiz, könne
mit großer Spannung entgegengesehen
werden.-

Einige Tage später meldete sich in der
Redaktion der bekannten Tageszeitung
ein junger Mann, der den Feuilleton-
redakteur 2u sprechen wünschte.

„Guten Morgen!“ rief er und warf
seinen Hut auf den Tisch, „ich bin der
begabte Schriftsteller X., aus dessen
Nachlaß sie einige Talentproben zu
veröffentlichen beabsichtigen."

„Wie . . . ?" sagte der Redakteur ent-
täuscht, „Sie sind gar nicht tot?"
„Nein", bemerkte der junge Mann
fröhlich, „ich bin leider nicht tot! Aber
der Trick war doch ganz ausgezeichnet,
nicht wahr?!"

Mit einem Kopfschütteln ging der
Redakteur grußlos hinaus und zum
Umbruch.

Am nächsten Morgen wurde den Lesern
in der dritten Feuilletonspalte in Petit-
Schrift mitgeteilt, daß gewisse Um-
stände den Abdruck der Arbeiten des
jungen X. leider unmöglich machen,
würden.

Als der Direktor des „Kleinen
K^istlertheater“ von dem Streich er-
fuhr, spuckte er kräftig aus und sagte
tief erbittert zu seinem Dramaturgen:
„Ein Skandal! Der Kerl lebt noch!
Selbstverständlich wird das Stück nicht
aufgeführt. Uns interessieren einzig
und allein tote Autoren!"

Fall Deutsch

Schlagt auf der Chronik Buch und schreibt hinein
Mit erz'nem Griffel auf granit'nem Stein:

Daß ein Geschmeiß von Dieben und von Mördern,
Falschmünzern, Hehlern und Standartenführern,

Von Bombenschmeißern und von Päderasten,

Von Abenteurern und bezahlten Unfriedschürern,

Daß das sich als Partei bewegen darf im Lande —

Ein Denkmal ist es ausgesproch'ner ...

deutscher Gutmütigkeit!

W.

Zeichnung von Cur» Lange-Christopher



-MM







„Ich las die Hauptkapitel meines Elends-Romans einem Auditorium von Arbeitslosen vor. Völlige Pleite.
Die Leute blieben teilnahmslos. Da haben Sie’s wieder; Was haben wir Geistigen vom Proletariat zu er-
warten, wenn die Leute nicht 'mal die künstlerische Verklärung ihrer Lage interessiert!"
 
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