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VIII.

DIE KLARHEIT UND DER GEGENSTAND
v DER KUNST

Schaubarkeit und Sachlichkeit

Die italienische Kunst, in Nachfolge der antiken, besitzt in beson-
derem Maße den Willen zur Schaubarkeit. Architektur und Bild-
kunst halten sich in Formen, die dem Auge leicht eingehn.* Es ist
schon davon die Rede gewesen, wie der plastische Charakter der
Gestalten die klare Erscheinung mit sich führt, von andrer Seite
wird der Schaubarkeit durch das Einfach-Große Vorschub geleistet
und die reliefmäßige Darstellung ist ihrerseits diejenige Bildart, die
dem betrachtenden Auge am wenigsten Mühe verursacht.

Wenn somit der Begriff des Schaubaren im Zusammenhang unsrer
Darlegungen nichts Neues ist, so muß er nun doch noch einmal für
sich allein aufgenommen werden, insofern es für die italienische
Kunst eine Schönheit des Schaubaren gibt, die wir im Norden nicht
kennen, eine Schaubarkeit nicht nur als selbstverständliche Ver-
pflichtung dem Gegenstand gegenüber, sondern fast als Selbstzweck.
Die Italiener genießen die anschauliche Klarheit mit einem gleich-
sam sinnlichen Behagen und das Fehlen dieser Klarheit in der nor-
dischen Kunst wird immer wieder als unerträglich verurteilt.

Es gehört zum italienischen Leben, stundenlang an der piazza zu
sitzen und zu schauen. Dante und Ariost sind voll von Bildern, die
sich ganz deutlich dem Geiste darstellen. Die Phantasie ist von einer
gleichmäßig klaren Bildhaftigkeit und das Lob des Auges als des
edelsten Organs klingt von der Antike her durch die ganze Renais-
sance weiter. Ihr begeistertster Verkünder ist Lionardo gewesen.

Dürer hat dies Lob zwar wiederholt, allein der nordische Begriff
von Schaubarkeit ist in der Tat ein anderer als der südliche. Wie
unsere Kunst nur teilweise auf das Plastische sich eingestellt hat und
wie uns das Einfach-Große ebenso fremdartig bleibt wie der reine

Wölf fl in, Italien

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