Zeichnung von Gerhard Holler
Gruß-Disziplin bei den Nazis
„Wat? Du Rotzlöffel willst ’n ollen Mann nicht grüßen, wo schonst
zwei Feme-Sachen gedreht hat?"
Der Musiksportler
In einer Chemnitzer nationalsozialistischen Zeitung stand kürzlich folgendes
Inserat :„JungerMannsuchtUnterrichtfürGeigeundKlavier.
Da unbegabt, energischer Lehrer notwendi g."
Die Journalisten fragen so oft begabte Musiker aus, warum soll man nicht auch
einmal einen unbegabten interviewen? Ich griff mir also den jungen Mann.
„Warum wollen Sie denn Musik treiben?“
„Nu, 's is wencher wechn der Kunsd als wechn Schbord."
„Wegen Sport?”
„Nu glaar, meine Freinde, die dreim ooch alle Musiggschbord. Eeener blesd
Fleede, eener Drombede, un ich hab bisher de Lauge iewrgehabd. Da hammir awr
neingehauen! Chedn Sonndag gabs Gonzerd. De ganse Nachbarschafd hads'ch
beschwerd. Awr das war uns egal."
„Warum wollen Sie denn nicht bei der Pauke bleiben?"
„Nu, da is eener nei derzugekomm', der is nu noch wencher begabd als ich. Dar
verschdehd nu glei garnischd von Musigg. Dar muß nu an de Lauge nan, da
haddrsja bloß midn Lidmus ze dun. Un ich geh nu in de hehern Zweiche iewr."
„Treiben Sie Musiksport nur aus Leidenschaft?"
„Nee, das dun mir, weil mir nadzional sin."
..? r
„Der Hidler had doch gesaachd, dassde ganse Guldur verchudet is, 's Gonzerd-
lähm ooch — un da wolln mir nu dergechn an-.”
ErichGottgetreu.
Junger Mann von heute
Ich lebe allein, ohne Haus und Herd,
und neulich hat sich Frau Meyer beschwert
weil die jungen Mädchen doch hoffen!
Ich habe geknickt die Augen gesenkt,
aber heimlich gedacht: Was die Meyer sich denkt!
Und mich mit Frau Z. getroffen.
Ich bin keine Partie. Frau Meyer irrt.
Und die Kette, wenn sie nicht lang ist, klirrt.
Wir jungen Männer von heute
machen mehr von uns her als wir haben und sind.
Wir kennen doch andere Leute
mit Reihenhaus und mit Weib und Kind!
Und wir wohnen möbliert und essen Stamm,
doch dann sind wir per Auto auf dem Damm,
und wenn man uns dann so mit Auto sieht,
dann gibt es Kredit! Dann gibt es Kredit.
Und vielleicht ein Geschäft. Und bestimmt eine Frau.
Beim Reihenhaus scheinen die Lampen so grau!
Ein Weekend mit Zelt und mit Paddelboot
ist ganz nett. Doch ich weiß, was hinterher droht,
die Natur macht treu und bescheiden.
Dann liebt man sich plötzlich. Und rechnet aus:
es langt ja für zweie und Reihenhaus!
Wer paddelt, muß Liebe erleiden.
Man riskiert die Partie. Frau Meyer lacht.
Und im Neubaublock die Zentralheizung kracht.
Wir jungen Männer von heute
machen lieber mehr von uns her als wir sind.
Wir schätzen nur anderer Leute
Reihenhaus mit Weib und mit Kind.
Das Kind ruft uns Hellmuth und Günther und Gert
und wird von uns zum Geburtstag beschert.
— Und später? Wenn es uns Onkel nennt?
Frau Meyer uns streicht? Frau von X. nicht mehr kennt?
Der Mann von Frau Z. vielleicht triumphiert:
Man erhalte nur das, was man investiert?
Der Mann von Frau Z.! Er geht jetzt schon nicht aus.
Er schuftet für Kind und für Reihenhaus,
man möchte ihn Martha nennen.
Ich habe den besseren Teil erwählt
und Frau Z. von meinem Auto erzählt
und wie die Reklamen brennen
des Nachts in der Stadt. Frau Z. fuhr mit.
Frau Meyer ist bös und sagt Ehe zu Dritt.
Wir jungen Männer von heute
machen doch lieber mehr von uns her als wir sind.
Wir sind klüger als andere Leute
mit Reihenhaus und mit Weib und Kind.
Wir schlafen möbliert und auf Kanapee,
doch wir tanzen im Savoy zum Tee.
Wir reiten des Morgens rund um den Zoo
und danach erst den Schemel im Büro.
Dann sind wir für einen Blumenstrauß
des Abends bei Frau von X. zu Haus!
Herta Zerna
Gruß-Disziplin bei den Nazis
„Wat? Du Rotzlöffel willst ’n ollen Mann nicht grüßen, wo schonst
zwei Feme-Sachen gedreht hat?"
Der Musiksportler
In einer Chemnitzer nationalsozialistischen Zeitung stand kürzlich folgendes
Inserat :„JungerMannsuchtUnterrichtfürGeigeundKlavier.
Da unbegabt, energischer Lehrer notwendi g."
Die Journalisten fragen so oft begabte Musiker aus, warum soll man nicht auch
einmal einen unbegabten interviewen? Ich griff mir also den jungen Mann.
„Warum wollen Sie denn Musik treiben?“
„Nu, 's is wencher wechn der Kunsd als wechn Schbord."
„Wegen Sport?”
„Nu glaar, meine Freinde, die dreim ooch alle Musiggschbord. Eeener blesd
Fleede, eener Drombede, un ich hab bisher de Lauge iewrgehabd. Da hammir awr
neingehauen! Chedn Sonndag gabs Gonzerd. De ganse Nachbarschafd hads'ch
beschwerd. Awr das war uns egal."
„Warum wollen Sie denn nicht bei der Pauke bleiben?"
„Nu, da is eener nei derzugekomm', der is nu noch wencher begabd als ich. Dar
verschdehd nu glei garnischd von Musigg. Dar muß nu an de Lauge nan, da
haddrsja bloß midn Lidmus ze dun. Un ich geh nu in de hehern Zweiche iewr."
„Treiben Sie Musiksport nur aus Leidenschaft?"
„Nee, das dun mir, weil mir nadzional sin."
..? r
„Der Hidler had doch gesaachd, dassde ganse Guldur verchudet is, 's Gonzerd-
lähm ooch — un da wolln mir nu dergechn an-.”
ErichGottgetreu.
Junger Mann von heute
Ich lebe allein, ohne Haus und Herd,
und neulich hat sich Frau Meyer beschwert
weil die jungen Mädchen doch hoffen!
Ich habe geknickt die Augen gesenkt,
aber heimlich gedacht: Was die Meyer sich denkt!
Und mich mit Frau Z. getroffen.
Ich bin keine Partie. Frau Meyer irrt.
Und die Kette, wenn sie nicht lang ist, klirrt.
Wir jungen Männer von heute
machen mehr von uns her als wir haben und sind.
Wir kennen doch andere Leute
mit Reihenhaus und mit Weib und Kind!
Und wir wohnen möbliert und essen Stamm,
doch dann sind wir per Auto auf dem Damm,
und wenn man uns dann so mit Auto sieht,
dann gibt es Kredit! Dann gibt es Kredit.
Und vielleicht ein Geschäft. Und bestimmt eine Frau.
Beim Reihenhaus scheinen die Lampen so grau!
Ein Weekend mit Zelt und mit Paddelboot
ist ganz nett. Doch ich weiß, was hinterher droht,
die Natur macht treu und bescheiden.
Dann liebt man sich plötzlich. Und rechnet aus:
es langt ja für zweie und Reihenhaus!
Wer paddelt, muß Liebe erleiden.
Man riskiert die Partie. Frau Meyer lacht.
Und im Neubaublock die Zentralheizung kracht.
Wir jungen Männer von heute
machen lieber mehr von uns her als wir sind.
Wir schätzen nur anderer Leute
Reihenhaus mit Weib und mit Kind.
Das Kind ruft uns Hellmuth und Günther und Gert
und wird von uns zum Geburtstag beschert.
— Und später? Wenn es uns Onkel nennt?
Frau Meyer uns streicht? Frau von X. nicht mehr kennt?
Der Mann von Frau Z. vielleicht triumphiert:
Man erhalte nur das, was man investiert?
Der Mann von Frau Z.! Er geht jetzt schon nicht aus.
Er schuftet für Kind und für Reihenhaus,
man möchte ihn Martha nennen.
Ich habe den besseren Teil erwählt
und Frau Z. von meinem Auto erzählt
und wie die Reklamen brennen
des Nachts in der Stadt. Frau Z. fuhr mit.
Frau Meyer ist bös und sagt Ehe zu Dritt.
Wir jungen Männer von heute
machen doch lieber mehr von uns her als wir sind.
Wir sind klüger als andere Leute
mit Reihenhaus und mit Weib und Kind.
Wir schlafen möbliert und auf Kanapee,
doch wir tanzen im Savoy zum Tee.
Wir reiten des Morgens rund um den Zoo
und danach erst den Schemel im Büro.
Dann sind wir für einen Blumenstrauß
des Abends bei Frau von X. zu Haus!
Herta Zerna