Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Woermann, Karl
Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (4. Band): Die Kunst der älteren Neuzeit von 1400 bis 1550 — Leipzig, Wien: Bibliographisches Institut, 1919

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.67365#0545

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
466 Viertes Buch. Die deutſche Kunſt der erſten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Bildhauernamen zu ergänzen, iſt bisher nicht geglückt. Immerhin hat Demmler wahrſcheinlich
gemacht, daß der oberdeutſche Stecher H. I., deſſen 24 Blätter Loßnitzer zuſammengeſtellt
hat, das Werk geſchaffen habe. Für Hans Leinberger (S. 467), dem Loßnitzer die Stiche
zuſchrieb, ſind dieſe aber allzu bewegt und zu abſichtlich auf „wuchernde Linien“ eingeſtellt.

Der Hauptſitz der neuen Entwickelung in Schwaben war auch in bezug auf die
Bildnerei die blühende Reichsſtadt Augsburg. An der Spitze der Renaiſſanceſchöpfungen
ſteht hier der Bildſchmuck (151012) der Fuggerkapelle in der Annenkirche. Robert Viſcher
hat nachgewieſen, daß kein Geringerer als Dürer die Vorlagen zu den beiden großen Marmor-
reliefs der Philiſterſchlacht und der Auferſtehung mit den im Todesſchlafe ruhenden Geſtalten
der Fugger in ihren Sockelfeldern gezeichnet hat. Allgemein aber galt der um 1460 in Ulm
. 1523/24 geſtorbene Bildhauer Adolf Dauher (auch Daucher oder Dauer) für den
ausführenden Künſtler, bis Wiegand dies beſtritt und
Mader ihre Ausführung (wohl mit Unrecht) auf Loy
Hering (ſ. unten) zurückführte. Sicher von Adolf Dau-
her rühren die kräftigen, herb und ſicher in Holz ge-
ſchnitzten altteſtamentlichen Halbfiguren mit den Zügen
der Fugger vom Chorgeſtühl der Kapelle her (Abb. 264),
von denen jetzt fünfzehn dem Berliner Kaiſer⸗Friedrich-
Muſeum gehören, eine die Figdorſche Sammlung in
Wien ſchmückt; und ein ſicheres Werk Adolf Dauhers iſt
auch der ſteinerne Renaiſſancealtar (151822) mit der
nicht eben im Geſamtaufbau, doch aber in den Einzel-
geſtalten plaſtiſch empfundenen Sippe Chriſti in der
Stadtkirche zu Annaberg. Seinem künſtleriſchen Stil
nach gehört er zur Gefolgſchaft Syrlins (S. 107), ſchloß



Straßburg 1903. 5 ;
dem Bode, Habich und Demmler nachgegangen, war

ſchon in den Renaiſſanceformen aufgewachſen, die er, namentlich im Flachrelief, leicht und
anmutig handhabte. Hans Dauher hat ſeine Arbeiten großenteils mit ſeinem Namen und
der Jahreszahl bezeichnet. Seine Reliefdarſtellungen gehen oft auf Blätter von Schongauer,
Burgkmair oder Dürer zurück. Ihm eigen iſt eine gewiſſe Friſche der Auffaſſung und eine
eindringliche Tüchtigkeit der Ausführung. Als ſein Hauptwerk gilt ſein Altar (um 1527) in
Berlin, deſſen Mittelrelief die Auferſtehung nach einem Stich Schongauers (Bartſch 20) dar-
ſtellt. Von ſeinen freien Steinreliefs beſitzt Berlin den ſcherzhaften Wettkampf zwiſchen Dürer
und Spengler (1522), Sigmaringen die Madonna mit vielen Engeln (1520) nach Dürers
Holzſchnitt von 1518. Am reichſten aber iſt er im Wiener Hofmuſeum vertreten, das unter
anderen ſein Parisurteil (1522) und ſeinen Kaiſer Karl V. zu Pferde (1522) beſitzt. Ein
Schüler jenes ſchon 1508 oder 1509 geſtorbenen Hans Beirlin (Bäuerlein) aber, in deſſen
Zollerndenkmal im Dom zu Augsburg (S. 105) wir das Licht der Neuzeit dämmern ſahen,
war der Schwabe Loy Hering aus Kaufbeuren (geſt. um 1554), deſſen Eltzſche Grabtafel von
1519 in der Pfarrkirche zu Boppard ihr Relief dem Dürerſchen Holzſchnitt der Dreieinigkeit
entlehnt. Hering ſteht ganz auf dem Boden einer verſtandesmäßig klar und ruhig aufgefaßten
Renaiſſance. In Neuburg ſcheint er an der Ausſchmückung des Schloſſes (S. 458) beteiligt
 
Annotationen