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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 54.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.8269#0085
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Die edlen Ritter

Es hat einen deutschen Edelmann gegeben, der hieß Ulrich
von Hutten und focht wider Fürsten und Pfaffen, bis er in
schmählicher Verbannung starb — und es ist überliefert,
daß sein Wahlspruoh hieß: „Die Wahrheit muß herfür!"

Die Zeiten haben sich gewandelt. Aber die Edelleute sind
geblieben. Aus den Ritterburgen sind Rittergüter geworden,
statt in reisigen Haufen mit Knappen und Troß, versammeln
sich die Herren im Landbund, und statt der Lanzen, mit
denen sie ehemals kämpften, bevorzugen sie die Mistgabel
und den Füllfederhalter. Aber immer noch lautet ihr Wahl-
spruch: „Die Wahrheit muß herfür!"

Wie sehr ihnen die Wahrheit am Herzen liegt, haben die
landbündlerischen Grafen, Freiherrn und Edelleute durch ihr
großes Manifest bewiesen, in dem sie der Industrie offen vor
allem Volke sagen, was sie von ihr halten. Daß alles Sinnen,
Trachten und Treiben der Industriekommandanten kein
anderes Motiv habe als schäbige Geldbeutelinteressen. Daß
die vielgerühmte Wirtschaftspolitik der Herren Wirtschafts-
führer übelster Eigennutz sei. Und daß die Gewalthaber der
Hütten und Zechen und Direktionsbüros die hohe Reichs-
regierung zum Handlanger ihrer Geschäfte erniedrigen. Mann-
hafte, trotzige, redliche Worte von ritterlicher Kühnheit!

Die Edlen vom Landbund haben nach mutiger Kämpfersitte
die Gefahr für nichts geachtet. Sie haben die Gnade mäch-
tiger Regenten, deren sie sich seit langem rühmen durften,
furchtlos aufs Spiel gesetzt. Sie haben keine Bedenken ge-
tragen, ihren guten Ruf als vornehme und höfliche Weltleute
zu verdüstern. Sie haben mit der Leidenschaft gerechten
Zornes gesagt, was ihnen auf der Seele brannte. Darum
lasset uns diese Edlen rühmen, preisen und bewundern.

Freilich gibt es, so betrüblich es ist, auch hier wieder Leute,
die das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den
Staub zu ziehen belieben. Diesen Leuten muß mit aller Deut-
lichkeit gesagt werden, daß sie ein gar frevelhaftes und
wahrhaft würdeloses Spiel treiben. Und obwohl es kaum
der Mühe wert ist, sich mit solchen Schwärzern und Staub-
herabziehern auseinanderzusetzen, so soll es doch geschehen,
Weil der Wahrheit gesteuert werden muß.

Die Leute, von denen die Rede ist, behaupten nämlich, daß
die edlen und streitbaren Landbundritter die Industrie nur
deshalb beschimpfen, weil die Industrie dasselbe tue wie die
edlen Ritter. Die Industrieherren denken an ihren Geld-
beutel und wollen mit dem In- und Ausland Geschäfte
machen. Die Gutsherren denken ebenfalls an ihren Geld-
beutel und wollen ohne das Ausland, das ihnen ihre schönen
Preise verdirbt, Geschäfte machen. Und nur, weil die einen
den andern das Geschäft nicht gönnen, streiten sie sich. Aber
ahnen denn die Leute, die das behaupten, den gewaltigen
Unterschied nicht, der zwischen Industrie und Grundbesitz
besteht? Wissen sie wirklich noch immer nicht, daß die Ge-
schäfte der Grundbesitzer keine gewöhnlichen Geschäfte,
sondern nationale Notwendigkeiten sind, und daß ihre Geld-
beutel keine gewöhnlichen Geldbeutel, sondern Altäre des
Vaterlandes sind, auf denen das Volk opfern muß?

Ebenso darf man auch den grundsätzlichen Unterschied
zwischen den einheimischen Gutsherren und den ausländi-
schen Lieferanten nicht vergessen. Wenn der einheimische
Gutsherr zu hohen Preisen schlechte Ware liefert, dann ist
das Volksernährung, — wenn aber der Ausländer zu
niedrigen Preisen bessere Ware liefert, dann ist das gewinn-
süchtige Spekulation und verächtliches Konkurrenzmanöver.

So unglaublich es klingt, man macht hier und da den Land-
bundrittern den Vorwurf, daß sie sich von dem ausgehun-
gerten Volke ihre Schulden bezahlen lassen und daß nicht
einmal die größten Bankerotteure unter ihnen bereit waren,
ihren Besitz für Siedlungszwecke herzugeben. Ja, sieht
man denn nicht ein, daß die deutsche Landwirtschaft ohne
Großagrarier gar nicht existieren könnte, weil die Groß-
agrarier und die deutsche Landwirtschaft ein und dasselbe
sind? Es gibt ja einen ganz klaren Beweis dafür. Von den
vielen Millionen, die das Volk für die Sanierung der deut-
schen Landwirtschaft geopfert hat, haben weder die Land-
arbeiter noch die Siedler, noch die Bauern, sondern eben nur
die Großagrarier etwas bekommen, — woraus deutlich
hervorgeht, daß sie die deutsche Landwirtschaft sind.

Wer sich darüber beklagt, daß diese Art Landwirtschaft uns
teuer zu stehen kommt, der möge sich schämen, daß er von
seinen Geldbeutelinteressen nicht loskommt. Wir wollen
uns ein Beispiel an den Landbundrittern nehmen, die nicht an
ihre Interessen, sondern höchstens an ihre Belange denken.
Darum lasset uns diese Edlen rühmen, preisen und bewun-
dern, bis dereinst . . . bis demnächst keine Gelegenheit dazu
mehr ist! q_g

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„Hm ... Er liegt mir zu den Füßen, als wär's ein Stück von mir!"

/Nicht doch, Herr Reichspräsident! Er ist ein Stück von mir!"
 
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