Pan Rimanski und sein Licht v.» ««da Roda
Dresden
Zeichnung von Gerhard Holler
Im Wirbel der letzten Tage vor dem Weltkrieg, in der Gärung der Völker ist
ein Ereignis untergegangen von wahrhaft historischer Größe. Die deutsche
Reichsregierung hat damals das ihrige getan, den Fall zu vertuschen. Es soll
hier an die Oeffentlichkeit kommen:
Kongreß der Physiker
Philadelphia, 2. bis 7. Februar 1914. Professor Rimanski von der Universität
Warschau demonstrierte sein
Linienlicht.
In atemloser Spannung lauschten die Gelehrten beider Welten. — Nikola
Tesla hatte den Kopf in die Hand gestützt und zitterte vor Erregung. —
Thomas Aiwa Edison war aufgesprungen und stand wie eine gierige Bestie —
als wollte er dem Polen dort auf dem Katheder das ganze Geheimnis auf
einmal entreißen.
Doch Pan Wladislaw Rimanski gab sein Geheimnis nur langsam preis —
wide-lich, berechnend langsam. In fast einschläferndem Tonfall schichtete er Er-
kenntnisse auf Tatsachen — bis das ungeheure Gebäude dastand — der Grund
auf breitem Erdboden, die Zinnen über den Wolken — himmelhimmelhoch.
Und als das Haus in der Gleiche war, da hatte Pan Rimanski die alte Wissen-
schaft gestürzt und neben ihr eine neue aufgerichtet — fix und fertig im Rohen,
und die andern sollten nur den Zierat hinzutun.
Pan Rimanski hatte durch seine neue Lampe die Aetherhypothese widerlegt.
Der „Cincinnati Staats Herold“
mit Beilage „Das Familienheim" schrieb:
„Russeninventor ruiniert America Prosperity.“
„Selten noch hat", schrieb der „Cincinnati Herold", „eine Erfindung mit so
rascher und mächtiger Hand in das Rädergetriebe des Wirtschaftslebens ein-
gegriffen wie Rimanskis Linienlicht. Abgesehen von den weiter unten fol-
genden, von uns zuerst gebrachten zahlreichen Verabschiedungen erstklassiger
University-Professors, hat die Lehre Hunderte von Industry Establishments
in Insolvency gedrivet. Die dieswöchentliche Sonder Edition unsres „Familien-
heims" (20 cj bringt 17 Porträts von Manager Engineers, die von ihren Posten
scheiden mußten, ferner 103 Bilder verkrachter Electricities und Gasanstalten.
Wir verweisen besonders auf die doppelseitige Kunstbeilage „Mr. Rimanskis
Schwiegermutter", welche, mit einem netten Rähmchen versehen, jeder deut-
schen Familie zum Schmuck gereichen wird."
(Ueberflüssig, zu sagen, daß jedes Wort des Cincinnati-Berichts erlogen war.)
Leitartikel des
„Kurier Poznanski“:
„Seit gegen Ende des Mittelalters unser Jan Dobrogörski die Buchdruckerkunst
erfand, hat noch keine Tat polnischen Genies ..usw. usw.
Ein Opfer der Umwälzung: Bäuchle, Ordinarius der Physik in Erlangen, hatte
eben ein kleines Handbuch vollendet (in
drei Quartbänden):
„Grundzüge der Aetherhypothese“
Da widerlegt dieser verdammte Polacke
die Aethertheorie! — Die ganze Auflage
von Bäuchles Buch mußte eingestampft
werden. Der Ordinarius ließ sich mit-
einstampfen.
Am Abend . . . (vergessen Sie nicht:
im Jahre 1914!) ... am Abend also
verkündete der Reichsanzeiger, Berlin,
den Allerhöchsten Kabinettserlaß: Ver-
leihung von Allgemeinen Ehrenzeichen
einerseits an den Portier im Kriegs-
ministerium — andererseits an Professor
Bäuchle.
Der Portier freute sich ungemein.
Der greise Gelehrte konnte es nicht
mehr. Er brodelte im Holländer.
Das Militärwochenblatt
gab sich als eingeweiht. Man werde,
schrieb es, aus den Berliner Gasrohren
31 000 000 Kilometer Lanzen schmieden
und aus Tausenden von Kandelabersäulen
kleinkalibrige Geschütze. „So hat der
schöpferische deutsche Geist das Blatt
glücklich gewendet, damit es wieder ein
Ruhmesblatt werde in der vaterlän-
dischen Geschichte. Die neuen Gas-
reiterregimenter erhalten kandelaber-
grüne Röcke mit messinghahnfarbigem
Vorstoß — Auerstrümpfe — und auf den
laternenartigen Helmen rotgelbe Feder-
büsche in Flammenform.“
Bisher, vor Wladislaw Rimanski, pflanzte
sich das Licht bekanntlich auf Kugel-
schalen fort, und seine Helligkeit sank
daher quadratisch mit der Entfernung
von der Lichtquelle. — Rimanskis Linien-
licht geht grade weiter — in jeder Rich-
tung, die man ihm gegeben hat — nicht
radial, sondern als Bündel von stetig
gleichem Querschnitt. Es gibt also nir-
gends schwächeren Schein als an der
Laterne selbst. Eine kleine Rimanski-
lampe vermag die längste Straße taghell
zu erleuchten.
Zwar hat schon der Direktor desPierpont-
Morgan- Lichttrusts, Mr. Rimanski, auf
die Möglichkeit hingewiesen, mit Hilfe
des Linienlichts den Marsbewohnern
Signale zu geben; das Verdienst aber, den
Gedanken aufgegriffen und ausgestaltet
zu haben, gebührt doch unstreitig
der Berliner Akademie der Wissen-
„Erst wenn die Partei von dem politischen Treibholz gesäu-
bert ist, wird sie fester dastehen als je zuvor.“ (Hitler.)
„Schmeißt das Treibholz ins Wasser!“
schäften. Sie ist es gewesen, die dem Nachrichtenwechsel mit dem Mars den
Allerhöchsten Schirmherrn
verschafft und die Sache dadurch zu einer Sache der zivilisierten Menschheit
eigentlich erst recht gemacht hat.
Welcher titanische Einfall, Brücken über den gähnenden Raum des Alls zu
schlagen —! Botschaften zu tauschen mit den vernünftigen Wesen andrer
Welten —! Wir, die irdische weiße Menschenrasse, haben — nicht wahr? —
Botschaften von Stern zu Stern noch nie empfangen. Nun sollen wir sie als
erste aussenden. Gibt uns das nicht die stolze Gewißheit, daß wir nicht nur
an der Spitze der Völker zwischen Nord- und Südpol marschieren — nein, daß
wir Weißen die Pioniere aller Sonnensysteme sind?
Wir haben nicht umsonst gelebt, gerungen und gedacht. Wenn einst nach
Aeonen der Sonnenball erkaltet, wird unser geistiger Besitz den Bewohnern
andrer Himmelskörper als Erbteil verbleiben.
Eine Gewißheit, die dem Erdenleben plötzlich Zweck verleiht. Ein Ausblick
in Ewigkeiten.
Die beliebte Dichterin Gertrudc von Schlampitz
schrieb reizende Distichen in der „Hausfrauenzeitung":
„Einstens reichte die Welt von Byzanz bis nördlich nach London,
Als Columbus sie dann weiter westwärts gedehnt.
Später der Deutsche Rimanski, ein zweiter Columbus, doch größer;
Er entdeckte erst 's richtige Weltreich zumal.“
Am 18. Mai 1914 Feldgottesdienst
vor der Kieler Sternwarte. Ein Orchester dreier vereinigter Marinemusiken
blies „Eine feste Burg“. — Einige Minuten vor 10 Uhr abend begab sich
der hohe Schirmherr
mit Höchstseinem Hofstaat an den Taster. (Die Herren in Gala mit den Bändern
der inländischen Großkreuze und umflorten Degen, die Damen in geschlossenen
grauen Seidenroben und Jetschmuck — Hoftrauer VII. Klasse um den ver-
ewigten Herzog von Schleiz-Sigmaringen.)
Nach einer kurzen Ansprache, die später vom Wölfischen Telegrafenbüro noch
bedeutend gekürzt werden mußte, drückte der
Höchste Schirmherr
den Taster nieder; die Kaltglühlegierung der Rimanskilampe schoß einen mäch-
tigen weißen Pfeil gen Himmel — zum Mars empor.
Entblößten Hauptes, mäuschenstill harrte die unendliche Menge.
Die Gebete des Marine-Oberpfarrers mischten sich in das Rauschen des Meeres.
Da schlugen plötzlich sämtliche telegraphischen Apparate der Erde in einem
einzigen Augenblick an.
Morsezeichen. Eine Depesche vom Mars. Mit fieberhafter Ungeduld las man den
Wortlaut: . ...
loi zikuli ania nekalz beta.
Nun — darauf war niemand gefaßt ge-
wesen. Dieses Ergebnis übertraf die
kühnsten Erwartungen der Zuversicht.
Dieselbige Nacht bis zum grauen Mor-
gen saßen die Gelehrten der Kieler Uni-
versität gebeugt über den Zetteln mit
dem rätselhaften Inhalt.
Das Volk umlagerte das Gebäude. Nie-
mand mochte schlafen gehen, ehe er die
Bedeutung des Marstelegramms ver-
nommen hatte.
Mathematiker, Orientalisten, Alt- und
Neuphilologen versuchten die Erschlie-
ßung des Mysteriums.
Morgens, 7 Uhr. — Geheimrat Oxen-
bauer — der berühmte Oxenbauer hat
mit Hilfe einer wenig verbreiteten süd-
mongolischen Mundart vier Wörter des
Marstelegramms gedeutet: loi — Welt,
zikuli (vergleiche das lateinische circu-
lus) — Kreis, nekalz — Volkheit, beta —
Brüder.
Dr. M. Zatzke, Frankfurter Oberrabiner,
übersetzte nach Anklängen an das Ara-
mäische: loi zikuli -— von fern, nekalz —
Herrscher, Fürst —, beta — Gruß; even-
tuell: Ehrerbietung.
Wenn also auch der berufene treue Dol-
metsch für das Marstelegramm noch
nicht gefunden ist — soviel steht fest:
das Telegramm drückt die Ehrerbietung
aus eines Brudervolks für die Mensch-
heit und ihre Häupter.
Elf Uhr, — Depesche der Sternwarte
Prag an die Sternwarte Kiel:
fr. praha 53 + 751 21 19 10/20 — m. —
marstext besteht aus vier tschechischen
Vornamen: loizik ulian ianek alzbeta.
Mittags. — Sternwarte München drahtet:
erste Buchstaben fraglicher Namen er-
geben bayerischen Gruß.
Mit Recht bemerkt dazu das
Universitätszentralblatt:
„Bleibt auch die Sehnsucht der Erd-
völker nach einer dauernden Verständi-
gung mit den außerirdischen Vernunft-
wesen durch die illoyale Haltung der
letzteren (der Marsleute) unbefriedigt —
die Feststellung allein, daß letztere (die
Marsleute) eine auch den ersteren (den
Erdleuten) geläufige Zunge reden, wird
auf die Wissenschaft dieser (der Erd-
leute) von jenen (den Marsleuten) auf
Jahrhunderte hinaus befruchtend wirken.“
Dresden
Zeichnung von Gerhard Holler
Im Wirbel der letzten Tage vor dem Weltkrieg, in der Gärung der Völker ist
ein Ereignis untergegangen von wahrhaft historischer Größe. Die deutsche
Reichsregierung hat damals das ihrige getan, den Fall zu vertuschen. Es soll
hier an die Oeffentlichkeit kommen:
Kongreß der Physiker
Philadelphia, 2. bis 7. Februar 1914. Professor Rimanski von der Universität
Warschau demonstrierte sein
Linienlicht.
In atemloser Spannung lauschten die Gelehrten beider Welten. — Nikola
Tesla hatte den Kopf in die Hand gestützt und zitterte vor Erregung. —
Thomas Aiwa Edison war aufgesprungen und stand wie eine gierige Bestie —
als wollte er dem Polen dort auf dem Katheder das ganze Geheimnis auf
einmal entreißen.
Doch Pan Wladislaw Rimanski gab sein Geheimnis nur langsam preis —
wide-lich, berechnend langsam. In fast einschläferndem Tonfall schichtete er Er-
kenntnisse auf Tatsachen — bis das ungeheure Gebäude dastand — der Grund
auf breitem Erdboden, die Zinnen über den Wolken — himmelhimmelhoch.
Und als das Haus in der Gleiche war, da hatte Pan Rimanski die alte Wissen-
schaft gestürzt und neben ihr eine neue aufgerichtet — fix und fertig im Rohen,
und die andern sollten nur den Zierat hinzutun.
Pan Rimanski hatte durch seine neue Lampe die Aetherhypothese widerlegt.
Der „Cincinnati Staats Herold“
mit Beilage „Das Familienheim" schrieb:
„Russeninventor ruiniert America Prosperity.“
„Selten noch hat", schrieb der „Cincinnati Herold", „eine Erfindung mit so
rascher und mächtiger Hand in das Rädergetriebe des Wirtschaftslebens ein-
gegriffen wie Rimanskis Linienlicht. Abgesehen von den weiter unten fol-
genden, von uns zuerst gebrachten zahlreichen Verabschiedungen erstklassiger
University-Professors, hat die Lehre Hunderte von Industry Establishments
in Insolvency gedrivet. Die dieswöchentliche Sonder Edition unsres „Familien-
heims" (20 cj bringt 17 Porträts von Manager Engineers, die von ihren Posten
scheiden mußten, ferner 103 Bilder verkrachter Electricities und Gasanstalten.
Wir verweisen besonders auf die doppelseitige Kunstbeilage „Mr. Rimanskis
Schwiegermutter", welche, mit einem netten Rähmchen versehen, jeder deut-
schen Familie zum Schmuck gereichen wird."
(Ueberflüssig, zu sagen, daß jedes Wort des Cincinnati-Berichts erlogen war.)
Leitartikel des
„Kurier Poznanski“:
„Seit gegen Ende des Mittelalters unser Jan Dobrogörski die Buchdruckerkunst
erfand, hat noch keine Tat polnischen Genies ..usw. usw.
Ein Opfer der Umwälzung: Bäuchle, Ordinarius der Physik in Erlangen, hatte
eben ein kleines Handbuch vollendet (in
drei Quartbänden):
„Grundzüge der Aetherhypothese“
Da widerlegt dieser verdammte Polacke
die Aethertheorie! — Die ganze Auflage
von Bäuchles Buch mußte eingestampft
werden. Der Ordinarius ließ sich mit-
einstampfen.
Am Abend . . . (vergessen Sie nicht:
im Jahre 1914!) ... am Abend also
verkündete der Reichsanzeiger, Berlin,
den Allerhöchsten Kabinettserlaß: Ver-
leihung von Allgemeinen Ehrenzeichen
einerseits an den Portier im Kriegs-
ministerium — andererseits an Professor
Bäuchle.
Der Portier freute sich ungemein.
Der greise Gelehrte konnte es nicht
mehr. Er brodelte im Holländer.
Das Militärwochenblatt
gab sich als eingeweiht. Man werde,
schrieb es, aus den Berliner Gasrohren
31 000 000 Kilometer Lanzen schmieden
und aus Tausenden von Kandelabersäulen
kleinkalibrige Geschütze. „So hat der
schöpferische deutsche Geist das Blatt
glücklich gewendet, damit es wieder ein
Ruhmesblatt werde in der vaterlän-
dischen Geschichte. Die neuen Gas-
reiterregimenter erhalten kandelaber-
grüne Röcke mit messinghahnfarbigem
Vorstoß — Auerstrümpfe — und auf den
laternenartigen Helmen rotgelbe Feder-
büsche in Flammenform.“
Bisher, vor Wladislaw Rimanski, pflanzte
sich das Licht bekanntlich auf Kugel-
schalen fort, und seine Helligkeit sank
daher quadratisch mit der Entfernung
von der Lichtquelle. — Rimanskis Linien-
licht geht grade weiter — in jeder Rich-
tung, die man ihm gegeben hat — nicht
radial, sondern als Bündel von stetig
gleichem Querschnitt. Es gibt also nir-
gends schwächeren Schein als an der
Laterne selbst. Eine kleine Rimanski-
lampe vermag die längste Straße taghell
zu erleuchten.
Zwar hat schon der Direktor desPierpont-
Morgan- Lichttrusts, Mr. Rimanski, auf
die Möglichkeit hingewiesen, mit Hilfe
des Linienlichts den Marsbewohnern
Signale zu geben; das Verdienst aber, den
Gedanken aufgegriffen und ausgestaltet
zu haben, gebührt doch unstreitig
der Berliner Akademie der Wissen-
„Erst wenn die Partei von dem politischen Treibholz gesäu-
bert ist, wird sie fester dastehen als je zuvor.“ (Hitler.)
„Schmeißt das Treibholz ins Wasser!“
schäften. Sie ist es gewesen, die dem Nachrichtenwechsel mit dem Mars den
Allerhöchsten Schirmherrn
verschafft und die Sache dadurch zu einer Sache der zivilisierten Menschheit
eigentlich erst recht gemacht hat.
Welcher titanische Einfall, Brücken über den gähnenden Raum des Alls zu
schlagen —! Botschaften zu tauschen mit den vernünftigen Wesen andrer
Welten —! Wir, die irdische weiße Menschenrasse, haben — nicht wahr? —
Botschaften von Stern zu Stern noch nie empfangen. Nun sollen wir sie als
erste aussenden. Gibt uns das nicht die stolze Gewißheit, daß wir nicht nur
an der Spitze der Völker zwischen Nord- und Südpol marschieren — nein, daß
wir Weißen die Pioniere aller Sonnensysteme sind?
Wir haben nicht umsonst gelebt, gerungen und gedacht. Wenn einst nach
Aeonen der Sonnenball erkaltet, wird unser geistiger Besitz den Bewohnern
andrer Himmelskörper als Erbteil verbleiben.
Eine Gewißheit, die dem Erdenleben plötzlich Zweck verleiht. Ein Ausblick
in Ewigkeiten.
Die beliebte Dichterin Gertrudc von Schlampitz
schrieb reizende Distichen in der „Hausfrauenzeitung":
„Einstens reichte die Welt von Byzanz bis nördlich nach London,
Als Columbus sie dann weiter westwärts gedehnt.
Später der Deutsche Rimanski, ein zweiter Columbus, doch größer;
Er entdeckte erst 's richtige Weltreich zumal.“
Am 18. Mai 1914 Feldgottesdienst
vor der Kieler Sternwarte. Ein Orchester dreier vereinigter Marinemusiken
blies „Eine feste Burg“. — Einige Minuten vor 10 Uhr abend begab sich
der hohe Schirmherr
mit Höchstseinem Hofstaat an den Taster. (Die Herren in Gala mit den Bändern
der inländischen Großkreuze und umflorten Degen, die Damen in geschlossenen
grauen Seidenroben und Jetschmuck — Hoftrauer VII. Klasse um den ver-
ewigten Herzog von Schleiz-Sigmaringen.)
Nach einer kurzen Ansprache, die später vom Wölfischen Telegrafenbüro noch
bedeutend gekürzt werden mußte, drückte der
Höchste Schirmherr
den Taster nieder; die Kaltglühlegierung der Rimanskilampe schoß einen mäch-
tigen weißen Pfeil gen Himmel — zum Mars empor.
Entblößten Hauptes, mäuschenstill harrte die unendliche Menge.
Die Gebete des Marine-Oberpfarrers mischten sich in das Rauschen des Meeres.
Da schlugen plötzlich sämtliche telegraphischen Apparate der Erde in einem
einzigen Augenblick an.
Morsezeichen. Eine Depesche vom Mars. Mit fieberhafter Ungeduld las man den
Wortlaut: . ...
loi zikuli ania nekalz beta.
Nun — darauf war niemand gefaßt ge-
wesen. Dieses Ergebnis übertraf die
kühnsten Erwartungen der Zuversicht.
Dieselbige Nacht bis zum grauen Mor-
gen saßen die Gelehrten der Kieler Uni-
versität gebeugt über den Zetteln mit
dem rätselhaften Inhalt.
Das Volk umlagerte das Gebäude. Nie-
mand mochte schlafen gehen, ehe er die
Bedeutung des Marstelegramms ver-
nommen hatte.
Mathematiker, Orientalisten, Alt- und
Neuphilologen versuchten die Erschlie-
ßung des Mysteriums.
Morgens, 7 Uhr. — Geheimrat Oxen-
bauer — der berühmte Oxenbauer hat
mit Hilfe einer wenig verbreiteten süd-
mongolischen Mundart vier Wörter des
Marstelegramms gedeutet: loi — Welt,
zikuli (vergleiche das lateinische circu-
lus) — Kreis, nekalz — Volkheit, beta —
Brüder.
Dr. M. Zatzke, Frankfurter Oberrabiner,
übersetzte nach Anklängen an das Ara-
mäische: loi zikuli -— von fern, nekalz —
Herrscher, Fürst —, beta — Gruß; even-
tuell: Ehrerbietung.
Wenn also auch der berufene treue Dol-
metsch für das Marstelegramm noch
nicht gefunden ist — soviel steht fest:
das Telegramm drückt die Ehrerbietung
aus eines Brudervolks für die Mensch-
heit und ihre Häupter.
Elf Uhr, — Depesche der Sternwarte
Prag an die Sternwarte Kiel:
fr. praha 53 + 751 21 19 10/20 — m. —
marstext besteht aus vier tschechischen
Vornamen: loizik ulian ianek alzbeta.
Mittags. — Sternwarte München drahtet:
erste Buchstaben fraglicher Namen er-
geben bayerischen Gruß.
Mit Recht bemerkt dazu das
Universitätszentralblatt:
„Bleibt auch die Sehnsucht der Erd-
völker nach einer dauernden Verständi-
gung mit den außerirdischen Vernunft-
wesen durch die illoyale Haltung der
letzteren (der Marsleute) unbefriedigt —
die Feststellung allein, daß letztere (die
Marsleute) eine auch den ersteren (den
Erdleuten) geläufige Zunge reden, wird
auf die Wissenschaft dieser (der Erd-
leute) von jenen (den Marsleuten) auf
Jahrhunderte hinaus befruchtend wirken.“