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Wölfflin, Heinrich [Hrsg.]; Johannes <Evangelist> [Hrsg.]
Die Bamberger Apokalypse: eine Reichenauer Bilderhandschrift vom Jahre "1000" — München, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.27911#0017
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viel schärfer und folgerichtiger ausgebildet: ein Flachstil mit gesteigerter Stoßkraft der
starren Linie. 9 Das läßt sich bis in die Initialen hinein klar nachweisen.

Den Beweis muß ich hier schuldig bleiben. Die Sache hat auch für das Verständnis
der Apokalypse keine unmittelbare Bedeutung und wenn sie überhaupt zur Sprache gebracht
wird, so geschieht es nur darum, um anzudeuten, was für Schlüsse für die Datierung aus
diesem Verhältnis gezogen werden können.

Der Codex stammt, wie bekannt, aus dem Kollegiatstift von St. Stephan und war ein
Geschenk Heinrich II. Die Kirche von St. Stephan wurde 1020 geweiht, doch gibt dieses
Datum höchstens einen terminus ante quem. Ein terminus post quem wird geliefert durch
den Regierungsantritt Heinrich II. (1002). Chroust (a. a. O.) ist weitergegangen und bestimmt
den Anfangstermin auf 1007, weil die Heiligen Petrus und Paulus im Huldigungsbild 51 bereits
auf die Errichtung des Bistums Bamberg Bezug nähmen. Die Grenzen ließen sich aber noch
mehr einengen, sagt er, wenn das Verhältnis zum Perikopenbuch Heinrich II. (Cim. 57) be-
stimmbar wäre, das sicher vor 1014 entstanden ist. Er selbst wagt hier kein bestimmtes
Urteil und glaubt nur, statt der behaupteten Priorität von Cim. 57 ein ungefähr gleichzeitiges
Datum für die Apokalypse annehmen zu sollen. Wenn sich nun aber das Perikopenbuch als
die unbedingt spätere Arbeit erweisen läßt und aus Stilgründen ein Abstand von einigen
Jahren angenommen werden muß, so gewinnen wir für unsern Codex ein ziemlich genaues
Datum. Er gehört in das erste Jahrzehnt des XI. Jahrhunderts, genauer — falls der terminus
1007 als verbindlich anerkannt wird — in die letzten Jahre des Jahrzehnts.* 2)

Ich stehe nicht an, der Münchner Handschrift Cim. 57 den Ruhm einer gewissen
Klassizität des zur vollen Reife gediehenen Stils zuzuerkennen, die Apokalypse aber hat den
Vorzug, gerade weil sie das jüngere Werk ist, eine Frische und Wärme zu besitzen, die
später nicht mehr vorhanden sind. Freilich, von einem umfassenderen Standpunkt aus er-
scheint auch die Klassizität von Cim. 57 als unhaltbarer Begriff; nicht weil das Flächige an
sich nicht klassisch sein könnte, sondern weil das Prinzip der Flächigkeit doch auch hier
noch nicht in alle seine Konsequenzen hinein verfolgt ist. Erst das hohe Mittelalter — mit
einem neuen Form- und Naturgefühl — ist die Zeit der reinen Fläche und der reinen Linie.

!) Die Darstellung des Weltgerichts, das sehr ähnlich wie in der Apokalypse, nur auf zwei Seiten ver-
teilt, in Cim. 57 vorkommt, hat Vöge Anlaß gegeben das Zeitverhältnis in besagtem Sinne zu bestimmen. Schon
Chroust aber (a. a. O.) hat die Beweisführung nicht zwingend gefunden.

2) Durch diese Feststellung des stilistischen Verhältnisses erledigt sich auch der — an sich berechtigte —
Einwurf, daß die Widmungsinschrift des Einbands nicht ohne weiteres für die Entstehungszeit der Handschrift
selbst verwertet werden könne.

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