Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ANMERKUNGEN UND ZUSÄTZE

375


Zeichnung zur Andria, Akt II, Szene 3

findung, die den Betrachter auf die
Länge notwendig ermüdet. Wenn es er-
laubt ist, hier gleich schon eine kritische
Parallele einzuschalten: Wie viel an-
regender ist der landschaftliche Hinter-
grund der Berliner Marienzeichnung
(Abb. S. 52) oder der Wiener Europa als
irgend etwas im Terenz!
Wir wollen aber nicht mit allgemeinen
Qualitätsurteilen operieren. Lasse man
Stil gegen Stil sprechen. Was kann man
von Dürer zur Vergleichung heranzie-
hen? Eine Anzahl Zeichnungen, von de-
nen aber keine Holzschnittvorzeichnung
ist, und ein Holzschnitt (Hieronymus),
der aber eben nicht mehr Zeichnung,
sondern schon geschnitten ist. Das
scheint wenig, aber es erlaubt doch ein
Urteil nach zwei Seiten: erstens, daß
auch die freien Zeichnungen von dem
Holzschnitt nicht so weit abliegen, daß
man nicht unmittelbar den gemein-
samen Charakter fühlte, und zweitens,
daß der Holzschnitt von 1492 doch schon
in derselben Richtung sich bewegt wie
die Holzschnitte der Apokalypse fünf
Jahre später. Die Terenzfolge fällt aus
dem Zusammenhang heraus.

Mit vollem Rechte hat man auf die we-
sentlich andere Strichführung beim
Hieronymus hingewiesen: wie die kraft-
voll modellierende Linie mit immer neuer
Wendung der Form gerecht zu werden
versucht, so daß von demBlatte ein eigen-
tümlich starkes plastisches Leben aus-
geht. Das ist ein Unterschied, der von
der absoluten Größe unabhängig ist.
Wenn irgend etwas bezeichnend heißen
kann für dürerische Art, so ist es die
überall hervorscheinende leidenschaft-
liche Bemühung um das Plastische, das
er um jeden Preis wirksam zu machen
versucht. Der schönlinige Terenzzeich-
ner, der mit dem Linienmaterial sonst
meisterlich zu schalten weiß, zeigt ge-
rade nach dieser Seite eine gewisse
Gleichgültigkeit. Die Zeichnung bleibt
oberflächlich, und so wenig auf das Or-
ganische des Baues eingegangen ist, so
wenig findet man irgendwo ein festeres
Fassen, eine intensiver fühlbare Span-
nung. ,,Aber, wirft man ein, warum
sollte Dürer nicht auch einmal ober-
flächlich gezeichnet haben, warum
sollte er in der Funktionsempfindung
nicht auch einmal laxer geworden sein?“
 
Annotationen