Der »rrrevolutionäre«
Unorganisierte
Wer hätte ihn nicht schon einmal geseh’n
In der Kneipe an der Theke steh’n.
Es fällt ihm vor Kraft das Laufen schwer,
Er fühlt sich sehr „rrrevolutionär“.
Oft berührt sein Zeigefinger die Stirne —
Er bedauert die „weiche Birne“
Mit nicht nachzuahmender Gebärde
Jener von ihm sogenannten Hammelherde,
Die heute noch den Bonzen nachläuft —
Er säuft — in rrrevolutionärem Zorn —
Noch ’ne Molle, noch ’n Korn.
Alles an ihm ist groß;
Selbst seine Stimme!
In wildem Grimme legt er los:
„Watt Beiträje bezahl’n, bei dir spiel’n sc wo», soon
Nee, kommt bei mir janich in Frage. — [Kohl
Nee, damit die Bonzen jute Tage leben
Soll ick kleben?
Nee, kanns bei mir janich geben,
Mensch, ick krieje meinen Tarif ooch so.
Mensch, der wird doch verbindlich erklärt
Und denn hab ich doch schon denselben Lohn
Mensch, wie du.
Laß mir in Ruh —
Ick kann mein Jeld alleene brauchen.
Damit die Bonzen dicke Zijarren rauchen,
Sieh’n dicken Bauch anfressen,
Soll ick mir auspressen wie ’ne Zitrone?
Nich die Bohne.“ —
Sagt er und bestellt voll Zorn:
„Noch ’ne Molle — noch’n Korn“.
„Na Mensch, det könnte die so passen,
Mensch, ick kann mir vor lachen kaum lassen. —
Früher, da war ick ooch mal so deemlich,
Da war ick ooch mal organisiert.
Watt denkst du, watt mir da passiert?
Ick je nach’n Vaband,
Mensch, ick valier den Vastand,
Ick krieje heut’ noch die Kränke,
Wenn ick dran denke. —
Also stell dir vor, — da is’n Mann,
Der kiekt sich meine Karte an,
E.en Buch hatte ick noch nich —
Und sagte, was willst du Kollege,
Mensch, det ick mir nich zu doll uffreje —
Mir packt der Zorn —
„Prost — noch ’ne Molle — noch’n Korn."
Also ick sage, ick bin arbeetslos.
Kann ick nu Unterstützung kriejen,
Ick muß doch leben.-
Nee, du mußt erst 52 Wochen kleben
Sagt der Bonze — ein ganzes Jahr —
Watt denkst du, wie mir da war?
Ick hab vielleicht geflucht,
Der Bonze hat mir wat klarzumachen versucht
Von freie Marken mit’n Schuß im Juten —
Von wejen schwarze Marken un Statuten un so.
Watt hab ick gesagt, ick jeh’ zur RGO. —
Sechsunddreißig Wochen hab ick jeklebt,
Ihr habt von mein Jeld jelebt —
Det nennt ihr Solidarität, [steht
Det is ja noch schlimmer als wat in die „Rote Fahne“
Ihr seid ja noch nich mal ’n richtiger Unterstützungs-
verein,
Sonst würde’t mit mir jetzt janz anders sein —
Mensch, du Bonze, und det nennt ihr Klassenkampf,
Ick mach dir Dampf ...
Hier haste den Dreck. — —
Den Bonzen blieb valleicht die Spucke weg.
Ick schmiß ihm de Karte vor de Beene
Un ließ’n alleene.
Zeidinung von Hans Kcssatz
Zeichnung von Curt Longe-Christopher
Der Standartenführer im röhmischen Bad
„Verflucht, ist das Wasser kalt! Aber den anderen Hahn traut
man sich schon gar nicht mehr aufzudrehen 1 “
Na und bei die RGO.
Wart nich ville anders, da wart ebenso,
Da bejann der Quatsch von vorn.
„Prost — noch ’ne Molle — noch’n Korn."
Na, schließlich, wat soll ick dir sagen,
Wollt ick ooch mal ’ne scheene Uniform tragen,
Mensch, dacht ick, det macht doch Laune,
Machst de Mode mit int Braune. —
Ick hatte ville von Hitler jehört
Und det uff den Anstreicher de janze Welt schwört.
Ick dachte mir, Mensch, det is neu,
Jehste dahin, nich zu Immertreu.
Aber da bin ick erst in een Sumpf rinjeraten,
Mensch, der stinkt aber erst, der Braten.
Jewiß, det is nich jelogen....
Bald war ick als SA-Mann fein angezogen.
De Kosten wer’n uff dein Konto jeschriebn —
Mensch — eens mußte aber vastehn —
Det Fechten jehn.
Mensch, die drückn da valleicht wat in de Hand,
Da mußte fechten ant loofende Band
Mit Sammelbons, mit Sammellisten,
Die nehm Jeld ooch von die Juden,
Nich bloß von de Christen.
Mensch — die könn valleicht Jeld jut leiden,
Ob von de Katholiken oder de Heiden,
Die nehm in jedem Falle am liebsten von alle.
Und eenes Tags bin ick, wie man sagt, abjekommen
Mit det uff de Sammellisten gefochtene Jeld —
Da ham se mir ’ne Weile nach jestellt.
Ick hab jefragt, wat se von mir wolln.
Sc sagten, det se mir ja janich jrollen
Von wejen det verbratene Jeld,
Ne, deswejen hätten se mir nich nadijestellt,
Se wollten wissen, ob ick ooch dichte bin,
Det war een langet Jemeckere her und hin —
Schließlich mußte ick vor die pubertätijen Jöhren
Mit heilijer Miene Verschwiegenheit schwören.
Det sind de Pg.’s, Mensch, — —
Wenn ick an die denke, packt mir der Zorn:
„Prost — noch ’ne Molle — noch’n Korn.“
Ick will von de janze Bande nischt wissen,
Bei mir sind sc alle mitnander beschmissen
Mit Dreck von unten bis über de Ohren —
Mensch, ick bin doch ooch ohne Partei un Jewerkschaft
jeboren —
Papen hat sich ja ooch in Rundfunk beklagt,
Det ihm det mit die Parteien nich behagt,
Und der is ja von Herrenklub, reaktionär.
Ick bin aba wahrhaft rrevolutionär.
Noch steh ick feste uff meine Beene
Un mach mir meinen Dreck allene —
Mir fällt det ville Denken an sich schon schwer,
Ick kenne keene Parteien mehr,
Ick bin ibahaupt jejen Rejierung un Thron,
Ick mach janz alleene Revolution,
Ick steig janz alleene uff die Barrikaden,
Blut will ick seh’n, wech mit Schaden.
Ja, da biste baff, da bleibste steh’n,
Det hat de Welt noch nich jeseh’n.
Bei mir da bängste, bei mir nur Flieda,
Det jiebt’s nur eenmal, det kommt nich Wieda —"
Sprach’s, trank seine Molle aus.
Und torkelte besoffen nach Haus. K. O.
Unorganisierte
Wer hätte ihn nicht schon einmal geseh’n
In der Kneipe an der Theke steh’n.
Es fällt ihm vor Kraft das Laufen schwer,
Er fühlt sich sehr „rrrevolutionär“.
Oft berührt sein Zeigefinger die Stirne —
Er bedauert die „weiche Birne“
Mit nicht nachzuahmender Gebärde
Jener von ihm sogenannten Hammelherde,
Die heute noch den Bonzen nachläuft —
Er säuft — in rrrevolutionärem Zorn —
Noch ’ne Molle, noch ’n Korn.
Alles an ihm ist groß;
Selbst seine Stimme!
In wildem Grimme legt er los:
„Watt Beiträje bezahl’n, bei dir spiel’n sc wo», soon
Nee, kommt bei mir janich in Frage. — [Kohl
Nee, damit die Bonzen jute Tage leben
Soll ick kleben?
Nee, kanns bei mir janich geben,
Mensch, ick krieje meinen Tarif ooch so.
Mensch, der wird doch verbindlich erklärt
Und denn hab ich doch schon denselben Lohn
Mensch, wie du.
Laß mir in Ruh —
Ick kann mein Jeld alleene brauchen.
Damit die Bonzen dicke Zijarren rauchen,
Sieh’n dicken Bauch anfressen,
Soll ick mir auspressen wie ’ne Zitrone?
Nich die Bohne.“ —
Sagt er und bestellt voll Zorn:
„Noch ’ne Molle — noch’n Korn“.
„Na Mensch, det könnte die so passen,
Mensch, ick kann mir vor lachen kaum lassen. —
Früher, da war ick ooch mal so deemlich,
Da war ick ooch mal organisiert.
Watt denkst du, watt mir da passiert?
Ick je nach’n Vaband,
Mensch, ick valier den Vastand,
Ick krieje heut’ noch die Kränke,
Wenn ick dran denke. —
Also stell dir vor, — da is’n Mann,
Der kiekt sich meine Karte an,
E.en Buch hatte ick noch nich —
Und sagte, was willst du Kollege,
Mensch, det ick mir nich zu doll uffreje —
Mir packt der Zorn —
„Prost — noch ’ne Molle — noch’n Korn."
Also ick sage, ick bin arbeetslos.
Kann ick nu Unterstützung kriejen,
Ick muß doch leben.-
Nee, du mußt erst 52 Wochen kleben
Sagt der Bonze — ein ganzes Jahr —
Watt denkst du, wie mir da war?
Ick hab vielleicht geflucht,
Der Bonze hat mir wat klarzumachen versucht
Von freie Marken mit’n Schuß im Juten —
Von wejen schwarze Marken un Statuten un so.
Watt hab ick gesagt, ick jeh’ zur RGO. —
Sechsunddreißig Wochen hab ick jeklebt,
Ihr habt von mein Jeld jelebt —
Det nennt ihr Solidarität, [steht
Det is ja noch schlimmer als wat in die „Rote Fahne“
Ihr seid ja noch nich mal ’n richtiger Unterstützungs-
verein,
Sonst würde’t mit mir jetzt janz anders sein —
Mensch, du Bonze, und det nennt ihr Klassenkampf,
Ick mach dir Dampf ...
Hier haste den Dreck. — —
Den Bonzen blieb valleicht die Spucke weg.
Ick schmiß ihm de Karte vor de Beene
Un ließ’n alleene.
Zeidinung von Hans Kcssatz
Zeichnung von Curt Longe-Christopher
Der Standartenführer im röhmischen Bad
„Verflucht, ist das Wasser kalt! Aber den anderen Hahn traut
man sich schon gar nicht mehr aufzudrehen 1 “
Na und bei die RGO.
Wart nich ville anders, da wart ebenso,
Da bejann der Quatsch von vorn.
„Prost — noch ’ne Molle — noch’n Korn."
Na, schließlich, wat soll ick dir sagen,
Wollt ick ooch mal ’ne scheene Uniform tragen,
Mensch, dacht ick, det macht doch Laune,
Machst de Mode mit int Braune. —
Ick hatte ville von Hitler jehört
Und det uff den Anstreicher de janze Welt schwört.
Ick dachte mir, Mensch, det is neu,
Jehste dahin, nich zu Immertreu.
Aber da bin ick erst in een Sumpf rinjeraten,
Mensch, der stinkt aber erst, der Braten.
Jewiß, det is nich jelogen....
Bald war ick als SA-Mann fein angezogen.
De Kosten wer’n uff dein Konto jeschriebn —
Mensch — eens mußte aber vastehn —
Det Fechten jehn.
Mensch, die drückn da valleicht wat in de Hand,
Da mußte fechten ant loofende Band
Mit Sammelbons, mit Sammellisten,
Die nehm Jeld ooch von die Juden,
Nich bloß von de Christen.
Mensch — die könn valleicht Jeld jut leiden,
Ob von de Katholiken oder de Heiden,
Die nehm in jedem Falle am liebsten von alle.
Und eenes Tags bin ick, wie man sagt, abjekommen
Mit det uff de Sammellisten gefochtene Jeld —
Da ham se mir ’ne Weile nach jestellt.
Ick hab jefragt, wat se von mir wolln.
Sc sagten, det se mir ja janich jrollen
Von wejen det verbratene Jeld,
Ne, deswejen hätten se mir nich nadijestellt,
Se wollten wissen, ob ick ooch dichte bin,
Det war een langet Jemeckere her und hin —
Schließlich mußte ick vor die pubertätijen Jöhren
Mit heilijer Miene Verschwiegenheit schwören.
Det sind de Pg.’s, Mensch, — —
Wenn ick an die denke, packt mir der Zorn:
„Prost — noch ’ne Molle — noch’n Korn.“
Ick will von de janze Bande nischt wissen,
Bei mir sind sc alle mitnander beschmissen
Mit Dreck von unten bis über de Ohren —
Mensch, ick bin doch ooch ohne Partei un Jewerkschaft
jeboren —
Papen hat sich ja ooch in Rundfunk beklagt,
Det ihm det mit die Parteien nich behagt,
Und der is ja von Herrenklub, reaktionär.
Ick bin aba wahrhaft rrevolutionär.
Noch steh ick feste uff meine Beene
Un mach mir meinen Dreck allene —
Mir fällt det ville Denken an sich schon schwer,
Ick kenne keene Parteien mehr,
Ick bin ibahaupt jejen Rejierung un Thron,
Ick mach janz alleene Revolution,
Ick steig janz alleene uff die Barrikaden,
Blut will ick seh’n, wech mit Schaden.
Ja, da biste baff, da bleibste steh’n,
Det hat de Welt noch nich jeseh’n.
Bei mir da bängste, bei mir nur Flieda,
Det jiebt’s nur eenmal, det kommt nich Wieda —"
Sprach’s, trank seine Molle aus.
Und torkelte besoffen nach Haus. K. O.