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Woermann, Karl
Die Kunst der christlichen Völker bis zum Ende des 15. Jahrhunderts — Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker, Band 2: Leipzig, Wien: Bibliograph. Inst., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.63448#0698

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Einleitung in die italieniſche Malerei des 15. Jahrhunderts. 575

auf Giotto wurde, nach jetziger Anſicht, nur in Tempera auf die Mauer gemalt; von Giotto an
wurde in kresco untermalt und a secco übermalt; erſt um 1400 begann die Freskomalerei im
eigentlichen Sinne.“ Ernſt Berger behauptet, auf Cennini geſtützt, daß ſogar die italieniſchen
Wandmaler des 15. Jahrhunderts ihre Fresken „zur Erzielung beſtimmter Effekte“ gelegent-
lich mit Ol retouchiert hätten; und von den italieniſchen Tafelmalern der Frührenaiſſance
ſagt er, ſie „halten zwar noch an der reinen Tempera (mit Eigelb oder dem ganzen Ei, mit
dem Saft junger Feigentriebe angerührt) feſt, benutzen aber die Olfarben zu Lafuren und
beim Fertigmalen der Gewänder“ Als Meiſter dieſes gemiſchten Verfahrens werden in Florenz
beſonders Aleſſo Baldovinetti und die Pollajuoli genannt. Immerhin laſſen die italieniſchen
Schriftquellen keinen Zweifel daran, daß ſie unter der Olmalerei ſchlechthin die verbeſſerte
Ölmalerei der Brüder van Eyck (S. 423) verſtehen, und daß dieſe erſt gegen Ende des
15. Jahrhunderts teils von den Niederlanden aus (Guſtus von Gent; S. 429 und 430),
teils über Sizilien durch Antonello da Meſſina in Italien eingeführt worden iſt.

Daß die italieniſche Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts im weſentlichen noch Tempera-
malerei iſt, ſpricht ſich den gleichzeitigen niederländiſchen Gemälden gegenüber, die man in
Italien mit Entzücken ſammelte, übrigens doch in ihrer ganzen noch härteren Zeichnung und
Modellierung der Einzelgeſtalten und ihrer trockeneren Behandlung des Helldunkels der
Binnenräume aus. Ein Bild von dem weichen maleriſchen Stimmungszauber des van Eyckſchen
Brautpaares Arnolfini von 1434 in London (S. 424 und 425) wäre in Italien in dieſem
Jahre noch unmöglich geweſen. Die Vorzüge der italieniſchen, wenigſtens der toskaniſchen Ge-
mälde bis auf Leonardo da Vinci lagen auf anderem Gebiete, lagen beſonders in der greif-
baren Durchbildung ihrer Einzelgeſtalten und in der architektoniſchen Stiliſierung ihrer Ge-
ſamtanordnung, die das Vorherrſchen ſenkrechter und wagerechter Linien in den Gruppen wie
in der Landſchaft bedingt, alſo in dem ſtrengen Stilgefühl, das ſie mit ſtärkſtem Wirklich-
keitsdrang zu vereinen wiſſen, und in der Fülle kräftiger und zarter, himmliſcher und irdiſcher
Empfindungen, mit denen ſie ihre geſtaltenfrohe Welt zu erfüllen verſtehen.

Die Grundlage unſerer heutigen Kenntnis der italieniſchen Malerei dieſes Zeitraums bildet,
nach Rumohrs und Gayes Forſchungen, noch immer das großangelegte Werk von Crowe
und Cavalcaſelle (deutſch von Max Jordan). Selbſtändig weitergebaut auf dieſem Boden
haben in Italien beſonders Forſcher wie Milaneſi und Venturi, in Deutſchland Jakob Burck-
hardt, Bode, Woltmann, Janitſchek und Schmarſow. Eine ſcheinbare Umwälzung brachten
dann die Schriften des geiſtreichen Italieners Giovanni Morelli hervor, der in deutſcher
Sprache unter dem ruſſiſchen Namen Lermolieff ſchrieb. Morelli war es vor allen Dingen
darum zu tun, die Bilderkritik methodiſcher zu geſtalten; und wenn manche Ergebniſſe ſeiner
Unterſuchungen auch widerlegt worden ſind, ſo haben mindeſtens ebenſo viele ſich doch als
unwiderlegbar erwieſen. Am entſchiedenſten folgte in Italien Frizzoni, einer der beſten Kenner
der italieniſchen Malerei, den Spuren Morellis; und am engſten ſchloſſen dann von England
aus jüngere Forſcher, wie Berenſon, Löſer und Cook, ſich dieſer Richtung an. Von italie-
niſchen Kunſtgelehrten ſind auf dieſem Gebiete vor allem noch Corr. Ricci, Supino, Malaguzzi-
Valeri und di Marzo, von den Franzoſen Mantz, Müntz, Gruyer, Yriarte und Brouſſolle, von
den Deutſchen z. B. Seidlitz, Thode, Harck, Wickhoff, Mackowsky, Weisbach, Witting, Knapp,
Brockhaus, Ulmann, Suida, Jacobſen, Steinmann, Warburg, Wingeroth und Siegfried
Weber, denen wir wertvolle Einzelunterſuchungen verdanken, im Voraus zu nennen.
 
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