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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 54.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.8269#0056
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Rudolf Frank: Anekdoten

Carl Vallentin, der früher nur in minderwertigen
Lokalen aufgetreten war, sollte zum ersten
Male in einem richtigen Theater, den Münchener
Kammerspielen, gastieren. Eines Morgens kam
er empört zu dem Dramaturgen des Theaters
und hielt ihm die „Münchener Neuesten Nach-
richten“ unter die Nase:

„Da schauens, was Sie da geschrieben haben!
Also i spiel net bei Eahna!“

Der Dramaturg las die Notiz:

„Der Künstler wird sein Gastspiel mit einem
abendfüllenden Stück „Theater in der Vor-
stadt" eröffnen.“

Er sah Vallentin fragend an.

„Dös war noch schöner", fuhr Vallentin erbittert
fort, „zwanzig Jahr lang war i a Volkssänger
und jetzt gehns daher und setzen in die Zei-
tung, i war a Künstler!"

Gutgelaunt verhandelte Vallentin wegen Vertrags-
verlängerung und rauchte dazu seine billige
Zigarette. Den bereitstehenden Aschenbecher
ignorierend, wirft er den ausgerauchfen Stummel
in die Oeffnung seines auf dem Schreibtisch
deponierten steifen Hütchens. Der Direktor
lacht.

„Entschuldigens!“, sagte Vallentin und spuckt
in den Hut.

Jetzt quietscht auch die Sekretärin.

Vallentin macht eine entschuldigende Ver-
beugung:

„I bin halt so heiklich, Freilein. In an fremden
Hut täts mi ja grausen."

„Ich habe Hunger, grober Führer I“

„Schneider, nähen Sie dem Mann noch eine Tresse an den Kragen!“

Berliner Theater-Skandale

„Hier hast du ein Theater-Billet, mein Sohn!
Und einen Hausschlüssel! Denn die Kirche war
stets eine Freundin der Kunst!“

Ullrich Rauscher schwärmte damals für Dehmel.
Und erwartete ihn mit anderen Begeisterten zu
einem Vortragsabend. Allgemeine Spannung.
Wie wird sich zuerst die dumpfbrodelnde
Sprachgewalt des Dichters von Weib und Welt
entladen, mit welchem Wort wird er die Ver-
zeichnung von Lothar Reiz


sammelten begrüßen? — — Und nun kam die
Droschke und der erhabene Gast stieg aus,
schritt rasch mit mitmenschlichem Lächeln auf
den beglückten Rauscher zu und sprach:

„Wo kann man hier mal austreten?"

Seit dieser Zeit schwärmte Ullrich Rauscher für
Stefan George.

Kästner, der Humanist, traf in Paris seinen
alten Lehrer des Französischen in großer Ver-
zweiflung.

„Vierzig Jahre lang", klagte der Lehrer, „habe
ich in Leipzig erfolgreich die französische
Sprache gelehrt und hier in Paris mußte ich mit
Entsetzen erkennen, daß die Sprache, die ich
lehrte, gar nicht Französisch war."

„Wie vielen Theologen mag es im Himmel ähn-
lich ergehen", erwiderte Kästner.

Ein Frankfurter Geschäftsmann, der es in
kurzer Zeit zum Millionär gebracht hatte,
streichelte seinen Hund.

Der Musiker Sekles, der das sah, rief ihm ent-
rüstet zu:

„Sie wollen Millionär sein und streicheln einen
Hund? Ein Millionär zertritt den Hund und
sagt: Gebt mir noch einen Hund!"

Vom Tage

Die Welt hat ein Hohngelächter angestimmt ob der grotesken Szenen, die sich bei der Bergung der brennenden „Atlantique"
abgespielt haben. In edlem Konkurrenzkampf um die Bergeprämie zerrte der eine Retter vorn, der andere hinten,
so daß stundenweise die „Atlantique" überhaupt nicht vom Fleck kam.

Uns will scheinen, als sei da auf hoher See eine parodistische Komödie von hohen Graden aufgeführt worden.

Das ehemals so stolze und mächtige Schiff, dem die Wirtschaftswelt der Generaldirektoren verglichen werden kann,
geriet durch einen Fehler im Mechanismus des Apparats in Brand. Es wurde, es läßt sich länger nicht mehr verheim-
lichen, zum elenden Wrack. Was geschieht da? Da kommen die Retter, aber um des schäbigen privaten Vorteils willen
können sie sich nicht zu einer einheitlichen, sinnvollen Aktion zusammenfinden, und will man unter der einen nationalen
Flagge Hüh, so will man unter der anderen nationalen Flagge Hott, und es geht nicht ab ohne listenreiche Gemeinheiten und
zerbrochene Gliedmaßen der Mannschaft. Vom Fleck kommt man nicht. Das Schiff ist verloren, das stolze Schiff mit den
Luxuskabinen und den eleganten Salons, das Schiff der reichen Leute. Aber aus verkohltem Gerümpel wird noch ein
letzter Profit herausgerafft. . . .

Die Welt hat ein Hohngelächter angestimmt über die Szene — es ist ein gutes Zeichen . . .!



Ein internationaler Finanzschwindler namens Lewin ging, nachdem ihm in Berlin, der letzten Stätte seines Wirkens,
der Boden unter den Füßen zu heiß geworden war, nach Amerika, stellte sich hier, geschickt gefälschte Papiere präsen-
tierend, als europäischer Austausch-Professor vor, fand Glauben, bestieg als Professor Dr. Normano das Katheder
der Havard-Universität zu Cambridge und las über Nationalökonomie. Er las gut. Er überraschte durch die souveräne
Beherrschung seines Stoffes. Zu seinen Füßen saß Jung-Amerika und lauschte lechzenden Ohres den Offenbarungen
über die nützliche Wissenschaft der Nationalökonomie. Bis die Polizei, durch deutsche Behörden informiert, Zugriff.
Es ist nicht anzunehmen, daß Herr Lewin in seinen Vorlesungen vor dem Nachwuchs Babbitts, sagen wir einmal, über Karl
Marx doziert hat. Es ist vielmehr anzunehmen, daß er unter Nationalökonomie das verstanden und vorgetragen haben
wird, was gemeinhin darunter verstanden und vorgetragen wird: die Technik bürgerlicher Profitgaunerei.

Völlig glaubhaft will uns da erscheinen, daß über diese Materie nur ein versierter, ein erprobter und erfahrener
Gauner sachverständig reden und lehren kann. Die ungebrochenen Instinkte der amerikanischen Jünglinge erfaßten sicher
und richtig, was in den Vorlesungen Prof. Normanos sich offenbarte, wohl erkannten sie den süßen Kern und ließen ihn
sich munden. Wahrscheinlich werden sie, nun das Idyll sein Ende gefunden, über die deutscherseits gegebenen Infor-
mationen sich in höchst despektierlichen Redewendungen ergehen. Mit Recht. Will die bürgerliche Welt etwa mit
eigener Hand die Grundlagen ihrer Existenz zerstören? Ihre Söhne ohne Lehre lassen? Die Kontore ihres Betriebs ohne
das erhellende Licht wissenschaftlicher Durchdringung?

Und muß es immer Deutschland sein, daß Sinn der Welt und Lage der Dinge nicht begreift? W.

Zeichnung von J u p o

„Der Herr schreit wahrscheinlich nur deshalb so laut, damit man meinen Magen
nicht knurren hört!“
 
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