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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0277
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SATIRISCHE BLÄTTER IM SINNE DER REFORMATION. 237
auch die Obrigkeit übte in Bafel ftrenge Cenfur, namentlich gegen reli-
giöfe Streitfehriften. Den 12. December 1524 erging, vorzugsweife
gegen folche gerichtet, die einhellige Verordnung beider Räthe, des.
grofsen und des kleinen: »Die Buchdrucker follen nichts drucken laffen
oder felber drucken, weder latein, hebräifch, griechifch noch deutfch, es
fei denn zuvor durch die Herren befichtigt und zugelaffen worden, welche
je zu Zeiten durch einen ehrfamen Rath dazu verordnet worden. Was
ihnen von denfelben zu drucken vergünstigt wird, dazu follen fie ihren
Namen drucken. — Wer das überfieht, der foll je nach feinem Verdienen,
auf des Rathes Erkenntnifs fchwerlich geftfaft werden1)«. Dies Cenfur-
Edict ging auch jene Bilder an, deren ganzer Charakter zeigt, dafs fie
fchwerlich allein, fondern wahrfcheinlich mit Text erfchienen.
Die beiden Compofitionen, welche wir in Copien folgen laffen, haben
ihrem Format nach offenbar den Kopf eines fliegenden Blattes gebildet
und find von Lützelburger gefchnitten, mit deffen beglaubigten Arbeiten
fie übereinftimmen. Das erfte Blatt ift gegen denjenigen Mifsbrauch,
welcher Luther's Auftreten hervorrief, gegen den Ablafswucher, ge-
richtet. Am Ende einer Kirchenhalle, welche überall, an Chorftühlen
und Teppichen, das Wappen der Medici zeigt, thront Papft Clemens VII2),
von Cardinälen und Bifchöfen umgeben, und legt einem knieenden Domi-
nikaner die Ablafsbulle in die Hand. Im Vordergrunde, in den Chor-
ftühlen fitzen geiftliche Herren, hören Beichte und weifen auf den Opfer-
kaften hin, in den eine Bürgerfrau eben fchon ihr Scherflein thut. In
der Mitte fleht ein Tifch, an welchem drei Dominikaner mit dem Aus-
fertigen und Verkaufen der Ablafsbriefe befchäftigt find. Der eine hält
den Brief noch zurück und überrechnet erft habgierig das Geld, welches
der einfältige Käufer auf den Tifch zählt, ein andrer, gerade im Schreiben
begriffen, weift den Bettler fchroff zurück, der fich auf feiner Krücke
herbeifchleppt und, obwohl er kein Geld zum Bezahlen hat, um Ablafs
feiner Sünden bittet. Zur Linken aber, im Freien, als wären fie heraus-
getreten aus der Kirche, in der man mit der göttlichen Gnade Handel
treibt, beugen fich die wahren Bufsfertigen vor Gott. Überwältigt vom
Gefühl der Reue hat fich David auf den Boden geworfen, mit gefalteten
Händen und im brünftigen Gebet emporblickend fleht hinter ihm der
götzendienerifche König Manaffe, von dem es in der Schrift heifst: »Und
da er in Angft war, flehete er vor dem Herrn, feinem Gott, und demü-
thigte fich fehr vor dem Gott feiner Väter3).« Ihrem Beifpiel folgt der
»offen Synder«, der gefenkten Hauptes, zerknirfcht und in zerriffenem

9 Ochs V. S. 467.

2) Oder Leo X., wenn das Blatt fchon vor 1523 entwanden ift.

3) II. Chronika 33, 12.
 
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