Wir sind weitherzig geworden und suchen
jeder künstlerischen Äußerung, auch bei den
ganz primitiven und exotischen Kulturen, ge-
recht zu werden. Und das ist gewiß ein Fort-
schritt gegenüber einer Zeit, wo man die Dinge
nicht mit ihren eigenen, sondern mit fremden
Maßstäben maß. Auch sind damit (für den Ver-
ständigen) durchaus nicht alle Wertunterschei-
dungen aufgegeben. Es ist kein Verzicht auf
ästhetische Erkenntnis, wenn wir die „Rein-
heit“ Bramantes und den dumpfen Überschwang
altindischer Tempel, wenn wir Phidias und die
Kunst der nordisch-romanischen Kirchenbild-
hauer nebeneinander genießen. Wir glauben
auch hier noch an eine letzte Einheit. Nur haben
sich eben die Wertbegriffe in einer Weise subli-
miert, daß von der alten europäischen Schul-
ästhetik nicht mehr viel übriggeblieben ist.
*
Unter allen Kunstbüchern des XIX. Jahr-
hunderts hat wohl keines mehr augenöffnend
gewirkt als jener Cicerone, den Jacob Burck-
hardt als eine „Anleitung zum Genuß der
Kunstwerke Italiens“ geschrieben hat. Burck-
hardt besaß eine Neigung zu systematischer
Darstellung, aber hier spielt sie keine Rolle, und
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jeder künstlerischen Äußerung, auch bei den
ganz primitiven und exotischen Kulturen, ge-
recht zu werden. Und das ist gewiß ein Fort-
schritt gegenüber einer Zeit, wo man die Dinge
nicht mit ihren eigenen, sondern mit fremden
Maßstäben maß. Auch sind damit (für den Ver-
ständigen) durchaus nicht alle Wertunterschei-
dungen aufgegeben. Es ist kein Verzicht auf
ästhetische Erkenntnis, wenn wir die „Rein-
heit“ Bramantes und den dumpfen Überschwang
altindischer Tempel, wenn wir Phidias und die
Kunst der nordisch-romanischen Kirchenbild-
hauer nebeneinander genießen. Wir glauben
auch hier noch an eine letzte Einheit. Nur haben
sich eben die Wertbegriffe in einer Weise subli-
miert, daß von der alten europäischen Schul-
ästhetik nicht mehr viel übriggeblieben ist.
*
Unter allen Kunstbüchern des XIX. Jahr-
hunderts hat wohl keines mehr augenöffnend
gewirkt als jener Cicerone, den Jacob Burck-
hardt als eine „Anleitung zum Genuß der
Kunstwerke Italiens“ geschrieben hat. Burck-
hardt besaß eine Neigung zu systematischer
Darstellung, aber hier spielt sie keine Rolle, und
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