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DIE KUNSTALBRECHTDÜRERS

Die Technik der Temperamalerei auf feiner Leinwand1) mit großer Reserve im far-
bigen Ausdruck, muß Dürer gefallen haben. Er braucht sie noch später, wenn er
etwas Besonderes sagen will und für Kunden arbeitet, die etwas von der Sache ver-
stehen. Das Selbstporträt, das er dem Raphael verehrte, war so gemacht. Sie entsprach
seiner Neigung für die ganz bestimmte Zeichnung und war in der nordischen Kunst
durchaus nicht unbekannt (Hugo van der Goes), den entscheidenden Eindruck von
dem metallisch-harten Stil solcher Malereien hat er aber zweifellos durch Mantegna
empfangen.
Ein Porträt der Berliner Galerie geht der Dresdner Maria unmittelbar voran. Ein
seltsam-diisteres, großäugiges Porträt, in dem man den Kurfiirsten von Sachsen
Friedrich (den Weisen) erkennen will. Es ist auch derselbe Herr, der dann den Dresd-
ner Altar bestellte. Schon das Format sagt, daß etwas Bedeutendes versucht werden
sollte: lebensgroße Halbfigur mit Händen. Auffallend ist aber auch hier eine Starr-
heit, die man sonst bei Diirer nichtkennt; alle iibrigen Porträts sind anders behandelt,
Diirer verzichtet auf die Mittel der bewegten Linie, ohne die es doch sonst kein Leben
fiir ihn gibt. Der diagonale Mantelzug wirkt sogar schleppend und miihsam. Und das
scheint in diesem Bilde beinahe Temperamentssache zu sein: auch die Hände liegen
matt iibereinander und lassen die Energie der Funktion entbehren, die Diirer sonst
selbst der ruhenden Form mitteilt (die eine ist iibrigens beschädigt). Ob er etwas
Italienisches nachahmen wollte? Ich komme iiber den Eindruck von etwas Innerlich-
Widerspruchsvollem auch beim Kopf nicht hinaus. Das große Schema ist nicht ganz
lebendig geworden. Ein Rest von Leere blieb uniiberwunden. Aber es ist hier ein Ver-
such gemacht, fiir menschliche Größe eine Form zu finden, der Dürer wahrlich nicht
zu Unehren gereicht und in der deutschen Kunst vom Ausgang des 15. Jahrhunderts
als etwas ganz Unvergleichliches dasteht3).
Für das Ringen nach großem Stil ist die feierlich ragende Halbfigur einer Maria
mit dem Kinde in Lugano (Sammlung Baron von Thyssen-Bornemisza) bezeichnend,
die vor wenigen Jahren in England auftauchte. Mit ihrer noch an die Apokalypse
gemahnenden Hochstimmung füllt sie als wichtiger Pfeiler die Lücke der frühen
eigenhändigen Gemälde zwischen dem Dresdner und dem Paumgärtner Marien-
altar3).
2.
Das lehrreichste Beispiel, um zu erfahren, wie es mit Dürers Menschenauffassung
damals stand, liefert das Bildnis seines Vaters aus dem Jahre 1497, sieben Jahre
also nach der ersten Aufnahme gemacht. Das Bild muß berühmt gewesen sein, es
kommt mehrfach vor (Erlangen, Frankfurt, zweimal in England): das Exemplar der
Londoner Galerie hat den Vorzug, ohne das Original selbst zu sein, doch jedenfalls
die vertrauenerweckendste Zeichnung zu enthalten; das ist wirklich derselbe Mann
wie auf dem Bilde, das Dürer vor Antritt der Wanderschaft machte4). Aber jetzt
bringt er an den alten Goldschmiedemeister seinen Begriff von großgesehener Natur
 
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