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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 48 (27. November)
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27. NOVEMBER 1932

VI. JAHRGANG, Nr. 48

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ART^eWORLD

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

N5T
LMONDEffeAKES

DAS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
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WERTHEIM - BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lützow 4512

AMERIKANISCHE MUSEUMS-POLITIK

Professor Paul Sachs (New York)
sprach im Courtauld Institute in London über
amerikanische Museumspolitik. Es traten da-
bei verschiedene Gesichtspunkte und Tatsachen
heraus, die von den europäischen abweichen,
und daher von Interesse sind. Als erstes die
Einstellung der Universität zum Museum, die
Erziehung des Museumsbeamten. In dieser
wie in manch anderer Hinsicht spielt Har-
vard University mit dem Fogg Art Museum,
das seine Entwicklung den gemeinsamen Be-
mühungen von Prof. Sachs und Edward For-
bes verdankt, die Rolle des Pioniers. Praxis
und Wissenschaft werden hier in vorbildlicher
Weise zusammen gepflegt. In Uebereinstim-
mung damit, daß diejenigen, welche sich dem
kunstgeschichtlichen Studium widmen, mei-
stenteils entweder die Laufbahn eines Mu-
seumsbeamten oder eines Universitätslehrers
aufzunehmen beabsichtigen, haben Sachs und
Forbes ihr Institut aufgebaut. Parallel mit
den historischen Kursen geht ein obligatori-
scher Zeichen- und Malunterricht, die Beschäf-
tigung mit alten technischen Traktaten, der
Aufbau von den Studenten selbst durchge-
führter Ausstellungen. 1925 hat das Fogg
Art Museum seinen neuen Bau erhalten, der
in der Disposition Ausdruck der Ideale seiner
Leiter ist. Obgleich Universitätsmuseum, will
es doch nichts weniger als exklusiv sein; dem
Wissenden ist es Pflicht, die anderen zum Ge-
nuß der Freuden, zu denen ihn seine Arbeit
führte, heranzuziehen. So sind die Front-
räume der ersten beiden Stockwerke für die
öffentliche Aufstellung der besten Stücke der
Sammlung bestimmt; daran schließen sich
die Studiengalerien an. Die Methode, wie die
Bilder hier magaziniert sind, ist vorbildlich.
Längs der Decke und des Fußbodens laufen
Schienen quer durch den Raum, an ihnen sind
zum Aufhängen der Bilder hohe Drahtwände
befestigt, die etwa halb so breit wie die Gale-
rie sind. Sie lassen sich leicht herausschieben,
und so auf verhältnismäßig kleinem Raum eine
große Menge Gemälde übersichtlich unter-
bringen. Zwei Säle stehen für gewöhnlich
leer, sie sind den periodischen Ausstellungen
Vorbehalten, in denen alles, von der Zusam-
menbringung der Werke selbst ■— Leihgaben
von den verschiedensten Seiten — bis auf den
Katalog von den Studenten arrangiert wird.
Damit ist den zukünftigen Museumsleitern
eine einzigartige Gelegenheit gegeben, zu ler-
nen und ihre Fähigkeiten zu zeigen. Im übri-
gen ist es auch die Politik der eigentlichen
Museumsverwaltung, ständig Leihgaben aus
Privatbesitz und aus dem Handel herbei-
ziehen, und so das Museum sowohl für das
Publikum wie für seine Organisatoren nie un-
interessant werden zu lassen. Das ist sozu-
sagen die Schauseite des Fogg Institutes, die
andere wurde bereits erwähnt: sie entspringt
der Initiative von Edward Forbes. Wer sich
mit Kunstwerken beschäftigt, muß vor allem
eine Ahnung von den Materialien haben, aus
denen sie sich zusammensetzen, von den Me-
thoden ihrer Herstellung, und nur der eigene
Versuch wird etwas lehren können. Darum
Wird der Student angehalten, zu zeichnen, zu
hialen, die alten Rezepte auszuprobieren, Ko-
pien anzufertigen. Und das Laboratorium des
Museums hat sich zu einer wichtigen For-

schungsstätte auf dem Gebiete der Präser-
vierung alter Kunstwerke entwickelt. So ist
dort z. B. die Methode, Fresken am Fundorte
auf Leinwand zu übertragen, ausgearbeitet
worden. Es ist begreiflich, daß in diesem
Kreise auch den neuesten Methoden der Ge-
mäldeforschung mit Hilfe der Roentgenphoto-
graphie große Bedeutung beigemessen wird:

Staaten durch die Sachlichkeit seiner Aufstel-
lung. Prof. Sachs wandte sich scharf gegen
die Stilräume (period-rooms), die in fast allen
amerikanischen Museen die Hauptattraktion
ausmachen. Das Problem ist mehr amerika-
nisch als europäisch. Bei uns geht die aktuelle
Frage eher um die Entscheidung für oder
gegen eine Formtypen-Aufstellung im Sinne


Hubert Robert, Italienische Landschaft
Leinwand — 136: 91 cm. — Kat-Nr. 148
Versteigerung — Vente — Sale:
Aus einer fürstlichen Sammlung Mitteldeutschlands: H. Ball und P. Graupe
Berlin. 10. Dezember 1932

es ist ein Archiv solcher Aufnahmen angelegt
worden, das bereits 2000 Platten enthält.
Ueberhaupt wird der Photographie in einem
Museum wie diesem, das in engster Verbin-
dung mit dem Universitätsbetrieb steht, natür-
lich eine wichtige Rolle eingeräumt: diese Ab-
teilung besteht heute schon aus 100 000 vor-
bildlich beschrifteten Photos und nicht viel
weniger Diapositiven.
In gewissem Sinne revolutionär wirkt das
Fogg Art Museum innerhalb der Vereinigten

von With’s neuem Kölner Unternehmen. Die
amerikanische Entwicklung steht naturgemäß
auf einer früheren Stufe. Einerseits mögen
es dekorativ-sentimentale Gründe sein, die ein
zeitgemäßes Milieu, in dem das einzelne Stück
mehr oder weniger die Rolle eines Choristen
spielt, der isolierten Aufstellung um der
Schönheit des Stückes selbst willen vorziehen.
Eine Karikatur auf diese Tendenz stellen das
Gardner Museum in Boston mit seiner die ver-
schiedensten Epochen repräsentierenden Ar-

chitektur' und der Raum mit den Yade-Arbei-
ten des Bishop-Vermächtnisses im Metropoli-
tan-Museum dar. Diese Kollektion ging vor
nun etwa 30 Jahren an das Museum unter der
Bedingung über, daß sie in einem Saale auf-
gestellt würde, der genau dem Ballraum im
Hause seines früheren Besitzers nachzubilden
sei. Andererseits ist die Vorliebe für das
„Milieu“ jedoch sicherlich darauf zurückzu-
führen, daß das amerikanische Publikum eben
viel seltener als wir die Möglichkeit hat, alte
Bauten kennenzulernen, und selbst das „sach-
liche“ Fogg-Museum ist dabei, sich einen Hof
zu bauen, der dem der Villa des St. Gallo in
Montepulziano nachgebildet ist.
Die besondere Note, die die Sammlungen
dieses Museums heute zeigen, mit Bevor-
zugung der Trecento-Malerei, romanischer
Plastik, ostasiatischer Kunst und der graphi-
schen Künste, begründet Prof. Sachs mit
nichts anderem als der einfachen Tatsache,
daß dies die Spezialgebiete der in Harvard
wirkenden Kunstgelehrten seien; eine jüngere
Generation mit vielleicht anderen Forschungs-
interessen würde in der Zukunft schon dafür
sorgen, daß sich jener Kreis erweitere.
Das Fogg Art Museum bildete den Mittel-
punkt der Vortragsreihe. Im übrigen konnten
von den 1400 Museen der Vereinigten Staaten
naturgemäß nur die wichtigsten Kunstmuseen
in bezug auf ihre Entwicklung und Ziele ge-
streift werden. Es war ein summarischer
Ueberblick, der von der im Jahre 1773 gegrün-
deten ersten öffentlichen Sammlung in Char-
leston (Carolina) bis zu der neuesten Erwer-
bung des Metropolitan-Museums führte, einer
hochbedeutenden griechisch - archaischen
stehenden Apollo-Figur (um 600 v. Chr.), von
der Prof. Sachs die bisher noch nicht ver-
öffentlichte Aufnahme zeigte (s. Abb. Nr. 46).
Boston trat in dieser Folge als die Samm-
lung mit den markantesten Zügen heraus. Und
was der Vortragende hierüber zu sagen hatte,
ist bezeichnend für die scheinbar spezifisch
amerikanische Situation. Im allgemeinen
sähen die amerikanischen Museen ihre Auf-
gabe darin, Lehrinstitute zu sein. Das einzelne
Kunstwerk sei Beispiel, Beispiel für eine Zeit,
eine Technik, ein Land, einen Meister. Boston
aber geht von anderen Prämissen aus: ihm
scheint die Macht des Museums als Erzieher
mehr oder weniger darauf beschränkt, aus-
wählend zu sammeln. Denn das wirklich Große
steht jenseits historischer Bindung, und seine
wirkungsvollen Kräfte werden schon von Denen
begriffen werden, die es mit den Augen zu
erkennen suchen. Ein solch aristokratischer
Standpunkt, getragen von einer Auffassung
der l’art pour Part, darf in dem klassischen
Land der Heilsarmee und des greifbaren
Zweckes in der Tat fast revolutionär genannt
werden; mag sein, daß das Fremde an ihm
auch nur das Europäische ist.
Eine ungemein lebendige Illustration der
Energie, mit der drüben an den Aufbau
neuer Museen herangegangen wird, gaben
Aufnahmen derselben Institute sozusagen vor
und nach der Geburt. Die Monumentalität der
Bauten in Cansas City, Cleveland, Cincinnati,
St. Louis, Hartford usw. entspricht zwar in
vielen Fällen nicht der Bedeutung dessen, was
sie beherbergen, aber dieses Uebermaß des
Rahmens ist doch für die amerikanische Lage
sehr charakteristisch. Optimismus und jugend-
licher Eifer sollten uns Vorbild sein, aber ■—
und diese Ermahnung hat um so mehr Ge-
wicht, als sie von einem Manne wie Prof. Sachs
kommt, der wie wenige die Verhältnisse der
alten und der neuen Welt kennt — es wäre un-

BRUNNER OA^ERV NEW-YORK
55, East 57th Street
 
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