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Woermann, Karl
Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (5. Band): Die Kunst der mittleren Neuzeit von 1550 bis 1750 (Barock und Rokoko) — Leipzig, Wien: Bibliographisches Institut, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.67364#0501
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Die Malerei des 17. Jahrhunderts. Die Norddeutschen.

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dünner und einförmiger werdenden Werken gehöret: der „Sieg des Christentums" (1664) im
Dom zu Schleswig und die „Beweinung Christi" (1675) in der Kirche zu Friedrichsftadt.
Begabter als Paudiß und Ovens war Govert Flinck von Kleve (S. 331), der eben
deshalb in Amsterdam festgehalten wurde. Jene erscheinen uns nur, weil sie Rembrandts
Anschauung in Deutschland verbreiteten, in diesem Zusammenhang bedeutsamer als er.
In Holland holte sich auch der Königsberger Michael Leopold Willmann (1630 bis
1706) seine Kunst, in der van Dyck freilich fast noch stärker nachwirkt als Rembrandt. Nachdem
Willmann Katholik geworden, arbeitete er vornehmlich für Breslau. Seine Vision des hl.
Bernhard, sein hl. Gregor und seine Kreuzesabnahme im Schlesischen Museum zeigen ihn als
ziemlich großzügigen, empfindsamen und keineswegs stimmungslosen Nachahmer der Nieder-
länder. Seine sinnbildliche Verherrlichung des Großen Kurfürsten im Besitze des letzten
deutschen Kaisers ist bei aller Zurückhaltung in den Einzelformen ein hochbarockes Prunkstück
lehrreicher Art. Ein Schüler Wouwermans in Haarlem aber war der Hamburger Mat-
thias Scheits (um 1630 bis gegen 1701), der als Maler und Radierer in seiner Vater-
stadt wirkte. Lichtwark hat ihn in einem besonderer: Büchlein herausgestrichen. Seine breit
und bräunlich gemalter:, meist unmittelbar und natürlich gesehener: Bilder stellen alle erdenk-
lichen Vorgänge im Freien, Gesellschaftsszenen, Soldatenstücke, Bauerngeschichten, gelegentlich
auch biblische Vorgänge und Bildnisse dar. Lichtwark hat die meisten seiner erhaltener: Bilder
in der Hamburger Kunsthalle zu vereinigen verstanden. Ihre Bedeutung liegt gerade darin,
daß Scheits vorzugsweise einheimische, hamburgische Stadt- und Landsitten schildert und Typen
und Trachten aus dem Holländischer: ins Plattdeutsche übersetzt.
Unter den norddeutschen Bildnismalern dieser Zeit sind namentlich zwei Danziger zu
nennen, derer: tüchtiger, aber unselbständiger Vorgänger, Anton Möller von Königsberg
(um 1563—1611), neuerdings von Gyßling und von Ehrenberg gewürdigt worden ist. Der
ältere von ihnen, Daniel Schulz vor: Danzig (1615 — 83), über den Cuny geschrieben
hat, war in Breslau und Paris gebildet, ließ sich aber auch durch Rembrandt beeinflussen.
Als sein Hauptwerk gilt das fremdländisch dreinblickende Gruppenbildnis einer vornehmen
Tatarenfamilie in Zarskoje Selo bei Petersburg; frischer aber ist seir: Bildnis einer Wildbret-
händlerin in Stockholm, überzeugender sein Bildnis des Constantin von Holten im Danziger
Stadtmuseum. Der jüngere, Andreas Stech von Stolp (1635—97), der annehmbare
Altargemälde für die Kirchen zu Danzig, zu Oliva und zu Pelplin schuf, malte vor allem
feinfühlige, im Danziger Stadtmuseum reichlich vertretene Bildnisse, von denen der Spazier-
gang von Patriziern vor den Toren Danzigs in: Sinne der kleinen Freiluftbildnisse de Keysers
(S. 316) von besonders kühlem, feinem Reize ist.
Als Blumen- und Früchtemaler schloß der Gotenburger Ottomar Elliger (1633—79),
der seit 1670 Hofmaler in Berlin war, sich an den Antwerpener Daniel Seghers, schloß der
Frankfurter Abraham Mignon (1640—79), der Jan Davidsz de Heems (S. 297) Schüler
in Utrecht war, sich der holländischen Schule an. Mignon arbeitete hauptsächlich in Frank-
furt. Wenn wir die Sorgfalt der Naturbeobachtung und der Malweise seiner Bilder hervor-
heben, so dürfen wir doch nicht vergessen, wie hart und kalt sie neben ihren Vorbildern erscheinen.
Seine Art ist bezeichnend für die ganze deutsche Malerei des 17. Jahrhunderts. Sie ist
Kunst zweiter und dritter Hand. Von dem einzigen Elsheimer abgesehen, der sich gleich an
der Schwelle des Jahrhunderts erhebt, hat keiner der Genannten nach Nottenhammer eine
entwickelungsgeschichtliche Bedeutung, die über das Weichbild seines Wohnsitzes hinausgriffe.
 
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