Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Dann der alleredelst Sinn
der Menschen ist Sehen.
Dürer nach der Antike.

LEBENSGESCHICHTE

Was zufällig als erste künstlerische Äußerung Dürers erhalten blieb, ist ein
Selbstbildnis: der Knabe im Alter von dreizehn Jahren; mit dem Silberstift
gezeichnet, in feinen vorsichtigen Linien. Alles, was feste Form ist, enthält
bereits die Bildung, die wir aus den späteren Bildnissen kennen, und das
Individuelle spricht schon mit merkwürdiger Bestimmtheit. Nur das Auge hat einen un-
wahren Blick. Im Ganzen aber des fein organisierten Kopfes liegt eine eigentümliche
Spannung, und man mag leicht versucht sein, mehr darin zu sehen als die Spannung
des Modells vor dem Spiegel: etwas von jenem staunenden Erwarten, mit dem das Genie
den Eindriicken der Welt entgegengeht.

Dieser Knabe ist am 21. Mai 1471 in Nürnberg zur Welt gekommen, in einem Hinter-
haus als Kind eines armen Goldschmieds. Zwei Kinder waren schon da und fiinfzehn
sollten noch folgen. Der Vater war seinerzeit aus Ungarn eingewandert und hatte als
Vierziger die Tochter seines ehemaligen Meisters, ein blutjunges Niirnberger Mädchen,
zur Frau bekommen.

Wir kennen ihn. Der junge Diirer hat ihn zweimal gemalt und dazu in seiner Familien-
chronik noch einen Text geschrieben: wie er ein Mann von wenig Worten gewesen sei,
streng rechtlich und tiichtig in seinem Handwerk, ein Mann, der sich zeitlebens schwer
habe plagen müssen, und wo die Kinder aufwuchsen in harter christlicher Zucht. Al-
brecht war sein besonderer Liebling.

Die Mutter, die einst ein liebliches Mädchen war (eine ,,hübsche gerade Jungfrau“
nennt sie Dürer), ist uns nur durch eine Zeichnung aus ihrer spätesten Lebenszeit be-
kannt, jene unvergleichliche große Kohlezeichnung, die der Sohn kurz vor ihrem Tode
machte, 1514. Er hatte sie, nachdem sie Witwe geworden, zu sich genommen. Sie ging
kaum mehr aus, nur in die Kirche. Auch die andern ermahnte sie dazu, und ihre ständige
Rede war: ,,Geh im Namen Jesu Christi.“ Jene Zeichnung ist das Bild eines Weibes,
das, von vielen Geburten erschöpft, in Not und Arbeit sich völlig aufgezehrt hat, und das
verschrumpfte Gesicht mit den schielenden vortretenden Augen hat etwas Dumpfes und
Hoffnungsloses, das fast erschreckend wirkt.

Das sind die Eltern. Pate war Anton Koberger, der berühmte Buchdrucker und Ver-
leger.

Nachdem der Knabe in der Schule das Lesen und Schreiben gelernt hatte, war es selbst-
verständlich, daß er beim Vater in die Lehre ging und er war schon fast ein ausgelernter
Goldschmied, als er inne wurde, er müsse Maler werden. Ohne Kampf ging es nicht
 
Annotationen