6. Kunst.
I.
Ludwig Richter kommt in seiner Selbstbiographie wiederholt
auf Geßner als Künstler zu sprechen. Er lernte ihn früh kennen
und hörte nie aus, sein Freund zu sein. „Die landschaftliche Natur-
auffassung Salomon Geßners, sagt er, und damit Chodowieckis
schlichte, innerlichst wahre Darstellung der Menschen seiner Zeit
sind doch mit sehr wenig Ausnahmen das Einzige, was man noch
von den Kunstschöpsungen jener Periode genießen kann; ihr Talent
brachte deshalb Lebendiges hervor, weil sie die Dinge, die sie
schilderten, innerlich erlebt und mit leiblichen Augen gesehen hatten,
während Andere konventionellen Kunstregeln folgten."
Geßner und Chodowiecki waren Autodidakten. Diesen reizten
die Menschen, jenen die Landschaft zur Darstellung. Aber keiner
brachte einen fertigen Stil mit, eine feste Formel, den Stoff zu
fassen; jeder mußte ganz von vorn anfangen, mühsam Zug um
Zug dem Objekt abzugewinncn suchen. Was sie zum künstlerischen
Ausdruck trieb, war eine wahre Empfindung; sie malten, weil
sie etwas zu sagen hatten; das innerliche Erleben und das Schauen
mit leiblichen Augen, das macht ihre Größe.
Die modische Landschaft der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts hat einen italienisireuden Charakter. Claude Lorrain
und Salvator Rosa sind die meist uachgeahmten Muster, nur
daß des letztem wilde Kühnheit etwas gedämpft und die hohe
I.
Ludwig Richter kommt in seiner Selbstbiographie wiederholt
auf Geßner als Künstler zu sprechen. Er lernte ihn früh kennen
und hörte nie aus, sein Freund zu sein. „Die landschaftliche Natur-
auffassung Salomon Geßners, sagt er, und damit Chodowieckis
schlichte, innerlichst wahre Darstellung der Menschen seiner Zeit
sind doch mit sehr wenig Ausnahmen das Einzige, was man noch
von den Kunstschöpsungen jener Periode genießen kann; ihr Talent
brachte deshalb Lebendiges hervor, weil sie die Dinge, die sie
schilderten, innerlich erlebt und mit leiblichen Augen gesehen hatten,
während Andere konventionellen Kunstregeln folgten."
Geßner und Chodowiecki waren Autodidakten. Diesen reizten
die Menschen, jenen die Landschaft zur Darstellung. Aber keiner
brachte einen fertigen Stil mit, eine feste Formel, den Stoff zu
fassen; jeder mußte ganz von vorn anfangen, mühsam Zug um
Zug dem Objekt abzugewinncn suchen. Was sie zum künstlerischen
Ausdruck trieb, war eine wahre Empfindung; sie malten, weil
sie etwas zu sagen hatten; das innerliche Erleben und das Schauen
mit leiblichen Augen, das macht ihre Größe.
Die modische Landschaft der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts hat einen italienisireuden Charakter. Claude Lorrain
und Salvator Rosa sind die meist uachgeahmten Muster, nur
daß des letztem wilde Kühnheit etwas gedämpft und die hohe



