8 DER KÜNSTLERISCHE UMSCHWUNG IN DEUTSCHLAND.
will nicht mitreden, keinerlei Werth für fich in Anfpruch nehmen, nur
Werkzeug der Seele fein, welche hervorleuchtet aus den anmuthigen Ge-
fichtern mit dem fchönen Oval, dem feinen Munde, der grofsen geraden
Nafe, den ausdrucksvollen, gemüthstiefen Augen, die nur halb unter den
gefenkten Lidern hervorfchauen. Durch die Innigkeit des Gefühles ift
felbft das Unvollkommene verklärt. Die noch unbeftimmte Zeichnung
wird weit überholt durch die Farbe, welche ja ftets in der Kunft die
eigentliche Sprache des Seelifchen ift. Ganz zart und dünn nur ift fie
aufgetragen, aber wie voll Munterkeit und Harmonie! Und hinter den
Figuren dehnt fich prangender Goldgrund aus, der fie wie in eine himm-
lifche Ferne entrückt, da es nichts als Reines und Heiliges giebt, da
Alles zu finden ift, was das Herz nur von Andacht und fchwärmerifcher
Sehnfucht, von Zartheit und Liebreiz zu faffen vermag.
Das ift der Geift, welcher uns in den Werken vom Ende des 14.
Jahrhunderts entgegentritt, der Zeit, aus welcher uns der Name des
Meifters Wilhelm von Köln überliefert ift. Was die nächfte Generation
am Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts hervorbringt ift fchon vielfach
etwas Anderes geworden. Meifter Stephan Lochner fteht hier oben-
an, der Schöpfer des »Dombildes,« auf dem die göttliche Mutter mit dem
Kinde von den Heiligen, denen Köln am meiften befohlen ift, den drei
Königen aus dem Morgenlande, fo wie Gereon und Urfula mit ihrem
Gefolge, verehrt wird. Dies Werk und die übrigen Schöpfungen des
Künftlers ftehen an der Grenze zweier Zeiten. Unfchuld, Hoheit, ftille,
füfse Feier haben fie noch von der alten Zeit bewahrt. Aber auch die
Freude an der vollen, frohen Wirklichkeit der Dinge, dies Merkmal der
neuen Zeit, findet fich ein. Die realiftifche Auffaffung, die bald in der
nordifchen Kunft zu herrfchen berufen ift, erwacht. Immer mehr und
immer freudiger verfenkt fich das Auge in die Natur. Züge aus der
täglichen Umgebung werden herausgegriffen und fügen fich heiter ein.
Das Gefühl für das Körperliche wächft, die fchlanken Geftalten werden
gedrungener und Stellen fich in behaglicher Breite, oft mit gefpreizten
Beinen hin. Die Glieder werden kräftiger, die Gefichter rundlicher und
voller, die Augen find nicht mehr in Demuth und Befangenheit nieder-
gefchlagen, fondern blicken keck und froh in die Welt hinaus. Manch-
mal weifs die neue Hinneigung zum Wirklichen noch nicht das rechte
Mafs zu finden, unter den Männerköpfen kommen derbe und gewöhn-
liche Bildungen vor. Aber nichts Lieblicheres kann man fehen als die
Kindergefichter von Meifter Stephan's Frauen und Mädchen. Gekleidet
find Männer und Frauen in die glänzende, oft freilich feltfame Mode des
Tages, Sammet, Seide, Goldbrokat, die prächtigsten Stoffe find gewählt, die
Gewänder pflegen fo zu fallen, dafs auch ihr Futter von anderer Farbe zum
Vorfchein kommt, um die glitzernde koloriftifche Mannigfaltigkeit zu erhöhen.
will nicht mitreden, keinerlei Werth für fich in Anfpruch nehmen, nur
Werkzeug der Seele fein, welche hervorleuchtet aus den anmuthigen Ge-
fichtern mit dem fchönen Oval, dem feinen Munde, der grofsen geraden
Nafe, den ausdrucksvollen, gemüthstiefen Augen, die nur halb unter den
gefenkten Lidern hervorfchauen. Durch die Innigkeit des Gefühles ift
felbft das Unvollkommene verklärt. Die noch unbeftimmte Zeichnung
wird weit überholt durch die Farbe, welche ja ftets in der Kunft die
eigentliche Sprache des Seelifchen ift. Ganz zart und dünn nur ift fie
aufgetragen, aber wie voll Munterkeit und Harmonie! Und hinter den
Figuren dehnt fich prangender Goldgrund aus, der fie wie in eine himm-
lifche Ferne entrückt, da es nichts als Reines und Heiliges giebt, da
Alles zu finden ift, was das Herz nur von Andacht und fchwärmerifcher
Sehnfucht, von Zartheit und Liebreiz zu faffen vermag.
Das ift der Geift, welcher uns in den Werken vom Ende des 14.
Jahrhunderts entgegentritt, der Zeit, aus welcher uns der Name des
Meifters Wilhelm von Köln überliefert ift. Was die nächfte Generation
am Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts hervorbringt ift fchon vielfach
etwas Anderes geworden. Meifter Stephan Lochner fteht hier oben-
an, der Schöpfer des »Dombildes,« auf dem die göttliche Mutter mit dem
Kinde von den Heiligen, denen Köln am meiften befohlen ift, den drei
Königen aus dem Morgenlande, fo wie Gereon und Urfula mit ihrem
Gefolge, verehrt wird. Dies Werk und die übrigen Schöpfungen des
Künftlers ftehen an der Grenze zweier Zeiten. Unfchuld, Hoheit, ftille,
füfse Feier haben fie noch von der alten Zeit bewahrt. Aber auch die
Freude an der vollen, frohen Wirklichkeit der Dinge, dies Merkmal der
neuen Zeit, findet fich ein. Die realiftifche Auffaffung, die bald in der
nordifchen Kunft zu herrfchen berufen ift, erwacht. Immer mehr und
immer freudiger verfenkt fich das Auge in die Natur. Züge aus der
täglichen Umgebung werden herausgegriffen und fügen fich heiter ein.
Das Gefühl für das Körperliche wächft, die fchlanken Geftalten werden
gedrungener und Stellen fich in behaglicher Breite, oft mit gefpreizten
Beinen hin. Die Glieder werden kräftiger, die Gefichter rundlicher und
voller, die Augen find nicht mehr in Demuth und Befangenheit nieder-
gefchlagen, fondern blicken keck und froh in die Welt hinaus. Manch-
mal weifs die neue Hinneigung zum Wirklichen noch nicht das rechte
Mafs zu finden, unter den Männerköpfen kommen derbe und gewöhn-
liche Bildungen vor. Aber nichts Lieblicheres kann man fehen als die
Kindergefichter von Meifter Stephan's Frauen und Mädchen. Gekleidet
find Männer und Frauen in die glänzende, oft freilich feltfame Mode des
Tages, Sammet, Seide, Goldbrokat, die prächtigsten Stoffe find gewählt, die
Gewänder pflegen fo zu fallen, dafs auch ihr Futter von anderer Farbe zum
Vorfchein kommt, um die glitzernde koloriftifche Mannigfaltigkeit zu erhöhen.