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Woermann, Karl
Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (5. Band): Die Kunst der mittleren Neuzeit von 1550 bis 1750 (Barock und Rokoko) — Leipzig, Wien: Bibliographisches Institut, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.67364#0158
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124 Erstes Buch. II. Die Kunst der Pyrenäenhalbinsel von 1560 bis 1750.
spielen die siegreichen Feldherren im Vordergründe die Hauptrolle, tobt die Schlacht meist im
Hintergründe. Mit Ausnahme des einen Bildes von Veläzquez aber stehen sie doch nur
erst im Vorhof des Heiligtums der spanischen Kunst.
Da Valencias Großmeister Ribera nach Neapel verzog, bleibt Sevilla, dessen Malerei
Sentenach geschildert hat, der Ruhm, die eigentliche Mutterstadt des neuen spanischen Eigenstils
zu sein. Von den harten, kalten, immer noch mit Italien liebäugelnden Übergangsmeistern ist
Juan del Castillo (1584—1640), dessen Himmelfahrt Mariä in Sevilla bei römisch empfun-
denen Formen doch bereits spanischen Ausdruck zeigt, eigentlich nur als Lehrer Canos und
Murillos, Francisco Pacheco (1571—1654) einerseits als Lehrer und Schwiegervater
Veläzquez', anderseits als Verfasser des „Buches von der Malerei" zu nennen. Sie waren die
Anhänger der „alten Richtung" in der neuen Bewegung. Der Umschwung vollzog sich künst-
lerisch kräftig in Juan de las Roelas oder Ruelas (um 1558—1625), der, von vor-
nehmen Eltern niederländischer Abstammung in Sevilla geboren, in seiner Jugend Geistlicher
(daher sein Beiname el Licenciado) gewesen sein, dann aber in Italien gelernt haben soll.
Verrät sein Stil daher auch noch flämische und italienische Erinnerungen, so arbeitete er sich
doch zu spanischer Eigenart von scharfer Charakteristik, blühender Färbung und strahlenden
Lichtwirkungen durch. Zu seinen früheren Bildern gehört die große „Kreuzigung des hl.
Andreas" in Sevilla, ein auffallendes Bild mit scharfgezeichneten Typen, feurigem, noch
reichlich bunten: Farbenschmelz und bläulichgrüner Landschaftsferne. Seine „Concepcion"
in Dresden, die über rotem Kleide den blauen Mantel trägt, wirkt noch unfrei. Roelas'
Hauptwerke aber, die prächtige „Schlacht bei Clavigo" mit dem strahlenden Jakobus auf weißem
Rosse (1609) in der Kathedrale, das leuchtende „Pfingsten" im Hospital de la Sangre und
der lichtdurchflossene, realistisch erzählte „Tod des hl. Isidro" in dessen Kirche zu Sevilla,
stehen eigentlich schon diesseits der Übergangsbewegung. In der Großzügigkeit ihrer Linien-
führung, in dem einheitlichen Schmelz ihrer Farbengebung und in dem lichtdurchstrahlten
Schleier ihres Helldunkels erscheinen sie bereits als Meisterwerke hohen Ranges.
Die Geschichte der reifen spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts, die zu den
Hauptblättern der Kunstgeschichte gehört, hält uns zunächst in Sevilla fest.
An die Spitze der Sevillaner Schule des 17. Jahrhunderts wird Veläzquez' erster
Lehrer Francisco Herrera el Viejo (1576—1656), gestellt, der Mitschüler Pachecos bei
einem gewissen Luis Fernandez gewesen war. Herrera gilt als der erste selbständige Natura-
list und Vreitmaler der spanischen Schule. Unzweifelhaft strebte er bei kühner, voller Pinsel-
führung nach neuer Wucht und Größe; aber fein Können ist noch unausgeglichen, seine
Formensprache oft ungeschlacht, seine Lichtwirkung gesucht. Sein „Jüngstes Gericht" in San
Bernardo zu Sevilla, dessen „arme Seelen" im kirchlich gesinnten Spanien schon wegen ihrer
unverhüllten Nacktheit auffielen, erinnert bei alledem noch deutlich an Roelas, dessen Ein-
fluß hier unverkennbar ist. Sein „Pfingsten" von 1617 aber, das der Verfasser in der Galerie
Lopez Cepero in Sevilla sah, erscheint mit seinen kolossalen Vordergrundsgestalten, die das
„Reden in Zungen" veranschaulichen, jenem „Pfingsten" des Roelas gegenüber wirklich als
neue Offenbarung; groß und kraftvoll, noch in alter symmetrischer Anordnung, aber mit köst-
lich bildnisartigen Köpfen ausgestattet, wirkt seine Erscheinung des hl. Basilius im Louvre;
und sein „Triumph des hl. Hermengild" (Abb. 65; 1624) im Museum zu Sevilla, der
den Westgotenheiligen in blauem Stahlpanzer und rotem Mantel, von goldschimmerndem
 
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