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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0132
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io8 DIE SÖHNE HANS UND AMBROSIUS IN BASEL.

Schlecht, fromm, fchafft nüt;
Lift, Falfch g'winnt d' Büt«1)
Oder ähnlich auf einem Glasbilde, vielleicht von Nicolaus Manuel, wo der
alte Schweizer neben dem neuen fteht und zu ihm fagt:
»Gutt was unfer knecht, jetz ifts din herr,
Wer by dir gutt hatt, der hatt eer,
Ich fag dir das an allen Spott,
Gut ift worden din herr und gott.« 2)
Der biedere Arzt und Chronift, der Mann von altem Schrot und Korn
ift wohl etwas einfeitig in feiner Strafrede. Manches, was nicht ganz
lobenswerth war, mag im Gefolge des Umfchwunges gewefen fein. Wir
müffen aber auch die beffere Seite erkennen von jener kräftigen Sinnlich-
keit und gefunden Lebensfroheit, wie fie in der Schweiz und befonders
in Bafel zu Haufe waren, das von den Bisthümern am Rhein, der foge-
nannten Pfaffengaffe, beim Volk allgemein als das luftigfte galt. Dem
Künftler, der fich hier niederliefs, ward dadurch fröhliches Entgegenkom-
men geboten.
Das aber, was Aeneas Sylvius bei feiner Befchreibung noch befon-
ders an den Bafelern vermifst, der wiffenfchaftliche Sinn, hatte mittler-
weile bedeutend zugenommen. Er felbft trug dazu bei. Seines dortigen
Aufenthaltes gedenkend, ftiftete er, nachdem er als Pius II. den päpftlichen
Stuhl befliegen, die bafeler Univerfität, deren feierliche Einfetzung am
4. April 1460 gefchah. Gerade in dem Zeitraum, von dem wir reden,
war diefe Hochfchule zu befonderer Höhe gediehen. Hier hatten unter An-
deren zwei von Deutfchlands berühmteften Gelehrten und Charakteren ge-
wirkt, 1471—1476 Geiler von Kaifersberg, 1484— 1488 Reuchlin.
Ein Schüler diefes Mannes, der in der gleichzeitigen Literatur des Vater-
landes eine der erften Rollen fpielte, lebte dauernd hier, Sebaftian
Brant, deffen berühmtes Narrenfchiff zuerft 1495 herauskam. Mit
dem Studium des Rechtes verband er das der Poefie und wufste beides zu
lehren. Die Scholaftiker waren ihm feind, aber unter den Studirenden
übte feine glänzende Gabe des Vortrags Anziehung. Der Bifchof Chriftoph
von Utenheim (1502 — 1519) war felbft ein eifriger Gönner des Huma-
nismus. Unter den Profefforen der Theologie war Thomas Wittenbach
aus Biel, der Lehrer Zwingli's, dem diefer feine Grundfätze über reine
Bibelauslegung und Verwerfung des Ablaffes zu danken hat. Wilhelm
Textor und Conrad Pelicanus brachten das Studium des Hebräifchen

9 Schlecht = fchlicht, nüt = nichts, Büt = Beute.
-) Abgedruckt in Rocholz, Eidgenöffifche Liederchronik, S. 419 f. und Grüneifen, Nico-
laus Manuel, S. 461 f. — An = ohne.
 
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