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Viertes Buch. Die ostasiatische Kunst.
Als Tankeis Selbstbildnis gilt das Gegenstück zu dem genannten angeblichen Selbstbildnis Un-
keis im Mitsuji zu Kyoto. Die Namensinschrift Jokeis aber trägt nach Tajima das lebensgroße
Holzbild des auf dem Lotoskelche stehenden Arya-Awalokitefchwara im Tempel Kuramadera zu
Kyoto. Weich und menschlich blickt sein rundes Antlitz drein. Der reiche, natürlich-plastische
Faltenwurf seines Gewandes wäre vor dem 13. Jahrhundert nicht denkbar gewesen.
Hier mag dann das fast 2 m hohe, europäisch anmutende, von klassischen Gewandfalten
umflossene Standbild des indischen Priesters Asanga eingereiht werden, das zu den Kunst-
schätzen des Tempels Kofukuji in Nara gehört. Sein Meister ist nicht bekannt. Es wird
manchmal schon der Nara-Zeit zugeschrieben, kann aber mit seinem vollkommenen Ausgleich
vor: Naturnähe und Stil frühestens der Heian-Zeit angehören, und vielleicht schreiben andere
es wirklich mit Recht erst der Kamakura-Zeit zu.
Außerhalb der genannten Bildhauersippe stehen in diesem Zeitraum dann noch Meister
wie Tokiyori Hojo (geb. 1227), als dessen Selbstbildnis das ausdrucksvolle, in hoher Spitz-
mütze und weiten Sackhosen prangende hölzerne Sitzbild des Tempels Kenchoji zu Kamakura-
Sagami bezeichnet wird. Es leitet schon zur Ashikaga-Zeit hinüber. Den Namen eines Meisters
Jitsugen aber, den Tajima als „den großen Meister von Kasuga" bezeichnet, trägt der reich-
gekleidete Himmelskönig Virudhaka im Tempel Kofukuji zu Nara. Die freie Bewegung dieser
prächtigen Gestalt (Abb. 271) ist maßvoll, die Züge des leidenschaftlich erregten, im zornigen
Aufschrei begriffenen Antlitzes sind an sich von reiner Schönheit. Die Kleidung mit Waffen-
rock, Hosen und Schuhen aber ist bauschig bewegt. Mau könnte die ganze Gestalt für ein
europäisches Werk des 17. Jahrhunderts halten, wenn es nicht eine äußerst charakteristische
Schöpfung der Kamakura-Zeit Japans wäre.
Dieser ganzen japanischen Großbildnerei gegenüber spielt die Kleinplastik in der japa-
nischen Kunstgeschichte des Zeitraumes, von dem wir reden, noch nicht die Rolle wie in den
späteren Jahrhunderten. Unter den Metallarbeiten der Fujiwara-Zeit nehmen immer noch
Spiegel nut ihren reich und weich in starkem Flachrelief geschmückter: Rückseite!: einen künst-
lerisch hohen Rang ein. Die japanischen Bronzespiegel des Museums zu Tokyo, die diesem Zeit-
raum angehöreu, Haber: die geometrischen Ziermotive zugunsten kleiner, namentlich pflanzlicher
Naturbilder völlig abgestreift. Ob auch die Stichblätter der Schwerter (Tsuba), die im Kunst-
gewerbe Japans später eine so bedeutende Rolle spielen, schon in der Fujiwara-Zeit ihren
späteren Schmuck erhielten, ist zweifelhaft. Sicher aber sind hier die Tsuba der Kamakura-
Zeit zu nennen: runde, hier und da durchbrochene Eisenscheiben, die mit Pflanzen, Wolken
und anderen Dingen in leicht erhabener Arbeit weich und stilvoll verziert sind. Sie gehören
bereits dem Ende des 12. und dem Anfang des 13. Jahrhunderts an. Das plastische Gewerbe
im engster: Sinne, die Töpferei, nimmt in Japan auch erst in der Kamakura-Zeit künstlerischer:
Aufschwung; das Dorf-Seto in der Provinz Owari war von alters her als Sitz eines Töpfer-
geschlechtes bekannt. Einer dieser Töpfer, Toshiro oder Kagemasa genannt, schloß sich 1223
dem Priester Dogen vor: der Zen-Sekte an, der eine religiöse Studienreise nach China machte;
und von China brachte Toshiro chinesische Tonerde und die Kunst des Glasierens der Gefäße
nach Japar: zurück. Gerade in der Nähe seines Heimatdorfes Seto fand er die Tonerde,
derer: er bedurfte; als Seto-Sachen, „Setomono", bezeichnen die Japaner daher alle Erzeug-
nisse der Kunsttöpferei. Um Porzellan handelte es sich auch in der Kamakura-Zeit noch nicht,
sondern um glasiertes Steingut; und die kostbaren Setomono, die in diesem Material an-
gefertigt wurden, dienten zumeist dem Teegenuß, der jetzt in Japar: eindrang, um allmählich
Viertes Buch. Die ostasiatische Kunst.
Als Tankeis Selbstbildnis gilt das Gegenstück zu dem genannten angeblichen Selbstbildnis Un-
keis im Mitsuji zu Kyoto. Die Namensinschrift Jokeis aber trägt nach Tajima das lebensgroße
Holzbild des auf dem Lotoskelche stehenden Arya-Awalokitefchwara im Tempel Kuramadera zu
Kyoto. Weich und menschlich blickt sein rundes Antlitz drein. Der reiche, natürlich-plastische
Faltenwurf seines Gewandes wäre vor dem 13. Jahrhundert nicht denkbar gewesen.
Hier mag dann das fast 2 m hohe, europäisch anmutende, von klassischen Gewandfalten
umflossene Standbild des indischen Priesters Asanga eingereiht werden, das zu den Kunst-
schätzen des Tempels Kofukuji in Nara gehört. Sein Meister ist nicht bekannt. Es wird
manchmal schon der Nara-Zeit zugeschrieben, kann aber mit seinem vollkommenen Ausgleich
vor: Naturnähe und Stil frühestens der Heian-Zeit angehören, und vielleicht schreiben andere
es wirklich mit Recht erst der Kamakura-Zeit zu.
Außerhalb der genannten Bildhauersippe stehen in diesem Zeitraum dann noch Meister
wie Tokiyori Hojo (geb. 1227), als dessen Selbstbildnis das ausdrucksvolle, in hoher Spitz-
mütze und weiten Sackhosen prangende hölzerne Sitzbild des Tempels Kenchoji zu Kamakura-
Sagami bezeichnet wird. Es leitet schon zur Ashikaga-Zeit hinüber. Den Namen eines Meisters
Jitsugen aber, den Tajima als „den großen Meister von Kasuga" bezeichnet, trägt der reich-
gekleidete Himmelskönig Virudhaka im Tempel Kofukuji zu Nara. Die freie Bewegung dieser
prächtigen Gestalt (Abb. 271) ist maßvoll, die Züge des leidenschaftlich erregten, im zornigen
Aufschrei begriffenen Antlitzes sind an sich von reiner Schönheit. Die Kleidung mit Waffen-
rock, Hosen und Schuhen aber ist bauschig bewegt. Mau könnte die ganze Gestalt für ein
europäisches Werk des 17. Jahrhunderts halten, wenn es nicht eine äußerst charakteristische
Schöpfung der Kamakura-Zeit Japans wäre.
Dieser ganzen japanischen Großbildnerei gegenüber spielt die Kleinplastik in der japa-
nischen Kunstgeschichte des Zeitraumes, von dem wir reden, noch nicht die Rolle wie in den
späteren Jahrhunderten. Unter den Metallarbeiten der Fujiwara-Zeit nehmen immer noch
Spiegel nut ihren reich und weich in starkem Flachrelief geschmückter: Rückseite!: einen künst-
lerisch hohen Rang ein. Die japanischen Bronzespiegel des Museums zu Tokyo, die diesem Zeit-
raum angehöreu, Haber: die geometrischen Ziermotive zugunsten kleiner, namentlich pflanzlicher
Naturbilder völlig abgestreift. Ob auch die Stichblätter der Schwerter (Tsuba), die im Kunst-
gewerbe Japans später eine so bedeutende Rolle spielen, schon in der Fujiwara-Zeit ihren
späteren Schmuck erhielten, ist zweifelhaft. Sicher aber sind hier die Tsuba der Kamakura-
Zeit zu nennen: runde, hier und da durchbrochene Eisenscheiben, die mit Pflanzen, Wolken
und anderen Dingen in leicht erhabener Arbeit weich und stilvoll verziert sind. Sie gehören
bereits dem Ende des 12. und dem Anfang des 13. Jahrhunderts an. Das plastische Gewerbe
im engster: Sinne, die Töpferei, nimmt in Japan auch erst in der Kamakura-Zeit künstlerischer:
Aufschwung; das Dorf-Seto in der Provinz Owari war von alters her als Sitz eines Töpfer-
geschlechtes bekannt. Einer dieser Töpfer, Toshiro oder Kagemasa genannt, schloß sich 1223
dem Priester Dogen vor: der Zen-Sekte an, der eine religiöse Studienreise nach China machte;
und von China brachte Toshiro chinesische Tonerde und die Kunst des Glasierens der Gefäße
nach Japar: zurück. Gerade in der Nähe seines Heimatdorfes Seto fand er die Tonerde,
derer: er bedurfte; als Seto-Sachen, „Setomono", bezeichnen die Japaner daher alle Erzeug-
nisse der Kunsttöpferei. Um Porzellan handelte es sich auch in der Kamakura-Zeit noch nicht,
sondern um glasiertes Steingut; und die kostbaren Setomono, die in diesem Material an-
gefertigt wurden, dienten zumeist dem Teegenuß, der jetzt in Japar: eindrang, um allmählich