ANMERKUNGEN UND ZUSÄTZE
373
sieht Römer als Folge einer weitgehen-
den Arbeitsteilung an. Ein Hauptzeich-
ner, selber wieder an das Vorbild einer
mittelalterlichen Bilderhandschrift ge-
bunden, habe die Abbildungen zunächst
entworfen, die dann von einer Werk-
stattgemeinschaft durch Pausen oder
durch seitenverkehrendes Abklatschen
als Grundlage für andere Abbildungen
benutzt seien. Dies, den persönlichen
Ausdruck einebnende Verfahren lasse
eine Trennung einzelner Hände nicht
mehr zu, erkläre sich aber daraus, daß
der leitende Künstler, nämlich Dürer, nur
allzu kurz in Basel habe wirken können.
So scharfsichtig auch im einzelnen die
Werkvorgänge durch Römer ausein-
andergefieselt sind, sein Grundgedanke,
Dürer als Leiter des Terenzunterneh-
mens hinzustellen, muß als verfehlt
gelten.
Wie Flechsig in Geisberg, so hat Römer
nun auch in Joseph Meder (Dürer-
Katalog, Wien 1932) einen mächtigen
Bundesgenossen erhalten. Um die Zu-
schreibung der Terenzzeichnungen an
Dürer glaubhaft zu machen, hält auch
Meder gewisse Voraussetzungen für not-
wendig, die er bei diesen in voller Ab-
hängigkeit vom Auftraggeber geschaf-
fenen Illustrationen in der Tradition (der
mittelalterliche Kodex, der Ulmer und
der Lyoner Terenz), in Verlegervor-
schriften (beengende Größe und Format)
und besonders in dem Ortsstil festzustel-
len glaubt. Dürer müßte aber ein wahrer
Proteus gewesen sein, wenn er in Basel
sogleich baslerisch und unmittelbar nach-
her in Straßburg (bei der Albertina-Pas-
sion) straßburgisch geschaffen hätte, wie
ihm hier wie anderswo zugemutet wird.
Für Tietzes Auffassung war der Quali-
tätsunterschied der drei Illustrations-
folgen zu allen von ihnen als Dürer an-
erkannten Werken so groß, daß sie aus-
scheiden mußten. Auch für Meders
Standpunkt ist die Qualität der Zeich-
nungen wesentlich, ein Begriff, der hier
in seiner Relativität deutlich wird. Me-
der sieht eine allmähliche graphische
Vervollkommnung innerhalb der Basler
Produktion, die schon im Terenz als der
seiner Auffassung nach ersten Folge ein-
zelne Gestalten aus der Masse heraus-
hebt, dann aber im Ritter vom Turn und
besonders im Narrenschiff immer deut-
licher die gleiche hochbegabte Hand,
nämlich die Dürers, erkennen läßt.
Man ist also in 50 Jahren nicht weiter
gekommen. Behauptung steht gegen Be-
hauptung. Freilich ist mit der bloßen
entschlossenen Parteinahme wenig ge-
wonnen. Der Fall ist kompliziert und
hat sein Für und Wider. Wer für Dürer
eintreten will, muß auf die Gründe der
Gegner eingehen und erklären, warum
die Zuschreibung Schwierigkeiten
macht, und umgekehrt. Das Problem
hat sich aber so weit verzweigt, daß es
hier im Rahmen einer bloßen Anmer-
kung nur andeutend behandelt werden
kann.
Die Terenzzeichnungen sind eine
einheitliche Arbeit. Doch möchte ich
das Vorhandensein von Gehilfen anneh-
men, denen zum Teil die Übertragung
der Zeichnungen auf die Stöcke anver-
traut war. Ob es eine oder mehrere wa-
ren, kann uns ziemlich gleichgültig sein,
der Stilcharakter im ganzen ist jeden-
falls ein gleichmäßiger.
Was einem zunächst auffällt: wie leb-
haft gestikuliert wird. Die Personen ha-
ben alle etwas intensiv Sprechendes.
Hand gegen Hand, Körper gegen Kör-
per. Die aufgerufene Hebamme er-
scheint rasch wie eine Maus unter der
Tür ihres Hauses: ,,Dorthin? Gleich bin
ich da!“ (Andria I, 4); der mißtrauische
Alte (ibid. II, 6), der den Sklaven aus-
horchen möchte, spricht mitbeiden Hän-
den und windet sich förmlich beim Fra-
gen, die beruhigende Geste des Ange-
redeten wirkt ganz unmißverständlich.
Auch wenn drei zusammenstehen (ibid.
II, 1), wird das Durcheinander der Rede
noch deutlich.
Viel Beweglichkeit im kleinen, das mo-
373
sieht Römer als Folge einer weitgehen-
den Arbeitsteilung an. Ein Hauptzeich-
ner, selber wieder an das Vorbild einer
mittelalterlichen Bilderhandschrift ge-
bunden, habe die Abbildungen zunächst
entworfen, die dann von einer Werk-
stattgemeinschaft durch Pausen oder
durch seitenverkehrendes Abklatschen
als Grundlage für andere Abbildungen
benutzt seien. Dies, den persönlichen
Ausdruck einebnende Verfahren lasse
eine Trennung einzelner Hände nicht
mehr zu, erkläre sich aber daraus, daß
der leitende Künstler, nämlich Dürer, nur
allzu kurz in Basel habe wirken können.
So scharfsichtig auch im einzelnen die
Werkvorgänge durch Römer ausein-
andergefieselt sind, sein Grundgedanke,
Dürer als Leiter des Terenzunterneh-
mens hinzustellen, muß als verfehlt
gelten.
Wie Flechsig in Geisberg, so hat Römer
nun auch in Joseph Meder (Dürer-
Katalog, Wien 1932) einen mächtigen
Bundesgenossen erhalten. Um die Zu-
schreibung der Terenzzeichnungen an
Dürer glaubhaft zu machen, hält auch
Meder gewisse Voraussetzungen für not-
wendig, die er bei diesen in voller Ab-
hängigkeit vom Auftraggeber geschaf-
fenen Illustrationen in der Tradition (der
mittelalterliche Kodex, der Ulmer und
der Lyoner Terenz), in Verlegervor-
schriften (beengende Größe und Format)
und besonders in dem Ortsstil festzustel-
len glaubt. Dürer müßte aber ein wahrer
Proteus gewesen sein, wenn er in Basel
sogleich baslerisch und unmittelbar nach-
her in Straßburg (bei der Albertina-Pas-
sion) straßburgisch geschaffen hätte, wie
ihm hier wie anderswo zugemutet wird.
Für Tietzes Auffassung war der Quali-
tätsunterschied der drei Illustrations-
folgen zu allen von ihnen als Dürer an-
erkannten Werken so groß, daß sie aus-
scheiden mußten. Auch für Meders
Standpunkt ist die Qualität der Zeich-
nungen wesentlich, ein Begriff, der hier
in seiner Relativität deutlich wird. Me-
der sieht eine allmähliche graphische
Vervollkommnung innerhalb der Basler
Produktion, die schon im Terenz als der
seiner Auffassung nach ersten Folge ein-
zelne Gestalten aus der Masse heraus-
hebt, dann aber im Ritter vom Turn und
besonders im Narrenschiff immer deut-
licher die gleiche hochbegabte Hand,
nämlich die Dürers, erkennen läßt.
Man ist also in 50 Jahren nicht weiter
gekommen. Behauptung steht gegen Be-
hauptung. Freilich ist mit der bloßen
entschlossenen Parteinahme wenig ge-
wonnen. Der Fall ist kompliziert und
hat sein Für und Wider. Wer für Dürer
eintreten will, muß auf die Gründe der
Gegner eingehen und erklären, warum
die Zuschreibung Schwierigkeiten
macht, und umgekehrt. Das Problem
hat sich aber so weit verzweigt, daß es
hier im Rahmen einer bloßen Anmer-
kung nur andeutend behandelt werden
kann.
Die Terenzzeichnungen sind eine
einheitliche Arbeit. Doch möchte ich
das Vorhandensein von Gehilfen anneh-
men, denen zum Teil die Übertragung
der Zeichnungen auf die Stöcke anver-
traut war. Ob es eine oder mehrere wa-
ren, kann uns ziemlich gleichgültig sein,
der Stilcharakter im ganzen ist jeden-
falls ein gleichmäßiger.
Was einem zunächst auffällt: wie leb-
haft gestikuliert wird. Die Personen ha-
ben alle etwas intensiv Sprechendes.
Hand gegen Hand, Körper gegen Kör-
per. Die aufgerufene Hebamme er-
scheint rasch wie eine Maus unter der
Tür ihres Hauses: ,,Dorthin? Gleich bin
ich da!“ (Andria I, 4); der mißtrauische
Alte (ibid. II, 6), der den Sklaven aus-
horchen möchte, spricht mitbeiden Hän-
den und windet sich förmlich beim Fra-
gen, die beruhigende Geste des Ange-
redeten wirkt ganz unmißverständlich.
Auch wenn drei zusammenstehen (ibid.
II, 1), wird das Durcheinander der Rede
noch deutlich.
Viel Beweglichkeit im kleinen, das mo-