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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 54.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.8269#0105
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Die Doppelgänger

Von Hans Bauer

Das ist eine Geschichte von zwei Doppel-
gärigerpaaren, Ich will sie so einfach er-
zählen wie das möglich ist. Aber sie
bleibt noch kompliziert genug und läuft
fast auf eine Denkaufgabe hinaus.

Herr Stein hat einen Doppelgänger
namens Bein.

Herr Bausch hat einen Doppelgänger
namens Bogen.

Herr Stein und Herr Bausch, die Nicht-
Doppelgänger, kennen sich. Aber nur so
obenhin von einem Vereinsvergnügen
her. Sie grüßen sich auf der Straße und
das ist alles. Sie haben ein oberfläch-
liches Interesse aneinander.

Herr Bein und Herr Bogen hingegen, die
anderen Nicht-Doppelgänger, kennen sich
keineswegs.

Eines Tages sitzt Herr Bausch im Cafe
Zentral. Die Tür geht auf und Herr Bein,
den er so wenig kennt wie dieser ihn,
betritt das Lokal. Herr Bausch erhebt
sich von seinem Stuhl, geht Herrn Bein
entgegen und begrüßt ihn höflich.

Herr Bein weiß nicht, wie ihm geschieht
und erkundigt sich, mit wem er die
Ehre habe.

,,Aber Herr Stein“, sagt Bausch, „wir
haben uns auf dem Vergnügen des
Stenographenvereins „Geflügelte Feder"
kennengelernt und sind uns seither ge-
legentlich begegnet.“

„Stenographenverein ?‘ Ausgeschlossen!
Uebrigens heiße ich nicht Stein, sondern
Bein."

Herr Bausch wird nicht müde, sich über
die Aehnlichkeit zu wundern, die Herr
Bein mit seinem flüchtigen Bekannten
Stein habe, und das Resultat der Be-
gegnung ist dies, daß Herr Bausch und
Herr Bein sich als flüchtige Bekannte
betrachten, die sich auf der Straße
grüßen und ein oberflächliches Interesse
aneinander haben.

Aber nun weiter.

Eines Tages sitzt Herr Bein im Vorort-
zug und Herr Bogen steigt zu ihm ins
Coupe. Herr Bein hält ihn für Herrn
Bausch, lüftet seinen Hut und grüßt ver-
bindlich.

Herr Bogen ist befremdet und fragt, mit
wem er die Ehre habe.

Beim Eishockey auf dem Bauch

„Seh’n Se, Kaiserliche Hoheit, die Leute wissen, wie man
einen Thronfolger ehrt!“

„Ausgeschlossen. Ich bin jahrelang nicht
mit der Vorortbahn gefahren und ich
würde mich dieser Begegnung auch
erinnern.“

„Hören Sie mal, es dämmert mir etwas.
Ich soll einen Doppelgänger haben."
„Das würde erklären, daß ich Sie zu
kennen meine. Aber woher kennen Sie
mich?"

„Eben von der Vorortbahn.“

„Dann müßte ich ja auch einen Doppel-
gänger haben: in der Person Ihrer Be-
gegnung von der Vorortbahn.“

„Es wäre demnach so, daß ich Sie gar
nicht kenne und daß Sie mich nicht
kennen. Es kennen sich unsere Doppel-
gänger: aber wir kennen sie nicht. Es
kennt jedoch jeder von uns den Doppel-
gänger des andern ..."

„Herr Bausch, nun hab ichs aber satt.
Sagen Sie mir um alles in der Welt.:
Warum führen Sie diese Komödie hier
auf!"

Guter Rat

Sellerie stand und angelte. Stundenlang,
ohne was zu fangen.

Neben ihn hatte sich ein Mann nieder-
gelassen, der eine ganze Weile schwei-
gend zusah. Schließlich meinte er: „Darf
ich Ihnen einen guten Rat geben?"

Der schon dem Verzweifeln nahe Sellerie
nickte zustimmend.

„Na“, sagte der Mann, „sparen Sie sich
doch den Aerger. Nehmen Sie fünf
Groschen und gehen Sie in die Fisch-
küche!"

Tüchtig

Vor einiger Zeit wurde in einem kleinen
süddeutschen Ort eine Falschmünzer-
werkstatt ausgehoben. Die Kriminal-
polizei beschlagnahmte Werkzeuge und
Falsifikate und gab sie vorläufig, da die
Beamten beschleunigt zum Polizeipräsi-
dium der Landeshauptstadt zurück-
mußten, beim Gemeindevorsteher in Ver-
wahrung. Ein paar Tage später wurde
dieser aufgefordert, die Falsifikate im
Polizeipräsidium einzuliefern.

Noch am selben Abend lief beim Polizei-
präsidium folgendes Telegramm ein:

„Bin dienstlich verhindert persönlich zu
kommen. Habe das Geld telegraphisch
überwiesen.“

„Na, endlich hört der Blödsinn mit den
Moden mal auf!“

„Aber Herr Bausch! Erinnern Sie sich
nicht ans Caf6 Zentral?"

„Cafe Zentral? Ausgeschlossen! Uebri-
gens heiße ich nicht Bausch, sondern
Bogen.“

Herr Bein wird nicht müde, sich über die
Aehnlichkeit zu wundern, die Herr Bogen
mit Herrn Bausch habe. Es kommt dar-
über ein angeregtes Gespräch zustande
und das Resultat der Begegnung ist dies,
daß sich jetzt auch Herr Bein und Herr
Bogen als flüchtige Bekannte betrachten,
die sich auf der Straße grüßen und
ein oberflächliches Interesse aneinander
haben.

Aber nun beginnt die Sache toll zu
werden.

Eines Tages wandelt Herr Bogen im
Foyer eines Theaters, als er, der
Doppelgänger Bauschs, den Doppel-
gänger Beins, Herrn Stein sieht. Er
nickt freundlich und geht auf Herrn
Stein zu. Herr Stein erwidert das Nicken
und geht auf Herrn Bogen zu.

Zunächst unterhalten sich die beiden
über das Stück. Dann fragt Herr Stein
Herrn Bogen, wie es im Stenographen-
verein aussehe. Er habe die Fühlung
zum Verein einigermaßen verloren.
„Stenographenverein?" fragt Herr Bogen.
„Aber Herr Bausch: Der Stenographen-
verein „Geflügelte Feder“.

Warum nennen Sie mich Bausch, Herr
Bein? Ich heiße Bogen!“

„Warum nennen Sie mich Bein? Ich
heiße Stein! Uebrigens: Wenn wir uns
nicht aus dem Stenographenverein
kennen: Woher denn kennen Sie mich?“
„Von der Vorortbahn. Wir sind seiner-
zeit ein Stück miteinander gefahren."
 
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