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AUSSCHNITT AUS ABB. S. 177

Ich brauche nicht zu sagen, daß es ein spezifisch venezianischer Typus ist, doch gleicht
er weniger den Engeln des Giovanni Bellini als denen des Palma. Künstler pflegten
damals nicht wie heutzutage ihre Stimmungen in besonderen Bildern vorzutragen,
diesem Engel aber, der da zwischen ernsten Männern in stiller Seligkeit sich wiegt,
hat Dürer gewiß Geständnisse eigenen heimlichen Glücksgefühls anvertraut.
Bei den Engelsköpfchen in der Luft sind ebenfalls venezianische Typen verfolgt. Die
Verkürzung möchte bei diesen kugeligen Gebilden, deren Achsenstellung immer
wechselt, leicht der interessanteste Gesichtspunkt gewesen sein. Einige haben etwas
eigentümlich Konstruiertes, Maskenhaft-Leeres1).
Dafür werden wir dann in den Reihen der andächtigen Gemeinde durch reichliches
Bildniswerk entschädigt2). Den von Dominikus gekrönten Kardinal glaubt man als
Domenico Grimani bestimmen zu können, und in Dominikus selbst ist, wenn auch
namenlos, ein ernster und feuriger venezianischer Priester (oder ist es ein deutscher?)
unsterblich geworden. In der Hauptmasse aber sind es natürlich Angehörige der
deutschen Kolonie in Venedig, kaufmännisch kluge, positivistische Köpfe, neben
denen ganz am Rande rechts merkwürdig genug ein Künstlerkopf sich ausnimmt,
der Architekt des deutschen Kaufhauses, Hieronymus von Augsburg. Es ist der
Idealist in dieser Gesellschaft, etwas verwahrlost im Äußeren, mit außerordentlich
durchgearbeiteten Zügen und jenem Charakter des Seherhaften im Blick, von dem
man da spricht, wo die Augen Dinge sehen, die in der Sichtbarkeit nicht enthalten
 
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