Kleine Predigt für Schreihälse
Notwendig geworden und deshalb gehalten von Yorih
Wir woll’n euch mal etwas klar machen, euch, die ihr immerzu schreit:
„Wir sind die berufenen Hüter der großen, deutschen Vergangenheit,
Wir müssen Deutschland bewahren vor Chaos, Revolution, Sozialistengefahr" —
Haltet mal fünf Minuten den Mund, und wir machen euch etwas klar.
Da ist also Deutschland. Gelehrte haben's genauestens ermittelt:
Wo jetzt Stadt ist und Feld, hat einst Urkrampf die Erde geschüttelt,
Dann gingen Vulkane zur Ruh’, Urwälder wucherten wild,
Urschatten nächteten drin, von Urtierrufen durchschrillt-
Da kam der Urdeutsche. („Urdeutsch" — so nennt ihr euch gern).
Wer legte den Pfeil auf die Sehne, die Axt an die Bäume, ihr Herrn?
Wer wehrte dem Urtier, wer schaffte dem Urlicht Raum?
Wer schuf das Urieben . . .?
Der schaffende Mensch. Er hat uns dies Deutschland gegeben.
Urdeutsch waren unsere Ahnen. Die euren — kaum.
Dann: dann wurde gerodet, gepflügt, gehegt,
Gesät, geerntet, gebacken, gemeißelt, gesägt,
Dann ward das Erschoffne bewahrt gegen Tierfeind, Baumfeind und Menschen-
Sie werkten im Frieden vereint, sie sanken im Kampfe vereint. feind.
Jahrtausende gingen, die brachten Stahl, Dampf und elektrischen Strom.
Mauern schirmten die Leiber, Seelen schirmte der Dom.
Wer baute Mauer und Dom, schmiedete Stahl, bewachte den Strom und den Dampf?
Wer kämpfte, Leben hinopfernd, des Menschen ewigen Kampf?
Das ist die kapitalistische Welt!
Auszahlung der Wohlfahrtsunterstützung.
Paule steht Schlange. Als er endlich drankommt, fängt der Beamte an zu
meckern, es stimmt etwas nicht. Irgendein lumpiger Stempel fehlt.
Paule hat anderthalb Stunden umsonst gestanden. Nun kommt er in Wut:
„Goddvrdammijnochemal! Wääjn so ä lumbjn Schdempl! Awr wenn eener
bei uns zu zehn Jahren Zuchdhaus verurdeeld werd, da wird nich solche
Mährde gemachd. Da genüjd irjnd ä gleener Belasdungszeuje odr ä wagklijer
Indizjnbeweis — und hobbhobb is die Sache ferdij!"
Wer schlug sich heroisch in Schlachten? („Helden" — so nennt ihr euch gern.)
Noch der lichteste Geist entstieg dem dunkelen Schoße des Volkes, ihr Herrn!
Noch das Schwert des gewaltigsten Königs brauchte den Arm des Volks zwischen
Weichsel und Rhein.
Wer schützte des Landes Leben. . .?
Der schaffende Mensch. Er hat uns dies Deutschland gegeben.
Die Helden sind unsere Ahnen. Die euren — nein.
Unsere Ahnen traten heran, taten ihr Werk und legten sich sterben.
Ein jeder schuf sich das Seine. I h r wolltet's ererben.
Ihr tränket das Blut des Volkes. Ihr hieltet euch künstlich an Leben und Macht.
Ihr habt verzehrt und verherrscht, was wir erzeugt und vollbracht.
Nun steht ihr da und schreit eure Liebe zu Deutschland in jeden Wind.
Doch dies Land ist unsere Mutter — und ist zugleich unser Kind.
Wir hoben es aus dem Chaos. Wir wollen es führen zum Frieden der Welt.
Wir haben sein Feld zu beackern, denn wir — wir haben’s bestellt!
Darum gehört uns seine Zukunft — und seine Vergangenheit.
Die Zeit gehört uns — ihr aber gehörtet der Zeit.
Wir schrei'n unsre Liebe nicht aus. Wir dienen, schweigsam in Pflicht.
Durch wen wird dies Deutschland leben . . .?
Durch schaffende Menschen. Sie werden ihm Frieden geben.
Seine Zukunft sind unsere Kinder. Die euren — nicht!
Der Beamte zuckt die Achseln:
„Schon möjlich. Awr in Geldsachen gann mr ähmd nich vorsichdj genuch sein!"
★
Handel und Wandel
Der Ingenieur sagtes tolz:
„Der moderne Weltverkehr überwindet spielend Kontinente!"
„Dafür scheitert die moderne Weltwirtschaft an den Kontingenten!" entgegnete
der Skeptiker.
Jo Hanns Rösler: FdSCHing
Herrn Generaldirektor C. B. Dortmund:
Wir gestatten uns ergebenst darauf hinzuweisen,
daß wir für den kommenden Fasching eine
große Anzahl Vergnügungen auf Lager haben und
würden uns freuen, wenn Sie uns mit Ihrem
geschätzten Auftrag beehren. Hochachtungsvoll
Manager Marhom, Berlin.
Herrn Manager Marhom, Berlin:
Im Aufträge des Herrn Generaldirektor C. B.
Dortmund teilen wir Ihnen mit, daß Herr General-
direktor nicht abgeneigt wäre, am Faschings-
dienstag zwei Stunden bei Ihnen dem Vergnügen
zu obliegen. Es kommen jedoch nur beste Quali-
täten in Frage und bitten wir um Ihre Vorschläge.
Hochachtungsvoll
Privatsekretariat C. B. Dortmund.
Privatsekretariat C. B. Dortmund:
Wir danken Ihnen für ihren geschätzten Auftrag
und schlagen Ihnen gegen ein Pauschalhonorar
von Mark 300,— (in Buchstaben: Mark Drei-
hundert) als besonderes preiswertes Vergnügen
vor: Faschingstee für zehn Personen, drei männ-
lichen, sieben weiblichen Geschlechts, zwanzig
neuen Witzen, drei lauten Lachern, vier Zauber-
kunststücken, einen kleinen Schwips und einer
Beleuchtungsstörung in der zweiten Stunde von
zwanzig Minuten. Als Einlage haben wir während
der Lichtpause den bekannten Stimmungssänger
W. I. Sotraut verpflichtet. Ihrer gefl. Rückantwort
mit einer Anzahlung entgegensehend, begrüßen
wir Sie hochachtungsvoll.
Manager Marhom, Berlin.
(Auf einer Rede vor dem Kyffhäuser-Bund betonte Reichskanzler von
Schleicher, gegen Versailles polemisierend, das Recht des Freien, Waffen
tragen zu dürfen und lehnte ab, Deutschland als zweitklassig behandeln
zu lassen.
„Ja aber, Menschenskind, wie kamen Sie
denn überhaupt dazu, eine Waffe zu tragen?“
„Herr Rechtsanwalt, ick wollte ja man bloß
keen zweetklassiger Deutscher sind!“
Herrn Manager Marhom, Berlin:
Herr Generaldirektor C. B. Dortmund ist mit
Ihren Vorschlägen einverstanden, nur muß er
sich Vorbehalten, daß die drei beabsichtigten
Teilnehmer männlichen Geschlechts bereits die
fünfziger Jahre überschritten, die Teilnehmer
weiblichen Geschlechts die zwanziger Jahre noch
nicht erreicht haben. Eine Akontozahlung von
Mark 150,— (in Buchstaben Mark Hundert-
fünfzig) fügen wir diesem Schreiben in Scheck
auf Dortmund bei. Hochachtungsvoll
Privatsekretariat C. B. Dortmund.
Privatsekretariat C. B. Dortmund:
Wir bestätigen dankend den Eingang Ihrer Be-
stellung vom 10. c. und entnahmen dem Schreiben
Ihren Scheck. Ihre speziellen Wünsche werden
tunlichst berücksichtigt werden. Mengenabgabe
Vorbehalten. Hochachtungsvoll
Manager Marhom, Berlin.
Herrn Manager Marhom, Berlin:
Hierdurch teilen wir Ihnen mit, daß Herr General-
direktor C. B. Dortmund auf ihre weiteren
Offerten verzichtet, da Sie entgegen unserer
ausdrücklichen Anweisung die drei Teilnehmer
männlichen Geschlechts unter zwanzig, die sieben
Teilnehmer weiblichen Geschlechts über fünfzig
gestellt haben. Unter diesen Voraussetzungen
hätte Herr Generaldirektor den Fasching auch
im Kreise seiner Familie verleben können.
Hochachtungsvoll
Privatsekretariat C. B. Dortmund.
Privatsekretariat C. B. Dortmund:
Wir bitten den kleinen Irrtum gütigst zu ent-
schuldigen. Hochachtungsvoll
Manager Marhom, Berlin.
Notwendig geworden und deshalb gehalten von Yorih
Wir woll’n euch mal etwas klar machen, euch, die ihr immerzu schreit:
„Wir sind die berufenen Hüter der großen, deutschen Vergangenheit,
Wir müssen Deutschland bewahren vor Chaos, Revolution, Sozialistengefahr" —
Haltet mal fünf Minuten den Mund, und wir machen euch etwas klar.
Da ist also Deutschland. Gelehrte haben's genauestens ermittelt:
Wo jetzt Stadt ist und Feld, hat einst Urkrampf die Erde geschüttelt,
Dann gingen Vulkane zur Ruh’, Urwälder wucherten wild,
Urschatten nächteten drin, von Urtierrufen durchschrillt-
Da kam der Urdeutsche. („Urdeutsch" — so nennt ihr euch gern).
Wer legte den Pfeil auf die Sehne, die Axt an die Bäume, ihr Herrn?
Wer wehrte dem Urtier, wer schaffte dem Urlicht Raum?
Wer schuf das Urieben . . .?
Der schaffende Mensch. Er hat uns dies Deutschland gegeben.
Urdeutsch waren unsere Ahnen. Die euren — kaum.
Dann: dann wurde gerodet, gepflügt, gehegt,
Gesät, geerntet, gebacken, gemeißelt, gesägt,
Dann ward das Erschoffne bewahrt gegen Tierfeind, Baumfeind und Menschen-
Sie werkten im Frieden vereint, sie sanken im Kampfe vereint. feind.
Jahrtausende gingen, die brachten Stahl, Dampf und elektrischen Strom.
Mauern schirmten die Leiber, Seelen schirmte der Dom.
Wer baute Mauer und Dom, schmiedete Stahl, bewachte den Strom und den Dampf?
Wer kämpfte, Leben hinopfernd, des Menschen ewigen Kampf?
Das ist die kapitalistische Welt!
Auszahlung der Wohlfahrtsunterstützung.
Paule steht Schlange. Als er endlich drankommt, fängt der Beamte an zu
meckern, es stimmt etwas nicht. Irgendein lumpiger Stempel fehlt.
Paule hat anderthalb Stunden umsonst gestanden. Nun kommt er in Wut:
„Goddvrdammijnochemal! Wääjn so ä lumbjn Schdempl! Awr wenn eener
bei uns zu zehn Jahren Zuchdhaus verurdeeld werd, da wird nich solche
Mährde gemachd. Da genüjd irjnd ä gleener Belasdungszeuje odr ä wagklijer
Indizjnbeweis — und hobbhobb is die Sache ferdij!"
Wer schlug sich heroisch in Schlachten? („Helden" — so nennt ihr euch gern.)
Noch der lichteste Geist entstieg dem dunkelen Schoße des Volkes, ihr Herrn!
Noch das Schwert des gewaltigsten Königs brauchte den Arm des Volks zwischen
Weichsel und Rhein.
Wer schützte des Landes Leben. . .?
Der schaffende Mensch. Er hat uns dies Deutschland gegeben.
Die Helden sind unsere Ahnen. Die euren — nein.
Unsere Ahnen traten heran, taten ihr Werk und legten sich sterben.
Ein jeder schuf sich das Seine. I h r wolltet's ererben.
Ihr tränket das Blut des Volkes. Ihr hieltet euch künstlich an Leben und Macht.
Ihr habt verzehrt und verherrscht, was wir erzeugt und vollbracht.
Nun steht ihr da und schreit eure Liebe zu Deutschland in jeden Wind.
Doch dies Land ist unsere Mutter — und ist zugleich unser Kind.
Wir hoben es aus dem Chaos. Wir wollen es führen zum Frieden der Welt.
Wir haben sein Feld zu beackern, denn wir — wir haben’s bestellt!
Darum gehört uns seine Zukunft — und seine Vergangenheit.
Die Zeit gehört uns — ihr aber gehörtet der Zeit.
Wir schrei'n unsre Liebe nicht aus. Wir dienen, schweigsam in Pflicht.
Durch wen wird dies Deutschland leben . . .?
Durch schaffende Menschen. Sie werden ihm Frieden geben.
Seine Zukunft sind unsere Kinder. Die euren — nicht!
Der Beamte zuckt die Achseln:
„Schon möjlich. Awr in Geldsachen gann mr ähmd nich vorsichdj genuch sein!"
★
Handel und Wandel
Der Ingenieur sagtes tolz:
„Der moderne Weltverkehr überwindet spielend Kontinente!"
„Dafür scheitert die moderne Weltwirtschaft an den Kontingenten!" entgegnete
der Skeptiker.
Jo Hanns Rösler: FdSCHing
Herrn Generaldirektor C. B. Dortmund:
Wir gestatten uns ergebenst darauf hinzuweisen,
daß wir für den kommenden Fasching eine
große Anzahl Vergnügungen auf Lager haben und
würden uns freuen, wenn Sie uns mit Ihrem
geschätzten Auftrag beehren. Hochachtungsvoll
Manager Marhom, Berlin.
Herrn Manager Marhom, Berlin:
Im Aufträge des Herrn Generaldirektor C. B.
Dortmund teilen wir Ihnen mit, daß Herr General-
direktor nicht abgeneigt wäre, am Faschings-
dienstag zwei Stunden bei Ihnen dem Vergnügen
zu obliegen. Es kommen jedoch nur beste Quali-
täten in Frage und bitten wir um Ihre Vorschläge.
Hochachtungsvoll
Privatsekretariat C. B. Dortmund.
Privatsekretariat C. B. Dortmund:
Wir danken Ihnen für ihren geschätzten Auftrag
und schlagen Ihnen gegen ein Pauschalhonorar
von Mark 300,— (in Buchstaben: Mark Drei-
hundert) als besonderes preiswertes Vergnügen
vor: Faschingstee für zehn Personen, drei männ-
lichen, sieben weiblichen Geschlechts, zwanzig
neuen Witzen, drei lauten Lachern, vier Zauber-
kunststücken, einen kleinen Schwips und einer
Beleuchtungsstörung in der zweiten Stunde von
zwanzig Minuten. Als Einlage haben wir während
der Lichtpause den bekannten Stimmungssänger
W. I. Sotraut verpflichtet. Ihrer gefl. Rückantwort
mit einer Anzahlung entgegensehend, begrüßen
wir Sie hochachtungsvoll.
Manager Marhom, Berlin.
(Auf einer Rede vor dem Kyffhäuser-Bund betonte Reichskanzler von
Schleicher, gegen Versailles polemisierend, das Recht des Freien, Waffen
tragen zu dürfen und lehnte ab, Deutschland als zweitklassig behandeln
zu lassen.
„Ja aber, Menschenskind, wie kamen Sie
denn überhaupt dazu, eine Waffe zu tragen?“
„Herr Rechtsanwalt, ick wollte ja man bloß
keen zweetklassiger Deutscher sind!“
Herrn Manager Marhom, Berlin:
Herr Generaldirektor C. B. Dortmund ist mit
Ihren Vorschlägen einverstanden, nur muß er
sich Vorbehalten, daß die drei beabsichtigten
Teilnehmer männlichen Geschlechts bereits die
fünfziger Jahre überschritten, die Teilnehmer
weiblichen Geschlechts die zwanziger Jahre noch
nicht erreicht haben. Eine Akontozahlung von
Mark 150,— (in Buchstaben Mark Hundert-
fünfzig) fügen wir diesem Schreiben in Scheck
auf Dortmund bei. Hochachtungsvoll
Privatsekretariat C. B. Dortmund.
Privatsekretariat C. B. Dortmund:
Wir bestätigen dankend den Eingang Ihrer Be-
stellung vom 10. c. und entnahmen dem Schreiben
Ihren Scheck. Ihre speziellen Wünsche werden
tunlichst berücksichtigt werden. Mengenabgabe
Vorbehalten. Hochachtungsvoll
Manager Marhom, Berlin.
Herrn Manager Marhom, Berlin:
Hierdurch teilen wir Ihnen mit, daß Herr General-
direktor C. B. Dortmund auf ihre weiteren
Offerten verzichtet, da Sie entgegen unserer
ausdrücklichen Anweisung die drei Teilnehmer
männlichen Geschlechts unter zwanzig, die sieben
Teilnehmer weiblichen Geschlechts über fünfzig
gestellt haben. Unter diesen Voraussetzungen
hätte Herr Generaldirektor den Fasching auch
im Kreise seiner Familie verleben können.
Hochachtungsvoll
Privatsekretariat C. B. Dortmund.
Privatsekretariat C. B. Dortmund:
Wir bitten den kleinen Irrtum gütigst zu ent-
schuldigen. Hochachtungsvoll
Manager Marhom, Berlin.