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Woermann, Karl; Woermann, Karl [Mitarb.]
Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (Band 2): Die Kunst der Naturvölker und der übrigen nichtchristlichen Kulturvölker, einschliesslich der Kunst des Islams — Leipzig: Bibliograph. Inst., 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.66390#0350
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Viertes Buch. Die ostasiatische Kunst.

und der Wiedergabe von Vorgängen hinweg. An gefeierten Künstlern fehlt es oer chinesischen
Malerei von der Mitte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auch keineswegs; und
da gerade ihre Werke erklärlicherweise in größerer Anzahl erhalten und zugänglich gewesen
sind, so hat man sich in Europa gerade nach ihnen, manchmal in irreleitender Weise, seine
Ansicht über die ganze chinesische Malerei gebildet.
Als berühmte Maler buddhistisch-religiöser Gegenstände werden Tong-tai-tschuan in
der Zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, King-nong und Lo-ping im 18. Jahrhundert
genannt. Eine deutlichere Vorstellung können wir uns vor: einigen chinesischen Landschafts-,
Vogel- und Blumenmalern dieser Zeit machen, von denen Werke in japanischen Sammlungen
erhalten und in den großen Sammelwerken, wie in Tajimas „Shimbi Taikwan" oder „Se-
lected relics" und im „Nanshu Meigwapen" (S. 231), veröffentlicht worden sind. Hierher gehört
Tsang-H'ong, dessen steile Bergschluchtlandschaft mit wolkenumzogenen Gipfeln, schwarz-weiß
getuscht auf Goldpapier, dem 17. Jahrhundert entstammt, hierher Kan-Scheng-Hui, dessen
schwarz-weiß auf Seide getuschte Landschaft „Vor dem Regen in den Bergen" breiter und
weicher hingesetzt ist als die mehr gestrichelte Tsang-H'ongs, hierher Wang-Kien, dessen
farbiges Seidenbild „Bergstille im Frühling" etwas kleinlich wirkt, hierher Huang-Pi, dessen
„Ackerarbeit im Frühling bei Regen" stimmungsvolle Schwarzweißmalerei ist. Als ein nur
in Japan bekannter, hier aber beliebter und berühmter Meister der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts erscheint Schen-Nan-P'in (japanisch Chinnampin), den Münsterberg eingehend
behandelt hat. In einigermaßen naturalistischem, doch im ganzen noch echt chinesischem Stil
malte er vorzugsweise schmale Hochrollen mit Tieren unter Bäumen, Felsen oder Blumen.
Von seinen in Tajimas „Shimbi Taikwan" veröffentlichten farbigen Bildern dieser Art seien
„Die Katze unter Blumen und Felsen", „Wilde Pferde unter herbstlich kahlen Laubbäumen",
„Kaninchen unter knorrigem Blütenbaum" und „Wilde Gänse im Wasser unter einem
Pflaumenbaum" hervorgehoben. In der „Kokka" veröffentlicht ist sein „Damwild in Herbst-
landschaft", ein Bild, das sich im Besitze Gustav Jacobys in Berlin befindet. Friedr. Hirth,
der der Malerei dieser Dynastie eine besondere Schrift gewidmet hat, hebt unter den Land-
schaftern in ihrer Altersfolge z.B. Mei-Wen-Ting, Wang-mu, Tschang-tschao, Hiang-
mu-tsche und Tschen-pu-schu, als große Maler von Blumen und Vögeln aber Tscheng-sü
(1633—90), Tschen-schu-piao und Aün-Schou-p'ing hervor, von dem, wie von seiner
Adoptivtochter Pün-p'ing, die Hirthsche Sammlung bemerkenswerte Bilder besitzt. Neues
und Lebensvolles hat die chinesische Kunst des 19. Jahrhunderts nicht mehr zu bieten; und fast
scheint es, als sei von der Kunst wie von der ganzen Gesittung der Chinesen keine neue Erhebung
mehr zu erwarten. Um so nachdrücklicher aber müssen wir an den großen künstlerischen Er-
rungenschaften ihrer mittelalterlichen Vergangenheit festhalten.

II. Die Kunst Koreas.
Die Bewohner der meerumspülten, von Gebirgen durchzogenen Halbinsel Korea, die
ein selbständiges Kaiserreich bildete, bis sie vor kurzem (1910) von Japan einverleibt wurde,
gehören dem mandschu-koreanischen Zweige der großen mongolischen Rasse an. Ihren
Gestalten und Gesichtszügen nach scheinen sie der weißen Rasse näher zu stehen als die Chi-
nesen und Japaner, von denen sie, zwischen beiden eingeklemmt, in staatlicher Beziehung
jahrhundertelang hin und her gezerrt wurden. Geistig und künstlerisch aber war ihnen eine
 
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