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Woermann, Karl
Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (5. Band): Die Kunst der mittleren Neuzeit von 1550 bis 1750 (Barock und Rokoko) — Leipzig, Wien: Bibliographisches Institut, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.67364#0100
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Erstes Buch. I. Die italienische Kunst der mittleren Neuzeit.

fleckig wirkendem Lichte erfüllten Bilder versetzten seine Zeitgenossen in helleres Entzücken, als
wir nachempfinden können. Als seine Meisterwerke galten und geltet: die großen Gemälde des
Sturzes des Magiers Simon von 1689 und der Bekehrung des Apostels Paulus von 1690 in
San Paolo Maggiore zu Neapel. In Dresden lernt man ihn z. B. durch die Himmelskönigin
in Wolken mit Heiligen und durch die Vision des hl. Franziskus mit dem geigenden Engel von
seiner besten Seite kennen, die ins Rokoko-Empfinden hinüberspielt.
Aus den italienischen Schulen des 17. Jahrhunderts, von denen wir vorläufig immer noch
die venezianische ausscheiden, namentlich aus den realistischen, wand sich gleichzeitig dann noch
eine Sonderrichtung hervor, die meist mit halbgroßen oder kleinen Figuren in landschaftlichen
oder baulichen Gründen arbeitete, manchmal auch die Landschaft, das Stilleben, das Schlachten-
bild oder das Architekturstück selbständig hervorkehrte, mit ihrem engeren Anschluß an die Natur
aber auch romantisch-phantastische, idyllische oder satirische Regungen zu wecken verstand. Daß
diese Richtung von den nordischen, namentlich niederländischen Malern ausging, die teils selbst
in Ron: auftraten, wie Peter Breughel d. Ä. (Vd. 4, S. 544), der schon 1553 in Rom war, teils
durch Stiche in Italien bekannt wurden, wie Hier. Bosch (Bd. 4, S. 39) und übrigens auch
Breughel, liegt auf der Hand. Von den jüngeren Niederländern, Franzosen und Deutschen, die
einerseits die Landschaft und in der Landschaft bereits die Ruinenwinkel, anderseits das Volks-
leben und in diesem bereits das derbe oder komische Wesen betonten, war Paul Bril, seinen:
Bruder Matthäus folgend, schon 1575, Adam Elsheimer schon 1600, Jacques Callot 1608 in
Rom aufgetaucht, während Pieter van Laer, Bamboccio genannt, der eigentliche Schöpfer der
nach ihm „Bambocciate" benannten italienischen Volkssittenbilder, 1623—39 in Rom wirkte.
Diesen Künstlern selbst können wir erst später nähertreten. Daß sie allein die kleinfigurigen
italienischen Bilder der realistisch-phantastischen oder der romanüsch-sittenbildlichen Richtungen,
die Planiscig in: Zusammenhang erörtert hat, hervorgerufen haben, soll freilich nicht behauptet
werden. Schon den: Geiste der Nachfolger Caravaggios hätte Ähnliches entstammen können.
Aber ohne diese nordisch-römischen Künstler hätten die verwandten italienischen Fächer der
Malerei sich doch nicht in der von ihnen eingeschlagenen Richtung entwickelt, deren malerische
Pinselführung auch in der Breite und Frische des Farbenauftrags neue Reize entfaltete.
Von Rom gingen die Römer Domenico Fetti (Feti; 1581—1624) und Michel-
angelo Cerquozzi (1602 — 60) aus. Fetti, der Schüler Cigolis (S. 61) gewesen war,
schloß sich dann offensichtlich an Caravaggio (S. 64) an, in dessen Art seine frühen, groß-
figurigen Bilder, wie der „Moses am brennenden Dornbusch" in Wien, gehalten sind; nach
seiner Übersiedelung nach Mantua (1613) aber bildete Fetti seinen späteren, bei breiter Pinsel-
führung in natürlichen Formen und frischen Farben schwelgenden Eigenstil aus, als dessen
reife Früchte wir das Marktbild in Wien und die acht kleinfigurigen, durchaus landschaftlich-
sittenbildlich aufgefaßten biblischen Gleichnisse in Dresden ansehen können, die wie persönliche
Erlebnisse wirken. Michelangelo Cerquozzi entwickelte sich in Rom zuerst aus der Lehre eines
sonst nicht bekannten niederländischen Kriegsbildermalers Zum Schlachtenmaler, dann im An-
schluß an Bamboccio (s. oben) zum Hauptvertreter des sittenbildlichen Volksstückes in Italien.
Auch seinen starken Licht- und Schattenwirkungen nach gehört er zu den Naturalisten. Seine
Landsleute feiertei: ihn, seinen beiden gegenständlichen Richtungen entsprechend, als Michel-
angelo delle Battaglie oder delle Bambocciate. Als Kriegsbildmaler lernen wir ihn z. B. in
Dresden kennen. Als Volksstückmaler ist er namentlich in allen römischen Galerien ver-
treten. Hervorgehoben seien sein Aufruhr Masaniellos in der Galerie Spada, fein Zahnarzt,
 
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