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Woermann, Karl
Die Kunst der christlichen Völker bis zum Ende des 15. Jahrhunderts — Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker, Band 2: Leipzig, Wien: Bibliograph. Inst., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.63448#0199

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144 Drittes Buch. Die chriſtliche Kunſt des hohen Mittelalters (um 1050—1250).

Verzierungsweiſe, die ſich außer in den Kreuzgängen auch hier an den Chorſchranken, Kanzeln,
Türumrahmungen, Fußböden, Thronen und Leuchtern entfaltete, durch einige ſelbſtbewußte
Künſtlergeſchlechter, die ihre Arbeiten ſtolz mit ihren Namen verſahen, eine ſtrengere und ge-
diegenere Ausbildung. In den Einfaſſungen und Profilierungen treten antike Formen hervor,
und in den aus alten Porphyr- und farbigen Marmorſäulen zurechtgeſchnittenen Füllungs-
einlagen, die hier das Übergewicht über den gefärbten und vergoldeten Glaswürfeln behaup-
ten, kommt eine ernſte künſtleriſche Geſinnung zum Ausdruck. Als Cosmatenkunſt ſind die
römiſchen Zierarbeiten dieſer Art berühmt geworden. Die Cosmaten waren jedoch nur die
jüngſte der Künſtlerfamilien, in denen dieſe Kunſtart ſich vererbte. Die Reihe beginnt vielmehr
mit einem Magiſter Paulus (um 1090) ſeinen Söhnen und Enkeln. Als eines der älteſten
Werke der wirklichen Cosmatenfamilie, unter deren Händen die Moſaikverzierungen ſich ſpäter
nicht ſelten in wirkliche Moſaikbilder verwandelten, ſei die feine Marmorverkleidung der Haupt-
tür von S. Sabba in Rom genannt, die Jacobus, der Vater Cosmas L., 1205 ausführte. Auf
die Cosmaten kommen wir zurück. Von den ſogenannten „Cosmatenarbeiten“ des 12. Jahr-
hunderts und der nächſtfolgenden Jahrzehnte aber müſſen als Hauptwerke die prächtigen Fuß-
böden der Kirchen S. Maria in Cosmedin (um 1120), S. Maria in Trastevere (um 1140),
S. Maria Maggiore (um 1150), S. Lorenzo fuori le mura (um 1220) und vor allen Dingen
die ebenſo ſtilvollen wie anmutigen Leſepulte, Altäre, Schranken, Biſchofsthrone u. ſ. w. der
Kirchen S. Clemente, S. Lorenzo fuori le mura, S. Maria in Cosmedin und S. Maria in
Araceli in Rom hervorgehoben werden.

Auch die weitere Umgebung Roms ſpielt eine Rolle in der Baugeſchichte dieſer Zeit.
Von einer „umbriſchen Protorenaiſſance“ redet man in bezug auf die antiken Motive, die
einige umbriſche Kirchen wieder aufzunehmen ſcheinen, aber vielmehr weiterführen. Die
dreiſchiffige Kirche S. Agoſtino del Crocefiſſo auf dem hochgelegenen Friedhof von Spoleto
geht mit ihren mächtigen antiken doriſchen Säulen und ihrem offenen Dachſtuhl auf einen
frühchriſtlichen Bau zurück, der an einen altrömiſchen Tempel anknüpfte. Merkwürdig aber
ſind die antikiſierenden Zierſtücke, aus denen die äußere Schauſeite dieſer Kirche zuſammen-
geſetzt iſt, und eigenartig ordnen ſich auch an der Domfaſſade derſelben Stadt antike Elemente
der hier ſchon lombardiſch-romaniſchen baulichen Gliederung ein und unter.

Auf anderem Boden ſtehen die Kirchen einiger nördlich von Rom gelegener Orte. In
Viterbo hatte die „Maestranza comacina“ (S. 79) gegen Ende des 11. Jahrhunderts eine
Zweigniederlaſſung gegründet, die die lombardiſche Baukunſt verbreitete. Ihre Meiſterwerke
liegen in dieſer Gegend in Corneto und Toscanella. S. Maria in Toscanella z. B, die,
um 1050 neu gegründet, ihrer ganzen Bauzeit nach dieſem Zeitraum angehört, iſt von innen
freilich immer noch eine dreiſchiffige Baſilika mit antikiſierenden Säulen und offenem Dach-
ſtuhl, von außen aber eine anmutige Schöpfung jenes lombardiſch-romaniſchen Stils, dem
wir erſt weiter unten nähertreten können.

Von einer ſelbſtändigen römiſchen und umbriſchen Bildnerei dieſes Zeitraums läßt
ſich nur in ſehr beſchränktem Maße reden. Selbſt die altrömiſche Relief-Zierkunſt war, wie wir
geſehen haben, von der urſprünglich orientaliſchen Flächenkunſt verdrängt worden. Lehrreich
iſt immerhin der Bildſchmuck des marmornen Oſterkerzenleuchters in S. Paolo fuori le mura,
als deſſen Verfertiger Niccold di Angelo und Pietro Vaſſaletto (um 1180) genannt werden.
Sein Schaft iſt ganz mit rohen Reliefs aus dem Leben des Heilands bedeckt, die in ihrer
 
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